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'Der Lift – Slobodan Show' - Foto: BR | Dejan Stefanovic

Ein Theaterstück emotionalisiert
'Der Lift – Slobodan Show'

Glitzernde Kostüme, kitschige Trainingsanzüge, schrille Nike Sportschuhe, Tanz, Songs und witzige, satirische Sketches à la Monty Python… kaum ein Theaterstück erregte so viel Aufmerksamkeit in den in- und ausländischen Medien, noch lange bevor der Vorhang aufging und die Vorstellung begann. Das „magische“ Wort lautet – Slobodan Milosevic. Kriege, Bombardierung, Sanktionen, Hyperinflation, Armut, Kriminalität, Turbofolk, Gettoisierung der Kultur – das sind noch immer Begriffe, die mit seinem und dem Namen seiner Ehefrau Mira Markovic in Verbindung gebracht werden.

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Auszug aus dem Theaterstück „Der Lift – Slobodan Show“

Im Abschnitt, der die NATO-Bombardierung Serbiens während des Kosovo-Krieges behandelt werden u.a. NATO-Offizielle zitiert, die sich, aus der Sicht der Autoren des Stücks, zynisch für eine Ausweitung der Bombardements auf zivile Ziele und unschuldige serbische Bürger eingesetzt haben.

 

Video: BR | Dejan Stefanovic

Dass die Meinungen der Serben über den ehemaligen serbischen und jugoslawischen Präsidenten auch 12 Jahre nach seinem Tod in der Haft des Haager Tribunals gespalten sind, ist kein Geheimnis. Von Held bis Tyrann – alles ist im Spiel. Die Tatsache, dass dieser Teil der serbischen Geschichte noch immer eine Art Tabu darstellt und Milosevic inklusive des provokativen Titels als Hauptheld angekündigt wurde, nährten die Erwartungen des Publikums und vor allem der Medien, dass es sich um eine bisher noch nicht da gewesene Auseinandersetzung mit Milosevics Politik und Person handelt.

 

Die Uraufführung fand Anfang März auf der Bühne des lokalen Kulturhauses in der serbischen Enklave Gracanica bei Pristina statt, denn das Stück ist eine Produktion des ‚Serbischen Dramas‘, das 1999 das Nationaltheater in Pristina verlassen musste. Die Reaktionen reichten von Begeisterung bis Kritik: für die einen ist das eine erfolgreiche Suche nach den Ursachen ihres heutigen Lebens, für die anderen eine Verspottung Milosevics oder gar ein Trick, eine politische Manipulation mit seinem Namen. Die kosovoalbanische Öffentlichkeit forderte noch im Voraus ein Aufführungsverbot, da sie hinter dem Stück eine Verherrlichung von Milosevics Werk und Leben vermutete und kritisierte nachher die fehlende Auseinandersetzung des Stücks mit Folgen der Milosevic-Herrschaft, den Verbrechen an der  kosovoalbanischen Bevölkerung.

 

Autorin Jelena Bogavac, eine bekannte Belgrader Dramaturgin, beschreibt ihr Werk als ein postdramatisches Stück mit den Elementen eines Musicals. Der Regisseur Nenad Todorovic und sie hätten sich im Stück weder mit Milosevics Schuld beschäftigt noch ihn verteidigt, sagte Bogavac, ein Engagement auch ohne Ambitionen, den tiefen nationalen Konflikt zu lösen, der noch immer heiß aktuell sei. Das Stück besteht aus den in der Öffentlichkeit bereits bekannten Transkripten, abgehörten privaten Gesprächen, politischen Reden, Teilen der Lebenserinnerungen, deren Protagonisten neben dem Herrscherpaar und ihren Kindern Marko und Marija auch Persönlichkeiten aus ihrem näheren politischen wie privaten Umfeld sind.

„Es handelt sich auch um den Versuch, die Bizarrerie ihrer familiären, häuslichen Beziehungen - die zeigt, wie ein kleinbürgerliches Gefolge die Gesellschaft besetzt hat - mit unseren persönlichen Bekenntnissen am Ende des Stücks zu antagonisieren. Damit verurteilen wir definitiv die pathologische Gesellschaft, die dank Milosevic geschaffen wurde“

erklärt der gebürtige Kosovo-Serbe Todorovic

Gemeint ist das letzte Drittel des Stücks, in dem die Schauspieler in postdramatischer Manier ihre persönlichen Erinnerungen an Milosevics Herrschaft mit dem Publikum teilen. Und die Mehrheit der Schauspieler sind junge Menschen, Kinder der 90er Jahre, sog. „Milosevics Babys“, die damals im Kosovo geboren wurden.

Der Gastauftritt in der serbischen Hauptstadt Belgrad vor einigen Tagen fand ebenfalls vor einem ausverkauften Haus statt, aber dieses Mal in einer entspannteren Atmosphäre. Dass die Intention der Autoren ankam, zeigten nicht nur das laute Lachen des Publikums und traurige Tränen in den Augen meiner Sitznachbarin bei entsprechenden Passagen, sondern auch der Beifallssturm am Ende. Jeder und jede mit seinem bzw. ihrem eigenen Motiv.

Meinungen der Theaterbesucher

„Mir hat das Stück gefallen. Ich habe es wirklich stark emotional erlebt. Mehr explizite Politik im Stück vermisse ich nicht. In der Milosevic-Ära war ich noch zu jung. Ich sehe das Stück mehr als das Abbild einer Zeit. Und ich habe doch Erinnerungen an sie, obwohl ich klein war, aber die wir alle auf der eigenen Haut gespürt haben. So wie es in den 90ern wirklich war“

Theaterbesucherin

„Vielleicht liegt das Problem darin, dass wir noch nicht bereit sind, uns mit der Bedeutung der Milosevic-Herrschaft zu konfrontieren. Ich habe mir das Publikum angeschaut. Auch zwölf Jahre nach seinem Tod zeigen Menschen Emotionen gegenüber Milosevic. Keiner war gleichgültig, keiner hat sich gelangweilt. Wir haben uns alle die Wiederholung dessen angeschaut, was wir erlebt haben. Aber er erscheint uns noch immer interessant. Vielleicht ist das ein guter Anfang, dass wir uns damit beschäftigen, was uns passiert ist. Das ist das erste Mal, dass sich auf dem Feld der Kunst etwas mit dem Thema Milosevic tut. Alles was uns heute geschieht, hat was mit ihm zu tun“

Theaterbesucher

„Mein Verhältnis zu Milosevic und seiner Zeit ist mehr als klar. Für mich war und ist er das Böse geblieben. Da habe ich kein Dilemma. Er löste nie irgendwelches Mitleid bei mir aus. In meinem Leben war er vielleicht die einzige Person, die ich wahrhaftig gehasst habe“

Theaterbesucherin

„Wer was erwartet hat? Jeder hat seine eigene Sichtweise, sowohl was die Persönlichkeiten als auch diese Periode betrifft. Es wird sicherlich Enttäuschte aus diesem oder jenem Grund geben. Man sollte nicht vergessen, dass dies ein Theaterstück ist und keine Geschichtslektion. Künstler haben das Recht, sich den Winkel auszusuchen, der theatermäßig für sie am produktivsten ist“

Theaterbesucher
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