Staatsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde im Alter von 88 Jahren gestorben | Aktuell Deutschland | DW | 25.02.2019
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Deutschland

Staatsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde im Alter von 88 Jahren gestorben

Der Katholik und SPD-Mann sorgte sich um den Zusammenhalt der Gesellschaft - und war doch auch ein Wanderer zwischen den Welten. Und: Stets vertraute Böckenförde dem eigenen Kopf - gerade als Bundesverfassungsrichter.

Ernst-Wolfgang Böckenförde, früherer Bundesverfassungsrichter und emeritierter Freiburger Staatsrechtler, ist tot. Er starb am Sonntag im Alter von 88 Jahren, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mitteilte. In Böckenfördes Amtszeit in Karlsruhe fielen wichtige Urteile, etwa zum Auslandseinsatz der Bundeswehr, zum Schwangerschaftsabbruch oder zum Parteien- und Asylrecht.

In vielen Debatten über das Verhältnis von Politik und Religion wird Bezug genommen auf die von Böckenförde schon 1964 formulierte These: "Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann." Damit vertrat er ein Konzept staatlicher Religionsneutralität, das der religiösen Überzeugung der Bürger eine wichtige Rolle für den Zusammenhalt des Gemeinwesens beimisst. 

Elf Sondervoten mit abweichenden Meinungen 

Böckenförde stammte aus Kassel. Nach Jurastudium, Promotion und Habilitation wirkte er als Professor in Heidelberg, Bielefeld und Freiburg. 1983 kam der Sozialdemokrat zum Bundesverfassungsgericht; bis 1996 war er ununterbrochen Richter im Zweiten Senat. Dort war er vor allem für das Asyl- sowie für das Finanzverfassungs- und Haushaltsrecht zuständig. Das Karlsruher Gericht erinnerte in einer Mitteilung beispielhaft an die Entscheidungen zum Länderfinanzausgleich und zu "Nachfluchttatbeständen", die Böckenförde vorbereitet hatte.

Ernst-Wolfgang Böckenförde 1993 mit der Gerichtspräsidentin des Zweiten Senats, Jutta Limbach, und dem Kollegen Berthold Sommer (Foto: picture-alliance/dpa/U. Deck)

Böckenförde 1993 mit der Gerichtspräsidentin des Zweiten Senats, Jutta Limbach, und dem Kollegen Berthold Sommer

Elf Mal gab er mit einem Sondervotum eine abweichende Meinung ab. Er war Mitherausgeber der Heidelberger Fachzeitschrift für Staatslehre und Verfassungsgeschichte "Der Staat" und Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Hannah-Arendt-Preis, Romano-Guardini-Preis

Böckenförde wurde vielfach geehrt, obwohl er öffentliche Auftritte eher scheute. So erhielt er fünf Ehrendoktortitel, darunter die der Katholisch-Theologischen Fakultäten in Bochum und Tübingen. Papst Johannes Paul II. ernannte den Katholiken zum Komtur des Gregoriusordens. Baden-Württemberg ehrte ihn mit der Landesverdienstmedaille, 2004 erhielt Böckenförde den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken und 2016 das Bundesverdienstkreuz. Der damalige Bundespräsident Joachim Gauck würdigte Böckenförde dabei als überzeugten Christen, leidenschaftlichen Demokraten und Brückenbauer zwischen Kirche und Staat.

Die Auszeichnung mit dem Romano-Guardini-Preis 2004 bezeichnete Böckenförde als Krönung seines jahrzehntelangen Bemühens, die Weltverantwortung der Kirche richtig zu begreifen und an ihrer Realisierung mitzuwirken. Böckenförde lebte zuletzt in Au bei Freiburg.

sti/se (dpa kna, BVerfG)