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Lübeck Gender-Doppelpunkt: Lübecks neue Regeln lösen Debatte aus
Lokales Lübeck Gender-Doppelpunkt: Lübecks neue Regeln lösen Debatte aus
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18:30 02.01.2020
Die Lübecker Stadtverwaltung will diskriminierungsfrei kommunizieren und führt eine gendergerechte Sprache verbindlich ein. Lübeck setzt auf den Doppelpunkt, nicht auf das Sternchen oder den Unterstrich. Quelle: Lutz Roeßler
Lübeck

Die Hansestadt hat zum Jahreswechsel einen Leitfaden für geschlechtergerechte Sprache herausgegeben. Man wolle damit künftig alle Menschen ansprechen – Frauen und Männer und jene, die sich nicht als Mann oder Frau beschreiben, sagt Bürgermeister Jan Lindenau (SPD): „Lübeck als tolerante und weltoffene Stadt muss diskriminierungsfrei kommunizieren.“

Wo immer es geht, sollen geschlechtsumfassende Formulierungen verwendet werden – wie zum Beispiel „Beschäftigte“, „Studierende“ oder „Teilnehmende“. In allen anderen Fällen soll einheitlich der „Gender-Doppelpunkt“ zum Einsatz kommen – wie bei „Bewohner:innen“ oder „Kolleg:innen“.

Frauenbeauftragte: Doppelpunkt stört nicht den Lesefluss

Nach Ansicht der Gleichstellungsbeauftragten Elke Sasse ist der Doppelpunkt „gut verständlich“. Vor allem störe er den Lesefluss nicht. Sasse: „Die Stellenausschreibungen der Stadt werden schon länger so gehandhabt – und es gibt positive Rückmeldungen.“

Häme und Spott, aber auch Lob in sozialen Medien

In den sozialen Medien gibt es allerdings auch viel Häme, Unverständnis und Spott. Immer wieder tauchen auf Twitter und Facebook Fragen auf wie „Kann sich Lübeck bitte wieder um wirklich Wichtiges kümmern?“ Diverse Kommentator:innen machen sich Sorgen um die deutsche Sprache und verweisen auf Lübecks literarische Bedeutung („Den Buddenbrooks würden die Haare zu Berge stehen“, „Thomas Mann würde sich im Grab umdrehen“). Es gibt aber auch Lob („Tut gar nicht weh“, „Lübeck machts vor“, „Der echte Norden wird ein Stück moderner und diskriminierungsärmer“) und Leser, die die gleiche Regelung gerne auch in anderen Kommunen hätten.

Gender-Doppelpunkt: Reaktionen auf die neue Leitlinie der Stadt Lübeck

Lübeck sei beim Thema gendergerechte Sprache ein Nachzügler, sagt der Bürgermeister. Städte wie Hannover, Flensburg, Dresden und Berlin und zahlreiche öffentliche Einrichtungen wie Universitäten hätten längst solche Leitfäden.

Lindenau: „Es besteht Handlungsbedarf“

„Spätestens seit dem Urteil des Bundesgerichtshofes, das das Recht auf Anerkennung eines dritten Geschlechts bestätigt und zu neuen gesetzlichen Änderungen führte, besteht auch für die Verwaltung der Hansestadt Handlungsbedarf“, begründet Lindenau den Zeitpunkt der Einführung. Die Sorge von Bürgern, dass das alles wieder viel Steuergeld kostet, kann Lindenau zerstreuen: „Die Umstellung von Broschüren, Flyern und Formularen erfolgt sukzessive. Immer wenn wir einen Flyer neu gestalten, wird der Text entsprechend angepasst.“

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Wie machen es andere große Organisationen? Die Universität zu Lübeck hat einen Leitfaden für die interne Kommunikation. In Satzungen, Verordnungen und in Mitteilungen an Mitarbeitende werden das Gender-Sternchen oder Begriffe wie Teilnehmende oder Studierende verwendet.

So machen es andere große Institutionen

Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Lübeck gibt es keinen Leitfaden und auch keine Vorgaben von der Geschäftsführung zu gendergerechter Sprache. „Wir verwenden keinen Doppelpunkt, kein Sternchen und auch keinen Unterstrich“, erklärt ein Sprecher. Je nach Sachlage würden aber männliche und weibliche Begriffe benutzt.

Der Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg hat keinen Leitfaden, orientiert sich aber am Geschlechtergerechtigkeitsgesetz der Nordkirche von 2013. Zwei Genderbeauftragte im Kirchenkreis hätten das Thema geschlechtergerechte Sprache auf der Agenda, versichert Pröpstin Petra Kallies: „Denn es ist klar, dass Sprache langfristig die Wirklichkeit verändert.“

Landespolitiker reagieren gespalten

In der Landespolitik blickt man zwiegespalten auf den Lübecker Vorstoß. Während Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben betont, dass Sprache das Bewusstsein präge und es daher richtig sei, dass sich Sprache weiterentwickelt, damit „wir uns so ausdrücken, dass sich alle Menschen angesprochen fühlen“, meint Christopher Vogt, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion: „Ich bin eher dafür, tatsächliche Diskriminierung zu bekämpfen anstatt ständig neue Vorgaben für unsere Sprache machen zu wollen.“ Nachdem dies aber nun in Lübeck geklärt sei, „kann Bürgermeister Jan Lindenau sich jetzt ja vielleicht um den Hafen, die Entwicklung von neuen Wohn- und Gewerbegebieten und die Verbesserung der Verkehrssituation kümmern“, so Vogt.

Im Rathaus gibt es durchaus Unterstützung für Lindenau. Detlev Stolzenberg (Unabhängige): „Es ist zeitgemäß, dass alle Geschlechter in der Sprache berücksichtigt werden.“ Peter Petereit (SPD): „Sprache prägt Gedanken. Wo die neuen Regelungen nicht zu Verzerrungen führen, finde ich sie vernünftig.“

Im Rathaus gibt es Unterstützung für Lindenau

Michelle Akyurt (Grüne) fordert weitergehende Geschlechtergerechtigkeit. Auch an den Schaltstellen der Macht, bei der Besetzung von Führungsjobs in der Verwaltung und Geschäftsführer-Posten in städtischen Unternehmen müssten Frauen mehr berücksichtigt werden. Akyurt: „Es darf nicht bei Kosmetik bleiben.“

Einwohnerversammlung für Gender-Sprache

„Es gibt Wichtiges zu tun, es ist aber auch nicht der Untergang des Abendlandes“, sagt Oliver Prieur (CDU), „sprachlich ist es nicht mein Geschmack.“ Nach Prieurs Informationen soll es innerhalb der Stadtverwaltung auch nicht so viel Begeisterung für diese Dienstanweisung gegeben haben. „Geschlechtergerechte Sprache ist nicht das Hauptthema für die Personalvertretung“, drückt sich Ludwig Klemm, Vorsitzender des Gesamtpersonalrates, diplomatisch aus.

Im Juni 2019 hatte sich eine Einwohnerversammlung mehrheitlich für eine gendergerechte Sprache ausgesprochen. Und im September beschloss der Hauptausschuss der Bürgerschaft mehrheitlich, dass alle politischen Anträge gendergerecht formuliert werden sollten. Auf städtischen Veranstaltungen sollen die Grußworte in geschlechtergerechter Sprache gehalten werden.

Neue Regelung gilt ab sofort

Die neue Regelung gilt Lindenau zufolge ab sofort für alle Beschäftigten der Hansestadt Lübeck. Betroffen ist der gesamte städtische Schriftverkehr, also Emails, Präsentationen, Broschüren, Pressemitteilungen, Drucksachen, Formulare, Flyer, Hausmitteilungen, Rechtstexte und Briefe.

Der neue Leitfaden kann unter im Internet heruntergeladen werden.

Von Kai Dordowsky und Jan Wulf

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