“wir unterschreiben nicht!”
Offener Brief des Jugendarbeit-Teams nach AGG-Schulung

Anm.: Ein gutes Beispiel für zivilgesellschaftliches Engagement, Courage und Aufrichtigkeit. Vielleicht macht es ja Schule…

Offener Brief des Teams im Amt für Jugendarbeit der EKvW, Haus Villigst, Schwerte; August 2008

An alle Kolleg/innen im Themenfeld Menschenrechte, Gewalt und Rassismus.

Guten Tag,

weil sich die Wurzeln von Rassismus nicht nur im Rechtsextremismus sondern vor allem in der Mitte unserer Gesellschaft behaupten, hat […] das Team im Amt für Jugendarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) beschlossen, das (für alle Mitarbeiter/innen in der EKvW) verpflichtende “Zertifikat” zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz” (AGG) nicht zu unterzeichnen. Dazu hat das Team des Amtes für Jugendarbeit der EKvW eine Erklärung herausgegeben:

Wir unterschreiben nicht!

Seit Oktober 2007 wurden alle Mitarbeiter/innen der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) durch das Landeskirchenamt der EKvW aufgefordert, eine “Schulung zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz” (AGG) durchzuführen und dann ein Zertifikat zu unterzeichnen mit dem sie erklären, die Inhalte des AGG “durchgearbeitet und verstanden zu haben”.

Nachdem alle Mitglieder im Team des Amtes für Jugendarbeit der EKvW in Haus Villigst das AGG und das entsprechende Lernheft durchgearbeitet haben (und das Hauptanliegen des AGG nachdrücklich befürworten), erklären sie heute, dass sie es in einer Hinsicht nicht verstanden haben und von daher das entsprechende Zertifikat auch nicht unterschreiben können: “Wir alle verweigern die Unterschrift, weil wir nicht verstehen können, dass in dem AGG die Existenz menschlicher “Rassen” behauptet wird”.

In dem AGG und dem Lernheft wird mehrfach der Begriff “Rasse” zur Kennzeichnung von menschlichen Gruppen genutzt und damit die Existenz menschlicher “Rassen” behauptet.

Diese Behauptung ist heute nicht nur obsolet, sondern vor allem diskriminierend und rassistisch.
Der Begriff “Rasse” ist und war verbunden mit dem Bestreben, menschlichen Erscheinungsformen bestimmte Eigenschaften oder Merkmale zuzuordnen und diese zu werten. Die Verwendung des Begriffes “Rasse” zur Kennzeichnung von Menschengruppen ist heute, vor allem auf dem Hintergrund der Rassenideologie des Nationalsozialismus und der stattgefundenen gesellschaftlichen Diskurse zu den Wurzeln, der Existenz und den Wirkungen von Rassismus (auch in der Mitte unserer Gesellschaft), verantwortungslos und nicht mehr akzeptabel.

1978 hat die Generalkonferenz der UNESCO sich einmütig zu Folgendem bekannt: “Alle Menschen gehören einer einzigen Art an”. Dies ist von grundlegender Bedeutung. Lehren, die das Gegenteil behaupten, wurden zur Rechtfertigung einiger der schrecklichsten und schändlichsten Tragödien der Menschheitsgeschichte, darunter des Holocaust, aber auch der Apartheid, benutzt. Durch eine Vielzahl von im Konsens verabschiedeten UN-Dokumenten wurde die grundlegende Einheit der Menschheit bekräftigt.

Heute fordern wir das Landeskirchenamt der EKvW zu einer Erklärung auf, in der die Evangelische Kirche von Westfalen (EKvW) sich grundsätzlich wider jede Lehre, die die Existenz unterschiedlicher menschlicher “Rassen” behauptet, stellt.

Als Mitarbeiter/innen der EKvW betonen wir: “Alle Menschen gehören einer einzigen Art an”. Wir sind der Auffassung, dass die Billigung von Formulierungen wie im AGG, die die Existenz menschlicher “Rassen” nahe legen, als ein Rückschritt aufgefasst werden könnte, der die Einheit der Menschheit in Frage stellt. Auch ist die Billigung solcher Formulierungen nicht erforderlich, um “Rassendiskriminierung” feststellen oder bekämpfen zu können. Von daher setzen wir uns dafür ein, dass in zukünftigen Gesetzen und Texten die Begriffe “Rasse” und “Rassen” nicht mehr vorkommen.

Das Team im Amt für Jugendarbeit der EKvW, Haus Villigst; August 2008

(Mehr Informationen sind im Amt für Jugendarbeit, Haus Villigst, 58239 Schwerte, Tel: 02304-755190,
Email: Gudrun.Kirchhoff [at] afj-ekvw.de zu bekommen.)

Anm der Red.: – siehe dazu auch ein Schreiben von der braune mob e.V. an den Bundesrat, vor der Verabschiedung des Gesetzestextes in seiner jetzigen Form, in dem die Loslösung vom Rassebegriff gefordert wird, zum download HIER

Wohin so ein Gesetzestext führt, es jedenfalls nicht verhindern hilft, sehen wir hier und hier.

3 replies
  1. Susanna
    Susanna says:

    Ich bin froh, dass offensichtlich mehr und mehr Menschen verstehen, dass wir zwar alle verschieden, aber dennoch gleich sind.

    Mit der Thematik “Rassen” habe ich mich mit vielen anderen Frauen bereits Ende der 80er Jahre beim Bremer Frauentag befasst, stoße aber bis heute bei nicht wenigen Menschen auf Unverständnis, wenn ich versuche, ihnen zu erklären, dass es keine menschlichen Rassen gibt. Mein Mann und ich führen keine “Mischehe”, sondern eine bikulturelle Ehe und unsere Kinder sind afrodeutsch und nicht etwa “Mischlinge”!!!

    Vielleicht haben es eines Tages ja unsere Enkelkinder etwas einfacher…

Trackbacks & Pingbacks

  1. […] Siehe dazu auch: Boykott der AGG Schulung durch ein Jugendarbeit-Team aufgrund der Verwendung des Rassebegriffes. […]

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