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Das Chemielabor aus dem 18. Jahrhundert genannt "Lavoisier-Labor"

Die Geburt der modernen Chemie

Chemielabor
Wissenschaft und Aufklärung
1. OG Chemie

Mit dem inszenatorischen Bau eines Laboratoriums aus dem 18. Jahrhundert löste sich das Deutsche Museum vom Vorbild der Weltausstellung in St. Louis, wo es einen vergleichbaren Raum nicht gegeben hatte. Allerdings war 1889 auf der Weltausstellung in Paris ein Laborambiente mit den Originalgeräten Lavoisiers und damit eines großen Chemikers des 18. Jahrhunderts gezeigt worden. Damals war es den Franzosen – nicht ohne Seitenhieb auf die nach dem Krieg von 1870/71 besonders verhassten Deutschen – ausschließlich darum gegangen, die Verdienste Lavoisiers um die Entwicklung der modernen Chemie zu glorifizieren und damit die Leistungen eines großen Franzosen hervorzuheben.

In München wollte man sich von einseitig nationalistisch gefärbter Geschichtsbetrachtung fern halten und bewusst einen Blick auf die gesamte Chemiegeschichte des 18. Jahrhunderts werfen, und damit auf das Jahrhundert, in dem die theoretischen Fundamente der modernen Chemie formuliert wurden. Das 18. Jahrhundert brachte bedeutende Erkenntnisse auf dem Gebiet der Gaschemie und bei den Atmungs- und Verbrennungsvorgängen. Viele Gase wurden damals entdeckt. In der Epoche der Aufklärung trennte sich die Chemie von überkommenen magischen Vorstellungen. Physikalische Geräte wie Luftpumpen und Elektrisiermaschinen fanden Eingang in den Laboralltag. Quantitative Methoden wurden konsequent angewandt. In dieses Konzept passte es, ein allgemeines, nicht an einen bestimmten Chemiker des 18. Jahrhunderts gebundenes Laboratorium nachzubauen, auch wenn ohne Zweifel Lavoisiers bahnbrechende Leistungen im Mittelpunkt einer solchen Inszenierung standen.

Das Labor nach Diderot und d’Alembert

Chemisches Laboratorium
Chemisches Laboratorium des 18. Jahrhunderts mit Tafel der chemischen Verwandschaften. Kupferstich aus der Encyclopédie von Diderot und d'Alembert, 1763.

Der Raum selbst stellt ein französisches Privatlabor aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dar, wie es sich Adlige und Kleriker dieser Zeit gerne bauen ließen, um darin ihren wissenschaftlichen Neigungen nachzugehen. Das französische Königswappen schmückt einen auf dem Ofen unter der Abzugshaube stehenden Vorratsschacht für Holzkohle. Der Raum wurde einem Kupferstich in der Encyclopédie von Diderot und d’Alembert nachempfunden und sollte einen Rahmen schaffen, um darin wichtige chemische Entdeckungen aus dem Zeitalter der „Phlogistonchemie“ darzustellen. Ein besonderes Schwergewicht der Darstellung im Deutschen Museum lag auf den Arbeiten Lavoisiers, des zweifellos größten und einflussreichsten Chemikers des 18. Jahrhunderts. Lavoisiers Arbeiten hatten wesentliche Veränderungen der zentralen chemischen Begriffe „Element“ und „Verbindung“ zur Folge; sie hatten unmittelbare Auswirkung auf abgeleitete Begriffe wie „Säure“, „Base“, „Salz“, auf die chemische Nomenklatur von Elementen und Verbindungen sowie auf das Verständnis chemischer Umsetzungen im Allgemeinen und der Oxidations- und Reduktionsreaktionen im Speziellen.

Chemie und Revolution

Antoine Laurent de Lavoisier (1743-1794) studierte Jura und Naturwissenschaften und wurde 1768 in die Académie des Sciences aufgenommen. Madame Marie-Anne Lavoisier (1758-1836) pflegte alle experimentellen Arbeiten ihres Mannes in wohlausgeführten Zeichnungen festzuhalten. Neben seinen chemischen Experimenten befasste sich Lavoisier mit einem breiten Spektrum naturwissenschaftlicher Probleme. Im Revolutionsjahr 1789 erschien sein Hauptwerk „Traité élémentaire de chimie“. Als ehemaliger Steuerpächter wurde Lavoisier in der Terrorphase der Revolution wegen Erpressung angeklagt und hingerichtet.

Lavoisier erkannte, dass Verbrennung eine Aufnahme von Sauerstoff bedeutete. Er widerlegte die damals vorherrschende „Phlogiston-Theorie“, nach der ein gleichnamiger Stoff (mit negativem Gewicht) durch die Verbrennung entweichen sollte. Außerdem wies Lavoisier die Rolle des Sauerstoffs bei der tierischen und pflanzlichen Atmung nach. Das wohl berühmteste Experiment in der Geschichte der Chemie, das er 1789 durchführte, gehört in diesen Kontext. Quecksilberoxid wurde durch Erhitzen in einer geschlossenen Retorte in Quecksilber und Sauerstoff zersetzt. Die erhaltenen Elemente ließ er anschließend wieder zu Quecksilberoxid reagieren. So klärte er die Rolle des Sauerstoffs bei Oxidations- und Reduktionsreaktionen. Auch die Bezeichnungen „Oxidation“ und „Reduktion“ sowie die noch heute übliche Nomenklatur der anorganischen Chemie stammen von Lavoisier.

Lavoisiers Experimente

Verbrennung eines Diamanten
Verbrennung eines Diamanten durch Lavoisier. Kupferstich von Charpentier, 1775.

An der rechten hinteren Wand des Labors ist Lavoisiers bekanntes Experiment zur Zerlegung von Wasser nachgebaut: In dieser Apparatur leitete Lavoisier Wasserdampf durch ein glühendes Eisenrohr und zerlegte das Wasser solchermaßen thermisch in Wasserstoff und Sauerstoff. Letzterer reagierte mit dem glühenden Eisen zu Eisenoxid weiter, wohingegen das entstehende Wasserstoffgas in einer Schweineblase über einer pneumatischen Wanne aufgefangen werden konnte. An Hand der bei der Reaktion entstandenen Reaktionsprodukte Eisenoxid und Wasserstoff bewies Lavoisier, dass Wasser offensichtlich aus Wasserstoff und Sauerstoff zusammengesetzt ist. Damit ist Wasser der Prototyp einer chemischen Verbindung, und nicht, wie man seit Aristoteles’ Zeiten bis zum entscheidenden Experiment Lavoisiers glaubte, ein chemisches Element.

Ein weiteres bekanntes Experiment war die Verbrennung von Diamanten (mit einem großen Brennglas), das zeigte, dass Diamant aus Kohlenstoff besteht. Ein mehrlinsiger Brennapparat von Tschirnhaus steht stellvertretend für dieses spektakuläre Experiment. Solche Brennapparate zur Fokussierung der Sonnenstrahlung waren im 18. Jahrhundert die effektivsten Instrumente zur Herstellung hoher Temperaturen.

Literaturtips zum Weiterlesen

Infos

Auszug aus: "Meisterwerke aus dem Deutschen Museum Band VI"

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