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Exklusiv-Interview mit Lana del Rey

Von GRAZIA am Sonntag, 15. Juni 2014 um 10:00 Uhr

Sie ist wieder da, und zwar überall! Selbst bei der Kimye-Hochzeit hat sie gesungen. Nächste Woche erscheint ihr neues Album "Ultraviolence" mit Hits wie "Shades of Cool". Doch am coolsten finden wir, wie offen Lana mit uns über ihre Chaos-WG, böse Gurus und ihre (Sehn-)Süchte sprach.

Erst Coachella, dann Cannes, schliesslich Versailles: Gerade jettet Lana Del Rey hektisch von einem Konzert zum nächsten, doch als wir die 27-Jährige in einem Luxushotel in Beverly Hills treffen, wirkt sie total entspannt, immerhin wohnt sie ja um die Ecke. Die schöne Sängerin, die den Begriff Retro-Coolness völlig neu definierte, als sie 2011 wie aus dem Nichts auftauchte und mit "Video Games" die Charts eroberte, ist von New York an den Strand gezogen. Wie ein waschechtes Surfergirl kommt sie deshalb auch zum Interview – sie trägt kurze Jeans, ein helles Shirt, Sandalen –, und überrascht uns mit einer herzlichen Natürlichkeit, die wir von der immer so unnahbar wirkenden Sirene des Breitwand-Pop offen gestanden gar nicht erwartet hätten...

Interview mit Lana Del Rey

Wurde Ihnen das Leben in New York zu hektisch?

Lana Del Rey: Na ja, meine Plattenfirma ist in L.A. Ich stamme ja aus Lake Placid, einem Ort in den Bergen. Da fühlt sich der Pazifik wie das Paradies an. Jetzt laufe ich, so oft es geht, barfuß durch den Sand.

Und Sie denken: du bist verdammt weit gekommen?

Lana: Schon, aber nicht in Bezug auf meine Karriere. Sondern in Sachen Lebensstil. Ich finde, dass dieses lässige Strandleben besser zu mir passt als New York. Außerdem liebe ich die Hitze.

Auch Ihren Status als Weltstar?

Lana: An manchen Tagen gelingt mir das, an anderen habe ich an meiner Identität zu knabbern und weiß nicht, wo ich hingehöre. Zum Glück werden die guten Tage mehr und die schlechten Tage weniger. Und die Gefahr, dass ich abhebe, besteht ohnehin nicht.

Nächste Woche erscheint das neue Album "Ultraviolence" von Lana Del Rey

Was macht sie so sicher?

Lana: Ich habe eine große Familie, da muss ich gar nicht darauf achten, bodenständig zu bleiben, das geschieht ganz von selbst. Zu Hause geht es vor allem um Charlie und Caroline und darum, was die so wollen.

Wer sind...?

Lana: Mein Bruder und meine Schwester. Die sind jünger als ich, 20 und 25, ich passe ein bisschen auf sie auf. Wir leben alle unter einem Dach. Wir drei und Barrie, mein Freund. (der schottische Musiker Barrie-James O’Neill; Anm. d. Red.)

Hört sich nach Spass an.

Lana: Na ja, wir stecken alle in großen Umbrüchen. Barrie hat seine Band verlassen, meine Geschwister sind dabei, erwachsen zu werden.

In welchem Umbruch stecken Sie?

Lana: Ich hätte gerne eine dauerhafte emotionale Stabilität. Danach habe ich mein Leben lang gesucht. Von Natur aus bin ich eine stille, zurückhaltende Beobachterin.

Für einen Star wirken sie erstaunlich introvertiert.

Lana: Ich komme aus einer Familie, wo man Probleme im kleinen Kreis bespricht. So bin ich aufgewachsen. Im Unterschied zu den Leuten, die quasi auf Twitter leben und glauben, sie müssten stets über alles Auskunft geben.

Lana Del Rey steht für Retro-Coolness 

Wie schaffen Sie es denn, nicht so allgegenwärtig zu sein wie etwa Lady Gaga? 

Lana: Man kann das steuern. Zum Beispiel, indem man am Stadtrand wohnt, so wie wir, in einer normalen Gegend mit ganz normalen Nachbarn.

Als Sie über Nacht berühmt wurden, zweifelten die Leute an der Authentizität ihrer Musik.

Lana: Ja, ein Riesenthema. Ich war immer von meiner Musik überzeugt. Wer nichts zu sagen hat, kann keine bleibende Popmusik schaffen. Ich weiß jetzt schon, dass ich meinen Kindern später meine ganze Lebensgeschichte anhand meiner Songs erzählen kann.

Wie Sie es in „Fucked my Way Up to the top“ auf dem neuen Album tun?

Lana: Der handelt von dieser Sängerin, die sich erst über meinen angeblich nicht authentischen Stil mokierte, dann hat sie ihn geklaut und kopiert. Und jetzt tut sie so, als wäre ich das Kunstprodukt und sie die wahre Superkünstlerin. Mein Gott, und die Leute nehmen ihr das ab, sie ist erfolgreich! Ach, ich sollte nicht weiter schimpfen, bringt ja doch nichts.

Jetzt müssen Sie uns aber verraten, um wen es sich handelt!

Lana: Kann ich leider nicht, das verstehen Sie doch, oder?

Wovon werden sie Ihren Kindern (und uns) noch erzählen?

Lana: Ich gehörte mal zu einer Underground-Szene, die von einem Guru beherrscht wurde. Der umgab sich mit jungen Mädchen und hatte eine Wahnsinnsausstrahlung, der auch ich mich nicht entziehen konnte. Ich war also bei dieser, ich nenne es mal Sekte, weil ich mich nach Liebe und Geborgenheit sehnte. Aber dann stellte ich irgendwann fest, dass dieser Guru kein guter, sondern ein böser Mensch ist. Er fand, dass man Leute erst brechen muss, um sie wieder aufzubauen. Am Ende stieg ich aus.

Krass!

Lana: Ja, sieht so aus, als würde ich wilde Geschichten und extreme Lebenserfahrungen anziehen. (lacht)

Lanas Style ist classy & chic

Welche denn noch?

Lana: Unsere Familie hat eine lange Geschichte, was Suchtverhalten angeht. Auch der schiere Wahnsinn existiert bei uns. Ich hatte also ein höheres Risiko als andere Menschen, nicht mit Alkohol umgehen zu können.

... hatte?

Lana: Ja, seit zehn Jahren hab ich keinen Drink mehr angerührt – aber ich würde schon gerne. Könnte doch sein, dass ich heute besser mit Alkohol umgehen kann.

Wieso glauben Sie das?

Lana: Na ja, ich habe Anker geworfen. Aber ich muss schauen, wie ich den Drang nach – emotional und wörtlich – festem Boden unter den Füßen mit meinem Ehrgeiz, als Künstlerin voranzukommen, in Einklang bringe. Noch hab ich keinen Schimmer, wie das klappen soll.

Also erst mal kein Nachwuchs?

Lana: Ich wäre schon bereit! (lacht) Aber Barrie ist jünger als ich und noch nicht in Stimmung für Kinder.

Sie haben als Model für H & M und für Mulberry gearbeitet. Wissen Sie, was die Fashionbranche in Ihnen sieht?

Lana: Puh, keine Ahnung! Als Indie-Sängerin in New York konnte ich mir überhaupt keine stylishen oder teuren Klamotten leisten. Wahrscheinlich war mein Gesicht zufällig zur richtigen Zeit zur Stelle. Und wie sagt das Sprichwort? Geh dorthin, wo es warm ist.

Interview: Steffen Rüth

Lana Del Rey in der H & M Kampagne 2010

 

Bilder: Instagram/lanadelrey, Getty Images, picture alliance