Berlin/Athen/Cannes - Die griechische Regierung unter Premierminister Giorgos Papandreou will das Chaos nach der Ankündigung eines Referendums über die Finanzhilfen der Europäischen Union und die Zugehörigkeit zur Euro-Zone beenden. Er sei bereit, Gespräche zur Bildung einer Übergangsregierung aufzunehmen, sagte Papandreou am Donnerstag in Athen. Der konservative Oppositionsführer Antonis Samaras forderte allerdings, Papandreou solle zuvor zurücktreten, damit die Regierung ohne ihn gebildet werden könne. Der sozialistische Ministerpräsident schließt das nicht aus: „Ich klebe nicht an irgendeinem Stuhl“, sagte Papandreou am Donnerstagabend im Parlament in Athen. „Ich will nicht unbedingt wieder gewählt werden.“
Das Referendum über das neue internationale Hilfspaket ist damit zunächst vom Tisch. Finanzminister und Vizepremier Evangelos Venizelos sagte, Griechenlands Mitgliedschaft in der Euro-Zone sei eine „historische Errungenschaft“, die man nicht mit einem Referendum aufs Spiel setzen dürfe. Ein Referendum sei „Unsinn und das Letzte, was Griechenland jetzt braucht“.
Papandreou sagte, die Absage des Referendums sei die Voraussetzung dafür gewesen, dass Gespräche mit der oppositionellen Nea Dimokratia (ND) zur Bildung einer Übergangsregierung zustande kommen. „Ich werde mit dem Chef der Nea Dimokratia sprechen“, sagte der Premier. Nach Medienberichten soll Papandreou eine politische Regierung aus seiner sozialistischen Pasok und der ND anstreben, die für etwa ein halbes Jahr die Geschicke des Landes in die Hand nimmt. Die ND dagegen wolle eine Übergangsregierung nur für einige Wochen und dann eine Neuwahl des Parlaments. Bei hochrangigen ND-Quellen hieß es, die Übergangsregierung solle aus Experten und nicht aus Politikern bestehen. „Diese Regierung wird das Land nur so lange führen, bis das Hilfspaket unter Dach und Fach ist. Danach Neuwahlen“, sagte ein Mitarbeiter der ND. Diese Wahlen könnten im Dezember stattfinden, hieß es.
In den griechischen Medien wurden bereits Namen möglicher Nachfolger Papandreous gehandelt – darunter der frühere Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, Lucas Papademos, und der frühere griechische Ministerpräsident Kostas Simitis. Er sei aus Kreisen der Europäischen Union vorgeschlagen worden, hieß es aus griechischen Oppositionskreisen.
Der Machtkampf in Griechenland überschattete auch den Gipfel der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt (G 20) im französischen Cannes. US-Präsident Barack Obama äußerte in einem Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel die Sorge, dass die Folgen der Krise auch sein Land erfassen könnten. „Obama hat klargemacht, dass er an einem starken Euro und einer Lösung der Euro-Probleme großes Interesse hat“, hieß es in deutschen Regierungskreisen. Der US-Präsident erwarte einen Erfolg der europäischen Lösungsbemühungen. Schließlich seien die Europäer die größten Handelspartner seines Landes.
Das Drama um die Zukunft Griechenlands löste Aufregung an den Finanzmärkten aus. Die Spekulationen um eine Absage des geplanten griechischen Referendums trieben die Aktienkurse in die Höhe. Zusätzlichen Schub erhielten sie von der Europäischen Zentralbank (EZB), die überraschend die Zinsen senkte. Notenbank-Chef Mario Draghi setzte bei seinem Debüt als Vorsitzender des EZB-Rats ein Zeichen. Die Notenbanker senkten den Leitzins um 25 Basispunkte auf 1,25 Prozent. Mit der Absenkung reagierten sie auf die sich eintrübenden Wirtschaftsaussichten. Niedrige Zinsen sollen dabei die Investitionsfreudigkeit der Unternehmen anfeuern. Das birgt jedoch die Gefahr, dass die Inflation weiter steigt. Einen Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone hält Draghi für nicht vorstellbar. Eine solche Möglichkeit sähen die EU-Verträge überhaupt nicht vor, sagte der EZB-Chef in Frankfurt. „Das steht nicht im Vertrag. Wir sind an den Vertrag gebunden.“
Italien gerät derweil immer stärker unter den Druck der Finanzmärkte. Italienische Staatsanleihen waren am Donnerstag so wenig wert wie noch nie: Investoren verlangten für die Schuldpapiere mit einer Laufzeit von zehn Jahren zwischenzeitlich eine Rendite von 6,402 Prozent. Der Abstand der italienischen Papiere zu den als besonders sicher geltenden deutschen Staatsanleihen stieg damit ebenfalls auf ein neues Rekordhoch. Er betrug am Donnerstag zwischenzeitlich 4,62 Prozentpunkte.
Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi will sein Sparpaket mit einem Vertrauensvotum im Parlament verknüpfen. Die am Vorabend vom Kabinett beschlossenen Maßnahmen sollten am Dienstag oder Mittwoch kommender Woche dem Senat zur Abstimmung vorgelegt werden, hieß es aus italienischen Regierungskreisen. mit rtr/dpa/AFP
1 Kommentar
Neuester Kommentar
Kommentar schreiben