TRIER. Marco Ofenstein ist gelernter Glaser und seit 2005 beim Kampfmittelräumdienst Koblenz. Am Sonntag wird er mit seinem Team in Konz eine Bombe entschärfen. Fast jeder hat sich im Vorfeld zu einer Bombenentschärfung schon mal die Frage gestellt: Was sind das für Menschen, die für andere ihr Leben aufs Spiel setzen? Für den reporter ist Clemens Sarholz genau dieser Frage nachgegangen und hat mit Marco Ofenstein über seinen Beruf gesprochen. Entstanden ist dabei ein ebenso spannendes wie informatives Interview, bei dem der Sprengstoffexperte, der sich in keiner Heldenrolle sieht, ganz offen über seine Arbeit spricht und dabei tiefe Einblicke ermöglicht.
Was ist ihre Berufsbezeichnung und wie kommt man an einen solchen Job?
Ofenstein: Mein Beruf nennt sich: Fachtechnisches Aufsichtspersonal in der Kampfmittelräumung. Bei der Bundeswehr werden wir umgangssprachlich Feuerwerker genannt, und dafür kann man sich direkt bewerben, manche werden auch vom Arbeitsamt vermittelt. Das ist kein Ausbildungsberuf, für viele ist es aber Voraussetzung, dass man einen metallverarbeitenden Beruf hat. Das klingt vielleicht ein wenig zynisch, so ist es aber (lacht). Das meiste lernt man von seinen Kollegen. Theoretisches Wissen gibt es anhand von Datenblättern oder Lehrgängen, aber von denen lernt man eher wenig über die Arbeit an der Bombe.
Was macht den Reiz dieses Berufes aus?
Ofenstein: Die Vielseitigkeit. Wir kommen viel rum, an interessante Einsatzorte, an die man sonst vielleicht nicht kommen würde. In einem Aufenthaltsraum eines Bunkers war mal eine Übungshandgranate und da bekamen wir einen Einblick in einen ehemaligen Natobunker, das fand ich sehr spannend. Da kommt man so schnell nicht rein. Die Fragen, die sich stellen, sind auch reizvoll. Was finden wir als nächstes? Was kommt als nächstes? Ein Bombenfund wird bei uns ja gemeldet, im günstigsten Fall gibt es dazu ein Foto, aber dann muss man hinfahren und sich selbst ein Bild machen. Außerdem finde ich es spannend, wie eine Bombe funktioniert und wie die Zünder funktionieren.
Wie viele Bomben haben Sie in ihrem Leben schon entschärft?
Ofenstein: Ich habe sie nicht gezählt, aus unserem Team zählt sie keiner, weil es unerheblich und uninteressant ist. Die erste Entschärfung habe ich mir gemerkt, aber eigentlich geht es mir nur darum, die Gefahr zu beseitigen, für Sicherheit zu sorgen, für uns und unsere Nachkommen.
Welche Auswirkungen hätte es, wenn die Bombe in Konz explodiert?
Ofenstein: Der Kampfmittelräumdienst würde das nicht überleben. Und das umliegende Umfeld würde komplett zerstört sein. Die Splitter würden durch die Luft fliegen und vielleicht auch noch das ein oder andere kaputt machen.
Wer müsste für den Schaden dann aufkommen?
Ofenstein: Das ist eine gute Frage, die ich Ihnen aber leider nicht beantworten. Über die müsste ich mir im schlimmsten Fall auch keine Gedanken machen. (lacht)
Wie bereiten sie sich auch einen solchen Einsatz vor?
Ofenstein: Ich frühstücke ordentlich, ich mache mich fertig, ich packe das Werkzeug ein, und so wie Sie morgens zur Arbeit fahren, so mache ich das auch. Hier in Konz haben wir uns vor Ort erst mal einen Überblick verschafft, da haben wir geguckt, ob die Bombe einen Riss hat, welche Zünder verbaut sind, wie viele Zünder verbaut sind, ob man unter Umständen sofort handeln muss. Und dann haben wir alle Informationen, die wir brauchen, und dann können wir handeln und weitere Schritte einleiten. Meistens haben wir so viel Zeit, dass es nicht einmal stressig wird.
Wie wird eine solche Bombe entschärft?
Ofenstein: Das möchte ich nicht erzählen, weil das im Prinzip sehr einfach ist. Wir reden darüber nicht, weil sonst die Gefahr besteht, dass der nächste Baggerfahrer Heinz-Jupp um die Ecke kommt und seinem Kollegen sagt: “Gib mal das Werkzeug, ich mach das jetzt selber.” Dass so was passiert, das möchten wir in jedem Fall vermeiden.
Wie ist es für Sie, wenn sie vor die Bombe treten? Sind sie dabei aufgeregt?
Ofenstein: Nein, aufgeregt bin ich dabei nicht. Bei den ersten paar Einsätzen war ich etwas aufgeregt, aber das hat sich mit der Zeit gelegt. Es ist meine Arbeit. Ganz normal fühle ich mich dabei. (lacht) Wir stehen ja immer als Team hinter der Bombe. Jetzt in Konz werden wir zu Viert sein. Dabei sind wir natürlich hochkonzentriert und wägen genau ab, was wir als nächstes tun, aber das muss man in vielen Berufen machen. So wie ein KFZ-Mechaniker, wenn er an Bremsen schraubt.
Wenn etwas schief geht, dann sind sie tot, kennen sie keine Angst?
Ofenstein: Ja, natürlich kenne ich Angst, aber in diesem Moment denke ich nicht über einen negativen Ausgang nach. Wir sind da auch zu eingespannt, um darüber nachzudenken. Es gab aber mal eine kniffelige Situation mit einem Langzeitzünder, da habe ich dann abends im Bett gelegen und war froh, dass es vorbei war und wir alle heil nach Hause gekommen waren.
Sie tragen sehr große Verantwortung, wie schaffen sie es, einen kühlen Kopf zu bewahren?
Ofenstein: Auch das ist eine gute Frage, darüber habe ich mir bisher keine Gedanken gemacht. Wir sind einfach ein gutes Team und sprechen genau über unsere nächsten Arbeitsschritte, dann wägen wir ab, welcher nächste Schritt der Beste ist. Das ist auch wie bei einem KFZ-Mechaniker, der vor einem Motor steht und genau weiß, was er zu tun hat.
Wie geht ihre Familie mit ihrem Job um?
Ofenstein: Meine Kinder sind jetzt 13 und 15 und sind damit groß geworden, die kennen nichts anderes, für die ist das ganz normal, und für meine Frau ist das auch kein Problem.
Ist ihr Job heldenhaft?
Ofenstein: Ach was, nein, da ist nichts Heldenhaftes dran. Es ist ein Job wie jeder andere auch. Schauen Sie sich doch beispielsweise mal den Arbeiter an, der auf Autobahnen die Leitplanken erneuert, da ist die Gefahr noch viel größer, dass ihm etwas passiert, davor habe ich Mords-Respekt. Oder die Arbeit eines Chirurgen. Ich möchte die Verantwortung nicht haben, an einem Menschen herumzuoperieren.
Haben Sie eine spannende oder witzige Anekdote?
Ofenstein: Da muss ich nachdenken. Moment. Ja, einmal wurden wir zu einer Bombe gerufen und dann haben wir uns einen Überblick verschafft und sind, wie gewohnt, an sie herangetreten, um dann festzustellen, dass es ein Waffeleisen ist. Zur Verteidigung desjenigen, der uns gerufen hat: Man hat nur das Eisen gesehen, und das war verrostet. Es hätte also auch eine Bombe sein können …
Herr Ofenstein, besten Dank für das Gespräch.