Aquakulturen

Weltweit werden immer mehr Fische in kommerziellen Fischfarmen gezüchtet. In den Teichen, Zuchtbecken, Netzgehegen oder Meereskäfigen dieser Aquakulturen finden sich Süßwasserfische wie Karpfen, Forelle oder Tilapia ebenso wie Meeresfische, z. B. Lachs, Dorade, oder Heilbutt. Aktuell stammen 55,7 Millionen Tonnen Fisch jährlich aus der Fischzucht, bei einem durchschnittlichen Jahreswachstum von sechs bis acht Prozent. Der Hauptteil gezüchteter Fische stammt aus Asien, wobei China mit einem Weltmarktanteil von 61 Prozent deutlich dominiert.

Es werden hunderte verschiedene Fischarten gezüchtet, von denen vor hundert Jahren nur ein Bruchteil genutzt wurde. Damit nehmen aber auch die Herausforderungen zu, die Bedürfnisse dieser Fischarten kennenzulernen und die Haltung daran anzupassen. Noch ist das Detailwissen dürftig und Wissenschaft und Rechtsprechung rennen der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung hinterher.

Viele, eng beieinander schwimmende Forellen in einem Zuchtbecken.
Forellen dicht an dicht in einem Zuchtbecken.

Die Tierschutzprobleme in Aquakulturen sind vielfältig. Wirtschaftlicher Profit steht oft an erster Stelle, so dass die Fische in zu hoher Zahl auf viel zu kleinem Raum gehalten werden. Es kommt vor, dass Forellen bei Besatzdichten von 80 Kilogramm pro Kubikmeter gehalten werden. Das ist vergleichbar mit einer Badewanne, in der 35 schlachtreife Forellen herumschwimmen.

Die Folgen zu hoher Besatzdichten sind erhöhte Krankheitsanfälligkeit, Flossenschäden, Stress, gesteigerte Aggression, vermindertes Wachstum, verändertes Schwimmverhalten und erhöhte Sterblichkeitsraten.

Verhaltensauffälligkeiten

Ihr natürliches Verhalten können die Fische in Aquakulturen kaum ausleben. In freier Natur wandern Lachse über Tausende von Kilometern. In beengten und unstrukturierten Meereskäfigen schwimmen Atlantische Lachse häufig im Kreis was mit dem stereotypen Hin- und Herlaufen von Zootieren im Gehege vergleichbar ist. Deshalb brauchen auch Gehege in Aquakulturen dringend artgemäße Struktur wie z. B. verschiedene Ebenen, Rückzugsmöglichkeiten, passendes Bodensubstrat oder Unterwasserfütterungen.

Fressen und Hungern

Die meisten gezüchteten Fische sind Raubfische und damit Fleischfresser. Sie müssen für ihr Wachstum mehr tierische Nahrung aufnehmen, als sie später selbst an Schlachtgewicht erbringen. Lachse müssen bis zu 5 kg Fisch aufnehmen, um 1 kg Schlachtgewicht zuzulegen; bei Thunfisch ist das Verhältnis sogar 20:1. Sie erhalten Fischmehl oder Fischöl als Nahrung. Die für das Futter verwendeten Fische stammen zumeist aus der Fischerei.

Die leer gefischten Weltmeere werden dadurch zusätzlich belastet, so wird der meistgefangene Fisch, die peruanische Sardelle, größtenteils zu Fischmehl verarbeitet. Weil durch die begrenzte Verfügbarkeit Fischmehl/-öl immer teurer wird, versuchen Fischzüchter Raubfische mit pflanzlichen Proteinen zu füttern. Welche Folgen diese unartgemäße Fütterung für die Tiere hat, ist jedoch noch nicht ausreichend erforscht. Ökologisch sinnvoller wäre es daher, nur Fische wie Karpfen, Tilapia oder Pangasius zu züchten, die vornehmlich Pflanzen und Kleinstlebewesen wie Insektenlarven fressen. Stattdessen finden sich in den Aquakulturen aber immer mehr fleischfressende Fische.

Vor Transporten, vor einer Krankheitsbehandlung oder vor der Schlachtung
wird Fischen üblicherweise für einen gewissen Zeitraum das Futter entzogen. Diese Hälterung soll dazu dienen, den Magen-Darm-Bereich der Tiere von Futter- und Verdauungsresten zu reinigen, den Stoffwechsel sowie den Sauerstoffbedarf herunterzufahren und die Produktion von Fäkalien zu verringern.

Als wechselwarme Tiere vertragen Fische einen Nahrungsentzug besser
als gleichwarme Säugetiere. Bisherigen Erkenntnissen zufolge sollte die Hälterungszeit aus Tierschutzsicht nicht länger als 72 Stunden andauern. In der Praxis werden Fische aber wochenlang gehältert.

Anfassen bedeutet Stress

Um die Geschlechtsreife zu überprüfen, Eier zu gewinnen, die Fische nach ihrer Größe zu sortieren oder sie für den Transport vorzubereiten werden die Fische aus dem Wasser und zumeist in die Hand genommen, was für die Tiere jedes Mal Stress bedeutet.

Auch die schlechten Bedingungen beim Transport von den Zuchtfarmen zu den Netzgehegen oder zur Schlachtstätte, wie Überfüllung oder schlechte Wasserqualität, können zu irreparablen Schäden bei den Fischen bis hin zum Tode führen. Handlingmaßnahmen sollten deswegen auf ein Minimum begrenzt werden und Zucht, Haltung und Schlachtung möglichst an einem Ort stattfinden – zumindest aber müssten Wasserqualität und Sauerstoffgehalt bei Transporten den Bedürfnissen der jeweiligen Art entsprechen.

Auswirkungen auf die Umwelt

Offene Aquakulturanlagen schädigen massiv die Umwelt. Arzneien, Fäkalien und Nährstoffe treten aus den Zuchtanlagen aus und verschmutzen das Wasser. Auch lässt sich nicht verhindern, dass Farmfische entkommen. Die Vermischung von Wild- und Zuchtfischen ist problematisch, vor allem wenn Fischarten entweichen, die in der Umgebung natürlicherweise nicht vorkommen.

Fehlende rechtliche Regelungen

Bis heute gibt es keine rechtlich bindenden Vorgaben zur Haltung von Fischen in Aquakulturen, abgesehen von den allgemeinen Vorgaben der EU-Richtlinie 98/58/EG zu Mindestnormen für den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und seuchenhygienischen Vorschriften. Zwar hat der Europarat 2005 Empfehlungen für die Haltung von Zuchtfischen veröffentlicht, die Ergänzung mit Anhängen zu den einzelnen Fischarten ist aber noch nicht abgeschlossen.

Fische sind als leidens- und schmerzensfähige Lebewesen zu betrachten und verdienen genauso wie Säugetiere und Vögel unseren Respekt. Deswegen ist es höchste Zeit, rechtliche Vorschriften zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Fische gerecht werden. Dabei muss anerkannt werden, dass viele Fischarten aus Tierschutzgründen für die Zucht ungeeignet sind und die aktuell üblichen Haltungsformen nicht Standard bleiben dürfen.

Ökologische Aquakulturen und Siegel

Seit 2009 gibt es Regeln für ökologische Aquakulturen nach der EU-Ökoverordnung. Zufriedenstellend sind diese aber nicht: Die Besatzdichten sind für die meisten Fischarten sehr hoch angesetzt. Auch dürfen Wildfänge zu Zuchtzwecken eingesetzt werden. Nicht für die Zucht geeignete Fischarten werden nicht ausgeschlossen. Aus Tierschutzsicht gehen die Richtlinien der Bioverbände wie z. B. Naturland zumindest einen Schritt weiter.

Seit 2009 gibt es ergänzend zum schon länger auf dem Markt befindlichen MSC-Siegel für Meeresfische nun auch ein ASC-Siegel (Aquaculture Stewardship Council) für Fische aus Aquakulturen. Das Siegel bietet einen gewissen Garant für nachhaltiges Management. Tierschutzbelange spielen aber kaum eine Rolle.