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Pressemitteilung 4/2002

zum Bericht zur Berufs- und Einkommenssituation von Frauen und Männern des BMFSFJ vom 24. April 2002

Pressemitteilung vom 06.05.2002

Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wurde ein Bericht zur Berufs- und Einkommenssituation von Frauen und Männern durch ein wissenschaftliches Forschungsteam erstellt und am 24. April 2002 der Öffentlichkeit vorgestellt.

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) begrüßt es sehr, dass die Bundesregierung den Auftrag zu diesem Bericht gegeben hat. Erstmals wurde damit im staatlichen Auftrag ein ausführlicher Bericht zu Fragen der Entgeltdiskriminierung in bundesdeutschen Tarifsystemen vorgelegt, der die existierenden Diskriminierungspotentiale konkret aufzeigt.

Der Bericht konzentriert sich in seinem Kapitel zum Arbeitsentgelt darauf, die möglichen Ursachen von Diskriminierung im Rahmen der Arbeitsbewertung aufzuzeigen und sodann einige bundesdeutsche Tarifverträge (z.B. Druckindustrie, Öffentlicher Dienst, Metallindustrie) exemplarisch auf Diskriminierungspotentiale hin zu beleuchten. Dabei wurden vielfältige Mechanismen potentieller Diskriminierung in diesen Tarifverträgen entdeckt, z.B. die Nichtbewertung von Anforderungen und Belastungen in Berufen, die überwiegend Frauen ausüben. Von solcher Art der Unterbewertung der Arbeit sind zum Beispiel Dienstleistungstätigkeiten in den Bereichen Erziehung, Hauswirtschaft, Kranken- und Altenpflege betroffen, da sie Anforderungen aufweisen, die nach geschlechtszuschreibenden Rollenstereotypen nicht als "entlohnenswert", da "familienarbeitsnah", gelten. Nicht bewertet werden in diesen Berufen - im Gegensatz zu "Männerberufen" - oft auch Anforderungen der körperlichen Schwere der Arbeit, beispielsweise das Heben, Tragen und Umbetten von Menschen. Weiteres Diskriminierungspotential liegt in der Anwendung uneinheitlicher Bewertungsmaßstäbe für Tätigkeiten, die überwiegend von Frauen bzw. von Männern ausgeübt werden. Auch Doppel- und Mehrfachbewertungen der Anforderungen in "Männerberufen" bergen in sich die Möglichkeit der Diskriminierung, wenn andererseits die Anforderungen in "Frauenberufen" einfach oder gar nicht bewertet werden.

Wir erinnern daran, dass der djb bereits im Jahre 1995 mit einer Stellungnahme aus juristischer Sicht auf die Rechtswidrigkeit diskriminierender Unterbewertung von Tätigkeiten hingewiesen hat, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden. Der djb hat in seiner damaligen Stellungnahme insbesondere auf die Diskriminierungspotentiale im Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) des Öffentlichen Dienstes hingewiesen und den Staat als Arbeitgeber an seine Vorbildfunktion und an seine diesbezüglichen Verpflichtungen als Mitglied der Europäischen Union erinnert. Vor diesem Hintergrund der Verantwortung des Staates enttäuscht die Stellungnahme, die die Bundesregierung zu dem vorgelegten Bericht abgegeben hat. Sie erklärt, dass die Aussagen des Kapitels zur Entgeltdiskriminierung "fehl gehen" und aufgrund einer rechtlich grob fehlerhaften Analyse getroffen worden seien. Sodann wird an Details Kritik geübt. Mit keinem Wort wird zu erkennen gegeben, dass die Bundesregierung das Grundproblem verstanden hat und bereit und in der Lage ist, Handlungsperspektiven zu entwickeln.

Wir können uns dieser Einschätzung der Regierung nicht anschließen. Im Gegenteil: Wir erwarten von einer verantwortungsbewussten und gleichstellungspolitisch aktiven Regierung, dass sie bereit und in der Lage ist, das Problem der strukturellen Diskriminierung in Tarifverträgen zur Kenntnis zu nehmen und aktiv anzugehen.

Wir fragen, ob erst wieder die Gerichte sprechen müssen, damit die Politik aktiv wird. Wir erinnern an die Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zum BAT des Öffentlichen Dienstes. Wir erinnern außerdem daran, welche erheblichen Kosten für die Betriebsrentensysteme erst sehr spät bewusst wurden, weil die Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten in bezug auf die Betriebsrenten (zu) lange negiert wurde. Erst gerichtliche Entscheidungen auf europäischer und nationaler Ebene haben die Verantwortlichen diesbezüglich zum Handeln bewegt. Wir hoffen, dass sich diese Erfahrungen nicht am Problem der Diskriminierung in Tarifsystemen wiederholen müssen.

Wir erwarten, dass die Bundesregierung handelt, um den Grundsatz des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher und gleichwertiger Arbeit zu verwirklichen. Der vorgelegte Bericht hat aufgezeigt, wo anzusetzen sein wird. Es liegt nun an der Politik, im Zusammenwirken mit den Tarifparteien mit der Arbeit zu beginnen.

Berlin, den 6. Mai 2002

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