Karriere von Friedrich Merz:Blackrock, die unbekannte Finanzmacht

FILE PHOTO: A sign for BlackRock Inc hangs above their building in New York

Blick auf die Fassade der Blackrock-Zentrale in New York

(Foto: REUTERS)
  • Seit Frühjahr 2016 ist Friedrich Merz, der CDU-Parteivorsitzender werden will, Aufsichtsrats-Chef der deutschen Abteilung von Blackrock.
  • Das Unternehmen ist eine der einflussreichsten Fondsgesellschaften der Welt.
  • Blackrock wurde offenbar von Merz' Kandidatur überrascht; falls er nicht zu Merkels Nachfolger gewählt wird, dürfte er auch dort keine große Zukunft mehr haben.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf, und Jan Willmroth, Frankfurt

Als die Bürger Großbritanniens für den Austritt aus der Europäischen Union votierten, war Friedrich Merz zur Stelle. Am Tag nach dem Referendum wählte er die Nummern von Konferenzschaltungen, organisiert von Blackrock, jener gigantischen Fondsgesellschaft, für die Merz damals seit drei Monaten arbeitete. Hunderte Kunden waren in der Leitung, sie wollten verstehen, was nun passieren würde an den Finanzmärkten und mit dem Geld, das sie bei Blackrock investiert hatten. Merz, der stets gern über Dinge wie den Brexit spricht, über globale Herausforderungen und politische Krisen, über das große Ganze also, wusste alles einzuordnen.

Seit dem Frühjahr 2016 sitzt der 62-Jährige dem Aufsichtsrat der deutschen Abteilung von Blackrock vor, wobei seine Rolle weit hinausgeht über das sonst übliche Aufgabenspektrum. Einen wie Merz holt man sich, weil er ein exzellenter Wirtschaftsanwalt ist, weil er weiß, wie ein Aufsichtsrat zu funktionieren hat. Viel wertvoller aber sind für Blackrock sein Adressbuch, seine Kontakte in die Politik und in die Chefetagen deutscher Konzerne. Merz sollte als Türöffner fungieren für einen der mächtigsten Finanzkonzerne, die es jemals gab. Dort ist man heute zufrieden.

Und jetzt? Ist aus dem Anwalt Merz, der in mehreren Aufsichtsräten sitzt, wieder ein Politiker geworden, der Interessenkonflikte vermeiden muss. "Im Falle einer Wahl von Friedrich Merz zum Vorsitzenden der CDU Deutschlands", sagte sein Sprecher, "wird er sofort sämtliche Aufsichtsratsmandate niederlegen und seine Rechtsanwalts-Zulassung ruhen lassen."

Im Fall seines prominentesten Mandats sah es am Dienstagmorgen so aus, als würde sich das bis zum CDU-Parteitag im Dezember längst erledigt haben. Denn offenbar war man bei Blackrock ziemlich überrascht ob der Kandidatur. Einem Bericht des Spiegel zufolge arbeite der Vermögensverwalter bereits an einer Lösung, um "ohne Gesichtsverlust auseinanderzugehen". Nach den Worten eines nicht näher benannten Insiders gebe es "keinen Weg zurück zu Blackrock", sollte Merz' Kandidatur scheitern. Dem widersprach Blackrock-Chef Larry Fink in einem wenige Stunden später verschickten Statement: "BlackRock und Friedrich Merz pflegen weiterhin eine hervorragende Beziehung", heißt es darin. "Er bleibt Aufsichtsratsvorsitzender von Blackrock in Deutschland. Wenn er nicht Vorsitzender der CDU wird, würden wir es sehr begrüßen, wenn er weiterhin mit Blackrock zusammenarbeitet." Blackrock kann also noch darauf hoffen, dass Merz nicht gewählt wird.

Es ist ein außergewöhnlicher Konzern, für den Merz da unterwegs ist. Innerhalb von dreißig Jahren hat es Blackrock geschafft, fast überall zu sein im globalen Wirtschafts- und Finanzsystem, gemessen an seiner Bedeutung aber so gut wie unbekannt zu bleiben. Mit einem verwalteten Vermögen von schwer fassbaren 6,4 Billionen Dollar hat Firmengründer Larry Fink einen Riesen geformt, die größte Fondsgesellschaft der Welt. Blackrock ist bei etlichen Konzernen der größte Aktionär, darunter ein Drittel der Dax-Firmen. Zehntausende Banker weltweit nutzen die hauseigene Analysesoftware Aladdin, um die Risiken von Vermögenswerten zu berechnen. Blackrock-Berater arbeiten regelmäßig für Notenbanken, etwa die Europäische Zentralbank. Als während der Krise aus 18 griechischen Banken vier wurden, hatte Blackrock den Plan dazu geschmiedet.

In Deutschland ist der Konzern bislang vor allem jenen ein Begriff, die ihr Geld in börsengehandelten Indexfonds anlegen, bekannt unter der Abkürzung ETF. Solche Produkte kommen ohne aktiven Fondsmanager aus und bilden die Entwicklung von Börsenindizes wie dem Dax ab, indem sie die darin enthaltenen Aktien kaufen. Zwei Drittel der Blackrock-Gelder stecken in diesen "passiven" Fonds. Keine andere Produktklasse war seit der Finanzkrise weltweit so erfolgreich.

In Europas größter Volkswirtschaft wächst das Geschäft sehr viel langsamer als im angelsächsischen Raum, was, wenn man Friedrich Merz zuhörte, auch mit der Scheu der Deutschen vor Aktien zu tun hat. Seine Rolle umschrieb er vor zwei Jahren als "aktiver Aufsichtsratschef", der sich stärker einmischt und eben, wie er es tat, auch als Botschafter unterwegs ist, der zu wichtigen Kunden mitkommt und auf Veranstaltungen die Vorzüge von Fonds beschwört. Der Drähte legt zu Ministerien in Berlin, in denen irgendwann vielleicht über eine Reform der privaten Altersvorsorge entschieden wird, was sich für Blackrock lohnen würde. Der weiß, wen man in Brüssel kennen muss.

Merz hat noch mehr Jobs in der Wirtschaft

Merz ist aber längst nicht allein Blackrocks Türöffner. Er ist als Experte für Gesellschaftsrecht bei großen Konzernen gefragt, eine Reihe großer Übernahmen und Fusionen tragen seine Handschrift. Er sitzt im Aufsichtsrat der deutschen Abteilung der Bank HSBC, und seit Ende 2017 leitet er auch noch das Kontrollgremium des Flughafens Köln-Bonn, der Bund, Land und angrenzenden Kommunen gehört. Befürchtungen, Merz könnte eine Privatisierung des Airports vorantreiben, moderierte die Bundesregierung rasch ab.

Relativ still ist es auch um Merz' Aufgabe als "Beauftragter für die Folgen des Brexits und die transatlantischen Beziehungen" des Landes NRW. Die Regierung in Düsseldorf hofft, dass Industrieunternehmen aus aller Welt ihre Europa-Niederlassungen an Rhein und Ruhr verlagern, wenn Großbritannien im kommenden Jahr die EU verlässt. Merz erhalte auch entsprechende Anfragen, berichtete er im Frühjahr im Landtag. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hatte seinen Parteifreund eigens vorgeschlagen. Als politisches Comeback wollte Merz die Berufung aber explizit nicht verstanden wissen.

Mit seiner Kandidatur für den CDU-Vorsitz verhält es sich anders. Noch vor wenigen Tagen hatte Merz Interviewanfragen abgelehnt, unter vertraulichem Verweis auf Ereignisse in der Woche nach der Landtagswahl in Hessen. Sollte ihm das Comeback gelingen, wird man seine Dienste nicht nur bei Blackrock vermissen.

In einer früheren Version dieses Artikels war noch die Rede davon, dass Merz Aufsichtsratschef bei Blackrock bleiben könnte, falls seine Kandidatur scheitert. Der Konzern will aber offenbar zügig Fakten schaffen und sich von ihm trennen.

© SZ vom 31.10.2018/lüü/vd
Zur SZ-Startseite
´Zeit"-Konferenz Deutsches Wirtschaftsforum - Merz

Friedrich Merz im Mittwochsporträt
:Das zweite Leben

Friedrich Merz war eine Macht in der CDU, dann hörte er auf. Auch wegen Angela Merkel. Nun hat er als Aufsichtsratschef beim weltweit größten Vermögensverwalter Blackrock wieder Macht - diesmal über sehr viel Geld.

Lesen Sie mehr zum Thema

Süddeutsche Zeitung
  • Twitter-Seite der SZ
  • Facebook-Seite der SZ
  • Instagram-Seite der SZ
  • Mediadaten
  • Newsletter
  • Eilmeldungen
  • RSS
  • Apps
  • Jobs
  • Datenschutz
  • Kontakt und Impressum
  • AGB