“Der Begriff Rasse gehört auf den Müllhaufen der Geschichte”

Zwei Artikel in der FR zum Rassebegriff:

“Welcher Rasse gehören Sie an?”
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/dokumentation/?em_cnt=1590527&em_loc=11

“Rasse soll verschwinden”
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1590532&em_loc=1231

Anm 1 der Red.: Der braune mob e.V. hatte aich bereits im Jahr 2006 an den Bundesrat gewandt, mit der Bitte, den Rassebegriff aus dem AGG-Entwurf zu streichen. Das Schreiben ist in Auszügen hier einsehbar.

Siehe dazu auch: Boykott der AGG Schulung durch ein Jugendarbeit-Team aufgrund der Verwendung des Rassebegriffes.

Anm 2 der Red.: 6 Wochen zuvor erschien ein Artikel in der FR, der es schaffte, ganze zehn mal Menschen mit dem “Ni…”-Wort zu betiteln. Das Nachdenken über begriffliche Genauigkeiten und die Auswirkungen rassistisch gefärbten Vokabulars scheint bei der FR also erst danach eingesetzt zu haben…? – Unter Beobachtung.

6 replies
  1. bra phil
    bra phil says:

    Jaaaa.. Nun gut.
    Ein ideologisches Konstrukt für ‘falsch’ zu erklären ändert nichts an der Tatsache, dass es weltweit wirksam ist. Gerade Nachkriegs-Deutschland hatte immer Probleme mit diesem Begriff umzugehen (geschweige denn ihn ordentlich zu definieren).
    Zudem führt die Indifferenziertheit mit der ‘Rasse’ und somit auch ‘Rassismus’, insbesonere in den Medien behandelt werden gerne zur bequemen Schlussfolgerung: “Rassen gibt’s nicht, also gibt es technisch hier auch keinen Rassismus.”
    Vieleicht wäre es ersteinmal angebrachter sich auf höherer Ebene mit DIESEM Phänomen auseinander zu setzen, als gesellschaftlich unliebsame Begrffe für obsolet zu erklären.
    Dieser Versuch erscheint mir doch zu… ‘deutsch’.
    Lass mich allerdings gerne eines Besseren belehren.
    Gruß aus Berlin.

  2. Andreas
    Andreas says:

    ..die Unternehmung, die soziale Konstruiertheit von ‘Rassenmerkmalen’ freizulegen ist mitnichten ein deutscher ‘Versuch’, er wurde auf globalem Level, etwa in den USA, stattdessen besonders prominent durch die Mitglieder der soziologischen Fakultaet Harvards vertreten, etwa mal hier lesen

    http://www.wjh.harvard.edu/soc/faculty/patterson/

    und durch entsprechende Befunde der Molekularbiologie gestuetzt. Zusammengefasst lassen sich diese Befunde so lesen, dass, genetisch betrachtet, etwa ‘schwarze’ und ‘weisse’ Individuen innerhalb dieser Zuschreibungen weit staerker divergieren als im Mittelwert zwischen ihnen. Neuere Diskussionen gewisser ‘Soziobiologen’, die die ‘Harvard school’ ‘kritisieren’, verweisen darauf, dass es, aehnlich wie Brust- und Nasengroesse etc. genetisch ‘definiert’ werden, es trotzdem ‘Gene’ fuer ‘race’ geben muss und die Lokalisierung dieser unwiderlegbare, wenn auch nur punktuelle, Vorteile in der Medizin etc. mit sich braechte. Die Emotionalitaet diese Debatte verweist aber darauf, dass hier tieferes mitschwingt: man steht den ‘Genen’ fuer ‘Hautfarbe’ etc. in Wirklichkeit nicht aehnlich gleichgueltig gegeneueber wie jenen fuer ‘Nasengroesse’ oder der Praedisposition fuer bestimmte Krankheiten, man erwartet im Gegenteil teilweise geradezu emphatisch, dass die Isolierung des ‘Rassengens’ auf essentielle Eigenschaften ihrer Traeger verweist, das mag man im einzelnen abstreiten oder grundweg leugnen, es beleuchtet aber, dass die ‘Soziobiologie’ auch heute noch eine fruchtbare Quelle fuer eine neue ‘Rassentheorie’ zu werden vermag, nicht umsonst benutzt man (siehe Armand Leroi) emphatisch Begriffe wie ‘racial science’ in stolzer Abgrenzung zur ‘racist science’ ohne im Ansatz zu begreifen, dass der Keim fuer Rassismus im eigenen ‘wissenschaftlichen’ mindset bestens angelegt ist. Im uebrigen sind die ‘neuen Rassentheoretiker’ meist auch gluehende Verfechter einer liberalen Eugenik, das nur nebenbei.

  3. Joe Dramiga
    Joe Dramiga says:

    Der Begriff der “Rasse” entstand im Umfeld der biologischen Anthropologie und wurde im Zeitalter der Aufklärung erfunden. Er erschien erstmals in Frankreich.als der französische Arzt und Forschungsreisende François Bernier 1684 seine Arbeit “Nouvelle division de la Terre, par les differentes Espèces ou Races d’hommes qui l’habitent” (Neue Einteilung der Erde nach den verschiedenen Arten oder Rassen, die sie bewohnen) publizierte. Bernier war der Erste der den Rassenbegriff zur Unterteilung der auf verschiedenen Kontinenten lebenden Menschen benutzte. Bernier unterschied drei “Rassenkreise”, die später “Europide”, “Negride” und “Mongolide” genannt wurden, verband aber mit seiner Klassifikation keine Wertung.

    In Deutschland war es der Philosoph Immanuel Kant der den Begriff der “Rasse” durch seine Schriften “Von den verschiedenen Racen der Menschen” (1775), “Bestimmung des Begriffes einer Menschenrace” (1785) einführte. Kant teilte die Menschheit in vier verschiedene Hauptrassen ein: 1. die Rasse der Weißen 2. die Negerrasse 3. die hunnische Rasse 4. die hindistanische Rasse. Als Unterscheidungskennzeichen nennt Kant die körperlichen Merkmale Hautfarbe, Schädelform etc.”, Naturell und Charakter der Völker sowie den Zivilisationsgrad.

    Kants Überlegungen enthalten eine Wertung und Hierarchisierung der “Rassen”: “Die Menschheit ist in ihrer größten Vollkommenheit in der Race der Weißen. Die gelben Indianer haben schon ein geringes Talent. Die Neger sind weit tiefer und am tiefsten steht ein Teil der amerikanischen Völkerschaften.” Kant nahm eine körperliche und geistige Überlegenheit der weißen “Rasse” an, die seiner Ansicht nach dazu führte, dass “diese Völker zu allen Zeiten die anderen belehrt und durch die Waffen bezwungen haben”.

    Die deutschen Gesetze müssen ohne den Begriff “Rasse” auskommen. In Ländern wie Finnland, Schweden und Österreich, wird statt des Begriffs “Rasse” von “Ethnischer Zugehörigkeit” oder “Ethnischer Herkunft” gesprochen.

  4. Andreas
    Andreas says:

    ..zur Verteidigung Kants koennte man immerhin anmerken, dass er sich offenbar in spaeteren Einlassungen von seinen vorherigen Aussagen ueber ‘essentielle’ Eigenschaften von ‘Rassen’ distanzierte und lediglich von der ‘Hautfarbe’ als ‘Rassenmerkmal’ sprach und das ‘geistige’, die Persoenlichkeit etc. davon abhob. Trotzdem markiert die Einfuehrung des Rassenbegriffes bis zum heutigen Tag so deutlich wie weniges die ‘Dialektik des Aufklaerung’ und auch ihre Grenzen: ueberall dort, wo Wissenschaft in nichts anders als ‘pseudoscience’ und Spekulation ueberging findet man die Phantasmen der Rassentheoretiker, deshalb werde ich nicht muede, auf die Grenzen wissenschaftlicher Aussagen und ihre Geltungsbereiche und ihre Konvergenz auf Ideologie zu verweisen. Das zeigt sich etwa im Falle von Armand Leroi, dessen Forschungsgebiet das Genom eines WURMES ist, seine Arbeiten zu diesem Wurm haben nicht einen Bruchteil der Aufmerksamkeit erhalten wie seine frei dahinfabulierten Aussagen ueber das ‘Rassengen’ und die angebliche Bedeutung dessen fuer Medizin und Gesellschaft, oder auch wie seine kindischen Auslassungen ueber ‘genetische Perfektheit’ und die ‘schoenste Frau der Welt’, niemand hat jemals nachgeweisen, dass die Anzahl der ‘Mutationen’ bei der Formung eines Genoms mit seiner subjektiv empfundenen ‘Schoenheit’ korreliert, er aber schwadroniert davon, als gebe es das: die objektive Ueberlegenheit des Genoms mit dem Minimum an ‘Mutationen’. Aehnliches laesst sich fuer den daran anschliessenden Begriff von ‘Rasse’ erwarten: man versucht zu ‘objektiven’ Aussagen zu kommen, wo fragwuerdige Ideologie dominiert, letztlich erweist sich hier ‘Wissenschaft’ wieder als die grosse Gefahrenquelle fuer die Menschheit, der Wurmforscher als groessenwahnsinniger Weltdeuter, furchtbar.

  5. Andreas
    Andreas says:

    ..Joe, um das noch zu bemerken: die kuenftigen Aussagen heutiger Biologen und Genetiker zum Thema ‘Rassen’ sind meiner Meinung nach deshalb so machtvoll oder gefaehrlich, weil den Aussagen der heutigen naturwissenschaftlichen Genetik im gesellschaftlichen Diskurs eine Rolle zukommt, die in keiner Weise mit derjenigen Kants zu vergleichen ist. Kants Aussagen, sowohl wie auch die der biologischen Anthroposophen vergangener Jahrhunderte, stehen heute nicht unter dem gesellschaftlichen Urteil ‘exact science’ (oder auch nur: ‘science’) zu sein. In der Transformation der Ergebnisse der ‘exakten Naturwissenschaften’ in einem ‘meta-biologischen’ Diskurs oder in der Interpretation der Ergebnisse von Genetikern durch Soziobiologen liegt aber letztlich eine Gefahr, der sich die Genetiker selbst stellen muessen und die auch die Fragen beruehrt, ob der ‘exakte’ Teil der Biologie jemals frei von ideologischer Ueberzeugung sein kann. Wie man hier liest

    http://www.edge.org/3rd_culture/leroi05/leroi05_index.html

    interpretiert einer der Kommentatoren den hypothetischen Fall der Entdeckung einer Korrelation von ‘Rassengenen’ und kognitiven Eigenschaften als eine ‘wissenschaftliche Sensation’ und nimmt damit vorweg, dass es am Ende weniger um medizinische Nutzbarmachung objektiver Befunde sondern um einen gesellschaftlichen Diskurs gehen koennte, innerhalb dessen jede Regression durch die Zwangslaeufigkeit des wissenschaftlichen ‘Faktums’ zu begruenden waere. Schon heute berufen sich Anthroposophen zur Rechtfertigung der Rassentheorien Steiners auf die ‘Thesen’ Armand Lerois, die Kommunikationsachse zwischen ‘exakter Wissenschaft’ und ideologischem Mythos ist also nach wie vor intakt.

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