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Panorama Roxette-Sängerin

Die eiserne Krone, mit der Marie den Krebs bekämpfte

Roxette,mit Saengerin Marie FREDRIKSSON,Popduo,2009,10.12.2009.Konzert,Buehne,Show,stage, Musikgruppe,Band,live, Livekonzert. | Verwendung weltweit Roxette,mit Saengerin Marie FREDRIKSSON,Popduo,2009,10.12.2009.Konzert,Buehne,Show,stage, Musikgruppe,Band,live, Livekonzert. | Verwendung weltweit
Auf der Bühne fühlte sie sich zu Hause. Doch die Zeit mit Roxette ist endgültig vorbei. Marie Fredriksson auf einer Comeback-Tournee 2009
Quelle: picture-alliance / Sven Simon
Sie war das umjubelte, extrem erfolgreiche Gesicht der Band Roxette – bis der Krebs sie von der Bühne zwang. Jetzt spricht Marie Fredriksson erstmals über die Jahre mit der Krankheit.

Als die Krankheit sie umhaute, hatte Marie Fredriksson gerade beschlossen, eine Pause einzulegen. Im Nachhinein vermutet sie, dass sich ihr Zusammenbruch schon ankündigte. Sie hatte keine Lust mehr aufzutreten, war müde, gereizt, unzufrieden. Dass es der Krebs war, der sich so äußerte, hatte sie nicht geahnt. Bis zu jenem 11. September 2002.

Fredriksson, Sängerin des erfolgreichen schwedischen Pop-Duos Roxette, bereitete sich gerade auf einen Flug nach Amsterdam vor, als ihr schlecht wurde. Im Badezimmer erlitt sie einen Krampfanfall. Ihr Mann Micke fand sie dort, auf dem Boden liegend und beinahe bewusstlos. Das Nächste, an das sich Fredriksson erinnert, ist das Krankenhaus. Und die Diagnose: Hirntumor.

Die schwedische Popgruppe "Roxette" bei ihrem Auftritt bei der ARD-Gala "Willkommen im Fußball-Land", die am 31.7.1999 in der KölnArena stattfand. Die mit zahlreichen Stars besetzte Fußball-Gala soll den Deutschen Fußball-Bund bei der Bewerbung um die Austragung der WM 2006 in Deutschland unterstützen. 16 Städte, die als WM-Spielort in Frage kommen, stellten sich den rund 18000 Gästen in der Halle und knapp drei Millionen TV-Zuschauern mit einer gigantischen Show vor. | Verwendung weltweit
Roxette 1999 bei einem Auftritt in der ARD
Quelle: picture-alliance / dpa

Die Krankheit der Sängerin, in den 80er- und 90er-Jahren eine der bekanntesten der Welt, machte schon damals Schlagzeilen. Fans und Journalisten belagerten das Haus der Familie in Schweden, um Neuigkeiten über ihren Zustand zu erfahren. Die kleinsten Informationsschnipsel – und auch viel Erfundenes – wurden von den Medien verbreitet.

Jetzt spricht Marie Fredriksson, heute 58, selbst über die Zeit, die ihr Leben so radikal veränderte. Zwei Jahre lang traf sie sich regelmäßig mit der Journalistin Helena von Zweigbergk. Aus den Gesprächen entstand ein ungewöhnlich offenes, fast intimes Buch, das nach einem der größten Roxette-Hits benannt ist: „Listen to my Heart“ mit dem deutschen Untertitel „Meine Liebe zum Leben“ (Edel, 239 Seiten, 19,95 Euro).

Sie hetzte von Auftritt zu Auftritt

Fredriksson und von Zweigbergk haben keine klassische Biografie geschrieben, sondern springen im Leben der Sängerin hin und her. Möglicherweise ähnelt der Aufbau den Gedankengängen Fredrikssons, die erzählt, wie wenig sie sich seit der Diagnose merken kann, wie langsam sie ist und wie viele Erinnerungslücken sie hat.

Von Kapitel zu Kapitel entsteht das Bild einer ehrgeizigen, fast getriebenen Frau, die jahrelang von Auftritt zu Auftritt hetzte, bis der Tumor sie zwang kürzerzutreten. Seit ihrer Kindheit auf dem Land, die geprägt war von Armut und Bescheidenheit, von einem alkoholkranken Vater, einer Parkinson-kranken Mutter und dem tödlichen Unfall einer Schwester, wollte Fredriksson auf die Bühne. Und immer vorne stehen, im Zentrum der Aufmerksamkeit.

Wie wichtig das für sie ist, wird auch an den vielen Passagen deutlich, in denen sie sich besorgt fragt, ob sie wohl noch ein ganzes Konzert lang stehen kann – seit einer Bestrahlung hat sie häufig Krämpfe im Fuß.

Fünf Jahre lang musste sie das Rampenlicht entbehren. „Während meiner Krankheit wollte ich mich nur verstecken, und das war ganz neu“, erzählt sie erstaunt. Die Sängerin war damals bereits eine Ikone des europäischen Pop. Ihre klare, markante Stimme wurde gefeiert, ihr Stil – androgyn und doch sexy, in Lederklamotten oder Anzügen, mit kurzen, weißblond gefärbten Haaren – kopiert. Jetzt musste Fredriksson starke Medikamente einnehmen. Sie wurde mehrmals operiert und bestrahlt, verlor zwischendurch ihre Fähigkeit zu sprechen, muss sich beim Laufen bis heute stützen lassen.

Auch schmerzhafte Einzelheiten erspart sie den Lesern nicht. Die Gamma-Knife-Strahlentherapie, bei der ihr eine Metallkrone auf den Kopf geschraubt wurde, etwa. Blut und Tränen liefen ihr übers Gesicht, und ihr Mann musste sich fast übergeben, als er sie zum ersten Mal so sah. Oder die Zeit, zu der ihr die Haare büschelweise ausfielen. Zu der sie aufgedunsen war und sich auf Fotos selbst nicht mehr erkannte, weil sie so viel Kortison einnehmen musste.

Das Comeback-Konzert war eine Katastrophe

Vieles liest sich quälend. Auch die Erzählungen vom ersten Konzert, zu dem Fredriksson sich im Jahr 2007 trieb. Sie wollte unbedingt wieder auf die Bühne, doch der Auftritt bei der „Night of the Proms“ in Antwerpen war eine Katastrophe. Fredriksson konnte sich die Texte ihrer Songs nicht merken, übte und übte und vergaß auf der Bühne doch die Hälfte. Ihr Bandpartner Per Gessle musste sie zu einem weiteren Lied überreden. Erst nach fünf Konzerten „war alles gut“, schreibt sie. Tatsächlich ging Roxette sofort danach auf Welttournee in 49 Länder.

Die Gedächtnisprobleme aber blieben. Bis heute hat Fredriksson Schwierigkeiten, sich die Texte der Lieder zu merken, die sie schon Tausende Male gesungen hat. In späteren Jahren trat sie oft, auf einem Hocker sitzend, auf, weil der Fuß nicht mehr mitspielte. Offenbar war es das wert. Das Gefühl, auf der abgedunkelten Bühne zu stehen und den Jubel zu hören, sagt sie, sei „das Wunderbarste, das es gibt“.

FILE - Singer Marie Fredriksson and guitarist Per Gessle from the band Roxette on stage during a concert in the Lanxess Arena in Cologne, Germany, 24 June 2015. Photo: Henning Kaiser/dpa (zu dpa "Albumbesprechung "Kleiner Trost? Roxette nach Tour-Absage mit neuem Album" vom 31.05.2016) +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit
Einer der letzten gemeinsamen Auftritte: Roxette im Frühjahr 2015 in Köln. Marie Fredriksson singt im Sitzen, da sie nicht mehr lange Zeit stehen kann
Quelle: picture alliance / dpa

Das Ende des Buches war vermutlich anders geplant. Dem letzten Kapitel über ein bewegendes Konzert im Stockholmer Regen wurde ein Nachwort angefügt. Darin erzählt Fredriksson, dass sie nie wieder auf Tournee gehen wird. Im Frühling 2016 war sie schwer gestürzt. Dem Stress so vieler Auftritte sei sie nicht mehr gewachsen.

Sie habe ihre Freude am Leben nicht verloren, schreibt sie, sie sitze gern in der Sonne und sei dankbar für die Liebe zu ihrer Familie. Doch nach diesem Buch weiß der Leser: Das war es noch nicht. Marie Fredriksson kann nicht einfach Pause machen. Schon hat sie sich ein nächstes Projekt vorgenommen. Sie will wieder richtig gehen lernen. Dafür hat sie sich eine Schiene anpassen lassen. Aus schwarzem Leder.

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