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Deutschland / Welt Union will E-Zigaretten vom Werbeverbot für Tabak ausnehmen
Nachrichten Politik Deutschland / Welt Union will E-Zigaretten vom Werbeverbot für Tabak ausnehmen
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11:06 23.04.2019
Für E-Zigaretten soll auch weiter geworben werden dürfen Quelle: Thalia Engel/dpa
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Berlin

Wenn Politiker extra betonen, ein Vertrag werde „eins zu eins“ umgesetzt, sollte man misstrauisch werden. Häufig genug wird mit dieser Formulierung nämlich verschleiert, dass das Ergebnis anders aussehen wird, als die Öffentlichkeit glaubt.

Genau das passiert gerade bei der Debatte um die Ausweitung des Werbeverbots für Tabakprodukte. So hatte die für den Verbraucherschutz zuständige stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Deutschen Bundestag, Gitta Connemann (CDU), vor einigen Tagen exakt diese Formulierung benutzt, als sie auf das internationale Abkommen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Tabakwerbeverbot angesprochen wurde. Subtext: Nach jahrelangem Streit wird Deutschland bald als letztes EU-Land die Plakatwerbung für Tabakprodukte verbieten und die Kinowerbung erheblich einschränken.

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Was Connemann allerdings nicht gesagt hat: Das deutsche Verbot wird erhebliche Lücken haben: Nach den letzten Plänen der Koalition soll die Werbung für E-Zigaretten und möglicherweise auch für so genannte Tabakerhitzer weiterhin möglich sein. Für Tabak-Konzerne und Werbeindustrie wäre das eine gute Nachricht, fließen die Marketing-Etats inzwischen ohnehin zum großen Teil in die Bewerbung elektrischer Glimmstengel.

Die Union hatte sich jahrelang gesperrt

Verantwortlich dafür, dass Deutschland den völkerrechtlich verbindlichen WHO-Vertrag bisher nicht umgesetzt hat, ist die Union. Deren früherer Fraktionschef Volker Kauder (CDU) hatte sich zusammen mit dem Wirtschaftsflügel auf einen Parteitagsbeschluss von 2015 berufen, nachdem grundsätzlich keine neuen Verbote für die Wirtschaft beschlossen werden sollen. Mit diesem Argument wurde in der vergangenen Wahlperiode ein sehr weitgehender Gesetzentwurf des damaligen Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) für ein Tabakwerbeverbot blockiert, das auch die E-Zigarette eingeschlossen hatte.

Kauder-Nachfolger Ralph Brinkhaus (CDU) hat allerdings vor einigen Monaten die Devise ausgegeben, das leidige Thema endlich zu erledigen. Daraufhin wurde in der Fraktion versucht, zwischen Wirtschafts- und Gesundheitspolitikern einen Kompromiss zu finden. Die Lösung: Der WHO-Vertrag könne doch umgesetzt werden, schließlich wurde er schon 2005 ratifiziert – also zehn Jahre vor dem Parteitagsbeschluss von 2015. Neue Rauchprodukte seien von dem Werbeverbot aber ausgenommen, die habe es schließlich bei Abschluss des WHO-Vertrag noch gar nicht gegeben.

Nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) könnte die SPD bereit sein, sich auf den Deal einzulassen, damit es überhaupt Fortschritte in der leidigen Angelegenheit gibt. Damit wäre Werbung für E-Zigaretten, bei denen Flüssigkeiten verdampft werden, auf alle Fälle weiter erlaubt. Diskutiert wird nun noch zwischen den Fraktionen, ob auch die sogenannten Erhitzer, bei denen Tabak verdampft wird, vom Verbot ausgenommen bleiben.

Ärztepräsident warnt Koalition davor, auf halbem Weg stehen zu bleiben

Für Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery sind die Ausnahmen nicht hinnehmbar. „Wir begrüßen, dass endlich Bewegung in die Debatte um ein Tabakwerbeverbot kommt. Die große Koalition darf aber nicht auf halbem Wege stehen bleiben, sondern muss endlich Nägel mit Köpfen machen“, sagte Montgomery dem RND.

„Notwendig ist ein umfassendes Werbeverbot für alle Rauchprodukte, und dazu gehören nicht nur die herkömmlichen Zigaretten, sondern auch E-Zigaretten oder sogenannte Tabakerhitzer“, so der Ärztepräsident weiter. Auch sie seien gesundheitsschädlich: „Es wäre ein Unding, wenn die Industrie weiter für sie werben dürfte.“

Die gesetzliche Krankenversicherung müsse Milliarden Euro aufwenden, um die Folgen des Rauchens zu bekämpfen, sagte Montgomery. Er fügte hinzu: „Ein vollständiges Werbeverbot und höhere Tabaksteuern können dazu beitragen, diese völlig überflüssigen Ausgaben zu vermeiden.“

Von Timot Szent-Ivanyi/RND