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Wirtschaft Süßwaren pro Kopf

„Wir spielen mit offenen Karten. Die Produkte heißen ja auch Süßwaren“

| Lesedauer: 4 Minuten
Wirtschaftskorrespondent
Messe in Köln zeigt die neuesten Trends bei Süßigkeiten

Zum 50. Mal zeigt die Süßwarenmesse in Köln die neuesten Naschtrends. Vor allem zuckerreduzierte und proteinreiche Snacks stehen im Mittelpunkt. WELT-Reporterin Fanny-Fee Werther hat sich hier einmal durchprobiert.

Quelle: WELT/ Fanny-Fee Werther

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Die Deutschen haben ihren Süßigkeiten-Verzehr 2019 weiter gesteigert. Besonders beliebt sind Schokolade und Knabberartikel. Zunehmendes politisches Bestreben, den Zuckerkonsum zu reduzieren, fürchtet die Branche nicht.

Der Hunger auf Süßigkeiten ist in Deutschland ungebrochen. Er steigt sogar, wie aktuelle Zahlen des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) zeigen. 30,93 Kilogramm hat jeder Bundesbürger im Jahr 2019 konsumiert, ein Prozent mehr als noch in den zwölf Monaten zuvor. Handel und Industrie melden dementsprechend steigende Umsatz- und Produktionszahlen.

Die Entwicklung fällt ausgerechnet in Zeiten, in denen die Politik die sogenannte Nationale Reduktionsstrategie für Zucker, Salz und Fett ins Leben gerufen hat, also veränderte Rezepturen für verarbeitete Lebensmittel einfordert. Darüber hinaus empfiehlt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf Druck von Verbraucherschützern und Medizinern den Nutriscore zur Visualisierung von Inhaltsstoffen mit den Ampelfarben grün, gelb und rot.

Die große Mehrzahl der Süßigkeiten würde beim Nutriscore wohl im roten Bereich landen, ist demnach also nicht empfehlenswert für eine gesunde Ernährung. Noch allerdings ist diese Kennzeichnung freiwillig.

Scheuen würden die Hersteller die Kategorisierung ihrer Produkte aber wohl nicht, meint jedenfalls Hermann Bühlbecker, Alleingesellschafter des Printen- und Lebkuchenherstellers Lambertz. Denn Nachteile scheint die Süßwarenbranche nicht befürchten zu müssen.

„Es gibt schon die Tendenz, dass die große Mehrheit der Verbraucher Süßigkeiten ohne rote Kennzeichnung gar nicht kaufen würde – aus Angst, dass sie nicht schmecken“, sagte Bühlbecker. Das hätten Umfragen gezeigt. „Bei Süßwaren geht es um Genuss“, sagte er am Rande der weltgrößten Branchenmesse ISM in Köln. Und es gehe um Selbstbelohnung und Lebensqualität. „Und da soll der Lebkuchen oder die Schokolade oder das Fruchtgummi so schmecken, wie es immer schon geschmeckt hat.“

Quelle: Infografik WELT

Dass damit ein hoher Zuckerkonsum verbunden ist, wissen die Verbraucher, so das Argument. „Wir spielen mit offenen Karten. Die Produktgruppe heißt ja auch Süßwaren oder sogar Zuckerwaren. Es geht also um eine bewusste Entscheidung“, sagte Hans Strohmaier, Vorstandsvorsitzender des Branchenverbands Sweets Global Network. Seine Schlussfolgerung: „Die Leute wollen auf bestimmte Dinge nicht verzichten.“

Passend dazu hat der Verband jüngst eine Umfrage zum Süßwarenkonsum in verschiedenen Ländern präsentiert. Das Ergebnis: 78 Prozent der Bundesbürger konsumieren täglich oder zumindest mehrmals in der Woche Süßigkeiten. Auf so einen hohen Wert kommt keins der vier Vergleichsländer Frankreich, Großbritannien, Spanien und Dänemark. Fast genauso viele Verbraucher kaufen mindestens einmal die Woche Nachschub.

„Süßigkeiten sind und bleiben ein Impulsartikel“, erklärte Strohmaier. „Sie stehen üblicherweise nicht auf der Einkaufsliste, sondern sind vielmehr Spontankäufe.“ Investiert werden dabei hierzulande im Durchschnitt gut 102 Euro pro Kopf, meldet der BDSI. Das sind 2,3 Prozent mehr als noch im Vorjahr.

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Beliebtestes Produkt ist Schokolade, Tafelschokolade im Besonderen. Dahinter folgen Chips und Knabberartikel sowie Fruchtgummi und Lakritz. Hier unterscheiden sich die deutschen Verbraucher nicht sonderlich von denen anderer Länder. Wichtigstes Kaufkriterium ist überall der Geschmack, sagte Strohmaier, zudem müssten auch Mundgefühl und Haptik stimmen. Und dafür spiele Zucker eben eine wichtige Rolle.

Das hat zuletzt auch der Umsatzeinbruch bei Haribo gezeigt. Die Erlöse des Branchenführers waren 2018 um fast zehn Prozent geschrumpft, obwohl das Marktsegment insgesamt kräftig gewachsen ist. Geschäftsführer Andreas Patz führt das auf eine falsche Kundenansprache zurück. Haribo hatte seine Werbebudgets weitgehend auf zuckerreduzierte Fruchtgummis konzentriert. „Die Kunden wollen aber nicht ständig daran erinnert werden, dass der Kauf einer Süßigkeit nicht unbedingt eine rationale Entscheidung ist“, sagte er.

Die zuckerfreien oder -reduzierten Alternativen werden indes weiter angeboten. Auch von anderen Marken und in anderen Segmenten des Süßwarenmarktes wird die Nische bedient. Wichtig sind den Konsumenten beim Thema Inhaltsstoffe auch zwei andere Themen: Nachhaltigkeit und Transparenz.

Ernährungsministerium: Freie Entscheidung statt Verbote

„Es ist okay, wenn Zucker enthalten ist. Das muss aber klar erkennbar sein und darf nicht hinter anderen Begriffen versteckt werden“, sagte Gloria Blumhofer, die bei Katjes das globale Marketing verantwortet. Zudem sei wichtig, wo die Zutaten herkommen und wie sie produziert wurden.

„Die Verbraucher sind deutlich kritischer geworden. Wichtig sind daher Zertifizierungen wie Utz oder Fairtrade, aber auch umweltfreundlichere Verpackungen.“

Im Ernährungsministerium setzt man auf den vom Verbraucher angestoßenen langsamen Wandel zum bewussten Genießen. Von Verboten und Zusatzsteuern jedenfalls hält der parlamentarische Staatssekretär Uwe Feiler nichts. „Jeder sollte selbst entscheiden, was er essen will“, sagte er bei der Eröffnungsfeier der Süßwarenmesse. „Den Menschen vorzuschreiben, was sie essen dürfen und was nicht, halte ich für falsch.“

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Quelle: WELT/Simone Egarter

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