Bundesliga

Herthas Torwart Kraft ist endlich wieder beschäftigt

In der vergangenen Zweitligasaison wurde Herthas Torwart Thomas Kraft oft wenig gebraucht. Dass ihn das stärker gemacht hat, beweist er nun in der Bundesliga. Trainer Luhukay hatte das voraus gesagt.

Foto: Sport Moments/Bude / picture alliance / Sport Moments

Vielleicht hätte Thomas Kraft etwas gesagt. Vielleicht auch nicht. Das weiß man bei Herthas Stammtorwart vorher nie so genau. Kraft ist – wenn auch im normalen Leben ganz zutraulich – ein bisschen unberechenbar was seine Bereitschaft für Gespräche mit Medienvertretern angeht. Mal hat er Lust. Dann gibt der 25-Jährige auch Sätze zum Besten, die bisweilen von der üblichen, durch Medientraining geglätteten Fußballersprache abweichen. Mal aber auch nicht. Dann knurrt er nur und schweigt.

Am Dienstagmorgen hat Kraft geschwiegen – so wie die komplette Mannschaft von Hertha BSC, die sich wie schon am Sonntag nach dem 1:0-Erfolg gegen den Hamburger SV einen Medienboykott als Reaktion auf die Turbulenzen der vergangenen Woche überlegt hatte. Kraft weilte zur selben Zeit allerdings in der Kabine und stemmte Gewichte.

Die Belastungsläufe, die seine Teamkollegen bei der morgendlichen Einheit auf dem Schenckendorffplatz absolvieren mussten, durfte der Schlussmann auslassen. Das schien insofern konsequent, als dass Kraft schließlich schon am vergangenen Sonnabend gegen die Hanseaten reichlich belastet wurde.

Matchwinner gegen den Hamburger SV

Da verhinderte er nach einem Blackout von Nico Schulz einen frühen Rückstand gegen den allein auf ihn zustürmenden Artjoms Rudnevs. Und da hielt er den Heimsieg in der Schlussphase der Partie mit drei sehenswerten Paraden fest, als der HSV doch noch einmal aufmuckte. „Thomas hat uns die drei Punkte gesichert“, lobte ihn daraufhin auch sein Trainer Jos Luhukay.

Ähnlich anerkennend konnte sich der Niederländer in der vergangenen Saison über seinen Keeper selten äußern. Vielleicht hatte Kraft auch in Liga zwei schon eine ebenso bestechende Form. Wer weiß? Unter Beweis stellen musste er sie jedenfalls kaum. Lediglich zwei Torschüsse pro Begegnung durfte der ehemalige Bayern-Profi im Durchschnitt abwehren, weniger als jeder andere Tormann der Liga.

Bei Krafts altem Arbeitgeber stand sich Nationalkeeper Manuel Neuer aufgrund der Dominanz der Münchner oft die Beine in den Bauch. Ähnlich selten gebraucht dürfte sich Kraft bei Hertha gefühlt haben. In jedem zweiten Spiel blieb er ohne Gegentor.

Keiner zeigt mehr Glanzparaden

Nun haben Torhüter unangenehmerweise das Problem, dass sich ja jederzeit doch mal ein Schuss auf den eigenen Kasten verirren könnte. Die Aufmerksamkeit also muss trotzdem stets aufrecht gehalten werden, was Kraft einmal als besonders ermüdend beschrieben hat.

Und weil Kraft in der Zweiten Liga lange Phasen der Unterbeschäftigung bei gleichzeitiger hoher Konzentration überstehen musste, prophezeite Luhukay auch: „Eine Saison wie diese ist für einen jungen Torwart extrem gut für die Entwicklung.“ Denn: „Einen guten Torwart für die Zukunft zeichnet es aus, konzentrationsfähig zu sein.“

Dass Luhukay wohl recht hatte, und Kraft aus der weitgehenden Arbeitslosigkeit in Liga zwei eher noch stärker, weil konzentrationsfähiger hervorging, scheint sich in der Bundesliga nun zu bestätigen. Dort nämlich muss Kraft jetzt pro Spiel mehr als doppelt so viele Bälle abwehren. Nur drei Torwartkollegen waren genötigt, bisher öfter eingreifen zu müssen als Kraft (13 Paraden).

Entscheidend aber ist der Prozentsatz der gehaltenen Schüsse, und da liegt Kraft mit 81 Prozent ebenfalls auf Platz vier in Liga eins. Zudem zeigte kein anderer Schlussmann der Spielklasse in den ersten drei Begegnungen der Saison bisher mehr Glanzparaden als er (drei).

Lob vom Trainer

Luhukay sieht sich bestätigt, dass Kraft mit seinen erst 25 Jahren durchaus noch lernfähig ist, und die vergangene Spielzeit genutzt hat, um sich weiter zu verbessern, „besonders was die mentale Stärke angeht“, sagte Luhukay am Dienstag. „Wenn es am Ende so eng ist wie gegen den HSV, kommen die Momente, in denen sich ein guter Torwart auszeichnet“, so Luhukay.

Und weil Kraft eben auch am Ende noch hoch konzentriert war und den zweiten Heimsieg der Saison festhielt, ist der 50-Jährige auch „sehr zufrieden mit ihm“.

Zufrieden ist der Trainer aber vor allem auch deswegen, weil sein Schlussmann aufgrund des starken Saisonstarts der Berliner dann doch noch deutlich weniger zu tun hat, als Luhukay es selbst nach dem Aufstieg erwartet hatte. „Demnächst wird es wohl aber wieder Spiele geben, in denen Thomas sich noch mehr auszeichnen muss“, sagte Luhukay und fügte grinsend an: „Wir hoffen natürlich, dass das nicht so oft vorkommt.“