Die Uni Basel muss sparen

Wie viel Germanistik braucht die Gesellschaft? Und wie viel Altertumswissenschaft? An der Universität Basel stellt sich die Frage ganz konkret. Die Hochschule muss sparen, und zwar viel. Die Geisteswissenschaften kommen unter Druck.

Urs Hafner, Basel
Merken
Drucken
Teilen
50 Millionen Franken muss die Universität Basel in den nächsten vier Jahren einsparen. Werden vor allem die Geisteswissenschaften zurückgestutzt? (Bild: Gaëtan Bally / Keystone)

50 Millionen Franken muss die Universität Basel in den nächsten vier Jahren einsparen. Werden vor allem die Geisteswissenschaften zurückgestutzt? (Bild: Gaëtan Bally / Keystone)

Jemand muss geplaudert haben. Ein Mitglied der philosophisch-historischen Fakultät der Universität Basel hat den geheimen Mehrheitsbeschluss nach aussen getragen, dass der zurzeit vakante Lehrstuhl für Germanistische Mediävistik – einer der ältesten und renommiertesten überhaupt – auf eine befristete Assistenzprofessur zurückgestuft wird, was einer Abschaffung in Raten gleichkommt.

Innert Kürze hat sich internationaler Protest formiert, angeführt vom ehemaligen Basler Germanistikprofessor Rüdiger Schnell. Ein von rund zwanzig Professorinnen und Professoren unterzeichnetes Schreiben wirft dem Rektorat vor, eine planlose Sparpolitik zu betreiben, die dem Renommee der Universität grossen Schaden zufüge. Von der Uni Basel hat niemand unterschrieben. Man scheint sich mit der Situation abzufinden.

Basel könnte Schule machen

Sekundiert von Basel-Stadt hat der Trägerkanton Basel-Landschaft beschlossen, dass die Universität Basel, die älteste der Schweiz und eine der Geburtsstätten des europäischen Humanismus, in den nächsten vier Jahren insgesamt knapp 50 Millionen Franken einsparen muss. Das ist viel. Und dazu kommen noch die Folgewirkungen: Der Sparbeschluss dürfte Konsequenzen für andere Finanzquellen haben, etwa die Bundesmittel. Auch sie werden künftig spärlicher fliessen. Der Entscheid ist für eine schweizerische Hochschule präzedenzlos. Die Studierendenzahlen wachsen, die Bedeutung von Forschung und Lehre für die «Wissensgesellschaft» nimmt weiter zu – und die Schweiz weist im internationalen Vergleich noch immer eine tiefe Akademikerquote aus.

Schon heute werden vom Arbeitsmarkt benötigte Fachkräfte und der den Hochschulen fehlende wissenschaftliche Nachwuchs aus dem Ausland importiert. Auf die Dauer kann das keine Lösung sein. Wenn die Schweiz ihre Spitzenposition als «Innovationsstandort» behalten will, darf sie ihre Hochschulen nicht zurückstutzen, sondern müsste eher an einen Ausbau denken. Mit Blick auf die Diskussionen in anderen Kantonen, etwa Luzern, Freiburg und Zürich, steht allerdings zu befürchten, dass das Beispiel Basel Schule macht.

Irritierend sind die aus Baselland zu vernehmenden Stimmen von Politikern, die an den digitalen Stammtischen einheizen. Sie würden die Universität gern als eine Art Unternehmen behandeln, das selbsttragend wirtschaften soll, und fordern die Abschaffung der «unnützen» geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer. Das ist einerseits eine Einmischung in die gesetzlich verankerte Autonomie der Universität und ihre Wissenschaftsfreiheit. Vor allem aber ist die Forderung kurzsichtig.

Wer lehrt die Gegenwart verstehen?

Schon ein Blick auf das Silicon Valley, wo gute Geisteswissenschafter genauso gesucht sind wie Ingenieure und Informatiker, zeigt: Es sind nicht zuletzt die Geisteswissenschaften, welche die jungen Leute in turbulenten Zeiten – Stichworte sind: Digitalisierung, Globalisierung, neuer Kalter Krieg – mit den Fähigkeiten ausrüsten, die Gegenwart zu verstehen und entsprechend klug zu handeln. Natürlich braucht es Life-Sciences und Wirtschaftswissenschaften, keine Frage: Aber in Sachen kulturelle Deutungskompetenz und Orientierungswissen haben die Geisteswissenschaften gerade heute eine wichtige Funktion.

Die Universität Basel akzeptiert die ihr von der Politik aufoktroyierten massiven Kürzungen; etwas anderes bleibt ihr kaum übrig. Zugleich macht sie aber klar, dass sie am Modell der Volluniversität mit einem breiten Fächerangebot festhalten will. Der Betrag, um den der Etat gekürzt werden muss, soll deshalb auf die Fakultäten aufgeteilt werden. Diese müssen sich nun in aufreibenden Verhandlungen auf die Verlierer einigen. Wie alle Universitäten ist auch die Universität Basel traditionell demokratisch organisiert. Das Kollegium bestimmt, nicht ein CEO.

Doch was geschieht tatsächlich? Agiert die Uni kopflos nach dem Zufallsprinzip, wie der Protestbrief der Germanisten unterstellt? Fallen zunächst einmal vakante Lehrstühle der Sparübung zum Opfer, allen voran der für Germanistische Mediävistik? Das Rektorat verweist auf den Dekan der philosophisch-historischen Fakultät, Walter Leimgruber. Der Kulturwissenschafter sagt, die Fakultät verschaffe sich mit der Zurückstufung von fünf Professuren auf Provisorien – darunter der für Germanistik – lediglich die nötige Zeit, um in den nächsten Jahren strategisch planen zu können. Es habe schnell gehen müssen. Vielleicht werde die eine oder andere Assistenzprofessur wieder hinaufgestuft zu einer unbefristeten Professur, vielleicht eine andere ganz gestrichen.

Reagieren, aber überlegt

Walter Leimgruber betont, dass die Fakultät trotz der schwierigen Lage nicht nur abbaue. Man reagiere durchaus auf die Anforderungen der Gegenwart, man tue dies aber überlegt. Vor einiger Zeit sei der Ruf laut geworden, die Islamwissenschaften zu streichen. Heute sei unbestritten, dass dieses Fach nötiger sei denn je. Zudem habe die Fakultät zwei neue Lehrstühle für Digital Humanities geschaffen. Dafür habe man die Professuren für Vorderasiatische Altertumswissenschaft und für Historisch-vergleichende Sprachwissenschaft gestrichen und einen Teil des Angebots in die Curricula der übrigen Altertums- und Sprachwissenschaften integriert.

Ob der neue Schwerpunkt Digital Humanities dem geisteswissenschaftlichen Anspruch genügt, die Reflexion des eigenen Tuns zu fördern, wird sich weisen müssen. Hoffentlich aber rüttelt der Protestbrief der Germanisten, auch wenn er nur für das eigene Fach lobbyiert, sowohl die Geistes- und die Sozialwissenschafterinnen als auch alle die Forschenden auf, die an gut ausgestatteten Hochschulen interessiert sind. Es stehen weitere Verteilkämpfe an, es werden Protestbriefe weiterer Professoren folgen, die den Abbau gerade ihres Fachs unzumutbar und verheerend finden.