Kunstraum Kreuzlingen: Schriftbilder im Schattengarten
Es ist eine aussergewöhnliche Doppelausstellung im Kunstraum Kreuzlingen. Die Thurgauer Schriftstellerin Zsuzsanna Gahse zeigt sich mit «Schriftbilder» erstmals öffentlich als Künstlerin. Die Arbeiten von Videokünstlerin Ursula Palla in «empty garden» bezaubern.
Zsuzsanna Gahse hat in den letzten fünfzig Jahren zahlreiche Bücher geschrieben. Um den Denk- und Schreibprozess jeweils in Gang zu setzen, hat sie erste Texte von Hand aufs Papier gebracht oder auch spielerisch Lockerungsübungen gemacht. Sie waren anfänglich nur Begleitmaterial zum Schreiben.
So sind immer wieder Schreibskizzen entstanden, bei denen der Text in den Hintergrund rückte, ja unlesbar wurde. Dafür entstanden grafische Blätter, von Visitenkartengrösse bis Buchseite. Zum Teil sind darauf die Texte so verdichtet, dass sie zu dunklen Mustern auf dem hellen Papier werden.
Für die Ausstellung im Kunstraum Kreuzlingen, die heute Vernissage feiert, hat Zsuzsanna Gahse ihre Sammlung auch von bewusst hergestellten Schriftbildern zusammengetragen.
Damit zeigt sich die Schriftstellerin zum ersten Mal auch als Künstlerin, wobei für Gahse das zusammengehöre, das eine bedinge das andere. Es ist eine andere kunstvolle Umsetzung von Sprache, auch ihr Rhythmus und Klang können mit der Handschrift angedeutet werden.
So entstehen einzigartige Sprach- und Schriftbilder, im Gegensatz zu Gutenberg, der die normierte Schrift erfand und so eine Vervielfältigung von Geschriebenem in immer gleicher Form erlaubte.
Ein Denkmal für Unkraut
Der Kunstraum ist nicht nur in ein Kabinett für Sprachschätze verwandelt worden, hier ist jetzt auch ein Garten installiert worden. Ihn lässt Ursula Palla auf zwei Ebenen herauswachsen. Auf den ersten Blick könnte dieser «empty garden» etwas trostlos erscheinen, dürre Pflanzenstängel stehen auf hartem Betonboden, als wäre hier eine Umweltkatastrophe geschehen.
Durch geschickte Lichtführung verwandelt sich die Installation in einen Schattengarten, der sich auf einer Wand abzeichnet. Eine schwarz-weisse Blumenwiese entsteht, die durchaus ästhetisch anspricht.
Diese Projektion hat wie immer bei Ursula Palla eine Geschichte. Sie setzt sich in ihren Arbeiten mit Natur, Technik und Kunst wie auch mit der Kunstgeschichte auseinander. Palla hat den Garten von Claude Monet in Giverny im Norden von Paris besucht. Der Künstler hatte ihn anlegen lassen, dort malte er einige seiner berühmtesten Bilder.
Palla war allerdings nicht dort, als der Garten in voller Blüte stand, sondern im Winter. Da wuchsen überall Pflanzen, die als Unkraut bezeichnet werden und die Monet bestimmt nicht als abbildungswürdig betrachtete.
Ursula Palla wendet sich nun diesen Blumenarten zu. Sie hat sie gesammelt, über hundert sollen es gewesen sein, stellt sie ins Licht und verleiht ihnen so Ansehen. Damit sie länger überdauern als selbst der Garten von Monet, hat Palla ihnen Ewigkeitscharakter verliehen: Sie hat die Unkrautblumen in Bronze giessen lassen, sie also auch zu einem Kunstprodukt gemacht.
Monets Teiche mit Brücklein im Keller
Ursula Palla bespielt auch das Untergeschoss des Kunstraums. Die muffige Atmosphäre lässt einen sofort an Wasser im Keller denken. Tatsächlich findet sich hier ein Gewässer: Pallas Nachbildung zweier Teiche, über die das bekannte Brücklein führt – das Bild aus Monets Garten ist in unserem Kopf abgespeichert.
In Kreuzlingen ist kein Wasser vorhanden, die Teiche sind künstlich, gebildet aus Dutzenden von Spiegelkacheln, die mit ihren Reflexionen an die Betonmauer wie bewegtes Wasser aussehen.
Vernissage: Fr, 30.8., 19.30 Uhr; Ausstellung bis 13.10.
www.kunstraum-kreuzlingen.ch