Mehr als 150.000 Tote – das war die furchtbare Bilanz des Seebebens an Weihnachten 2004 für die Provinz Aceh auf Sumatra. In Japan hat es mit gleicher Wucht eine ähnlich dicht besiedelte Küstenregion getroffen. Dass die Zahl der Todesopfer vermutlich rund 90 Prozent niedriger bleiben wird, ist das große Verdienst der japanischen Katastrophenprävention. Abgesehen vom Schutz der Nuklearanlagen haben Behörden und Zivilgesellschaft bei ihren Vorbereitungen auf "The Big One" offenbar alles richtig gemacht.

Aceh und das japanische Katastrophengebiet in den Präfekturen Miyagi, Fukushima und Iwate sind sich erstaunlich ähnlich. Beide Regionen haben etwa fünf Millionen Einwohner auf einer Fläche von rund 50.000 Quadratkilometern. Die Epizentren der Beben mit Stärken von rund 9 auf der Richterskala lagen in beiden Fällen etwa 150 Kilometer vor der Küste, und die über fünf Meter hohen Tsunami-Wellen erreichten schon weniger als 30 Minuten nach den Beben dicht bewohntes Gebiet. In Aceh traf die Flut auf eine unvorbereitete Bevölkerung. Japan dagegen hatte sich gegen die drohende Gefahr gewappnet.

Zum Beispiel durch strenge Bauvorschriften. Die Erdstöße haben kein einziges Hochhaus in Japan zum Einsturz gebracht. Mit gigantischen Puffern im Fundament und einem flexiblen Stahlbetonskelett federten selbst über 200 Meter hohe Wolkenkratzer das Beben vollständig ab. Weniger sicher war es in kleineren Gebäuden, doch auch dort zeigte sich, dass seit dem großen Beben in Kobe 1995 viel in die Sicherheit investiert worden war. Nicht das Beben selbst, sondern der anschließende Tsunami war die Ursache für fast alle Todesopfer.

Vor der Gewalt einer mehr als fünf Meter hohen Flutwelle können Küstenstädte nicht geschützt werden. Die einzige Chance für die Rettung möglichst vieler Bewohner ist ein schnell reagierendes Warnsystem mit eingeübten Fluchtwegen und erhöhten Sicherheitsplattformen. Das hat in Japan vorbildlich funktioniert. Bereits drei Minuten nach dem Seebeben gab der zuständige meteorologische Dienst eine Tsunami-Warnung der höchsten Alarmstufe heraus. Weniger als zehn Minuten später heulten entlang der bedrohten Küste die Sirenen. Und die Menschen wussten, was das bedeutet. Schon im Kindergarten wird das richtige Verhalten bei Erdbeben eingeübt.

Zehntausende retteten sich in der knappen Viertelstunde, die zwischen dem Sirenenalarm und dem Eintreffen des Tsunami blieb, auf die Dächer stabiler Stahlbetonhäuser, auf Felsen und hoch gelegene Brücken. Selbst die Evakuierung der extrem gefährdeten Züge auf küstennahen Gleisen scheint – entgegen ersten Meldungen – in den meisten Fällen gelungen zu sein.

Welche Folgen Naturgewalten haben, hängt entscheidend davon ab, wie Menschen sich vorbereiten. Armut ist das größte Katastrophenrisiko . Im Durchschnitt forderten Natur- und Technik-Katastrophen seit 1900 in Entwicklungsländern jeweils mehr als tausend Todesopfer, in Industrieländern dagegen nur 22.

Die Bilder zerstörter Küstenstädte zeigen nicht das Scheitern japanischer Katastrophenprävention. Sie zeigen, was sich auch bei bester Vorbereitung nicht verhindern lässt.