Wuppertaler Studenten sammeln Pfandflaschen für Deutschkurse

Faule Studenten können ab November ihre Pfandflaschen einfach abholen lassen.
Faule Studenten können ab November ihre Pfandflaschen einfach abholen lassen.

20. September 2015 - 9:59 Uhr

Von Johanna Grewer

Viele Studenten kennen das Problem – die letzte WG-Party liegt schon länger zurück, aber irgendwie hat niemand Zeit und Lust, die leeren Flaschen wegzubringen. Laura Krämling, selbst Studentin in Wuppertal, wollte dafür eine Lösung finden und gleichzeitig etwas Gutes tun. Die 24-Jährige organisiert das Projekt 'Pfandraising Wuppertal'. "Feier wild, sei faul, tu was Gutes!", ist das Motto der Aktion, mit dem Deutschkurse für Flüchtlinge finanziert werden sollen.

Sie und weitere Ehrenamtliche wollen ab November Wuppertaler Studentenbuden von leeren Pfandflaschen befreien. Sind die Wuppertaler Studenten wirklich so faul, dass sich das lohnt? Krämling wohnt selbst in einer Fünf-Personen-WG. "Ich weiß, wovon ich spreche", sagt sie und lacht. Viele hätten einfach kein Auto zur Verfügung, da würde sich über die Zeit so einiges ansammeln.

Studenten mit dem gleichen Problem, können sich ab November über die Facebook-Seite "Pfandraising Wuppertal" online einen Termin reservieren lassen, an dem die freiwilligen Abholer vorbeikommen und die Flaschen mitnehmen – und das sogar aus dem fünften Stock. "Wenn man nicht zuhause ist, sammeln wir aus dem Hausflur ein. Wir klingeln auch bei den Nachbarn", sagt Krämling.

Die Soziologie-Studentin absolviert gerade ein Pflichtpraktikum beim 'Institut für Transformationsforschung und Nachhaltigkeit' (TransZent). Nebenbei organisiert sie die Pfand-Spendeninitiative. Unterstützung bekommt sie dabei von Daniel Lorberg, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter der Universität.

"Wir wollen vor allem junge Leute ansprechen", erklärt Krämling. "Die Flüchtlingsthematik ist hochaktuell und wir wollen Anreize schaffen, sich zu engagieren." Und ganz nebenbei hätten die Studenten die Möglichkeit ein ganz alltägliches Problem zu lösen. "Das Geld für das Pfand wurde sowieso schon bezahlt und die Flaschen stehen herum. Das tut also nicht weh", meint die Studentin.

Natürlich holen die 'Pfandsammler' nicht nur bei Studenten leere Flaschen ab, auch andere Interessierte seien willkommen. Trotzdem scheinen den Initiatoren feierwütige WGs lieber zu sein. "Es muss sich schon lohnen", meint Lorberg. Etwa 15 Euro Pfandwert pro Abholung sollten drin sein. Zwar würden die Helfer nicht bezahlt, aber zumindest das Spritgeld müsste zusammen kommen. Und wenn auch noch Geld für Flüchtlinge übrig bleiben soll, braucht es schon etwas mehr als nur ein paar Flaschen.

Flüchtlinge ohne Asylstatus müssen Deutschkurse selbst zahlen

Studenten sammeln Flaschen für Flüchtlinge
Mit dem Geld, das mit dem Pfandraising zusammen kommt, sollen Deutschkurse für Flüchtlinge bezahlt werden.

Die Idee des Pfandraisings ist nicht neu. Zahlreiche gemeinnützige Projekte setzen auf Flaschensammelaktionen. Auch in Leipzig gab es ein ähnliches Projekt, das 495,19 Euro für die Hilfsorganisation 'Ingenieure ohne Grenzen' gesammelt hat. Am Rhein-Maas Gymnasium in Aachen steht sogar ein fest installierter Automat, der die gespendeten Pfandflaschen der Schüler sammelt. Mit dem Geld werden Jugendliche in Burkina Faso unterstützt.

Neu an der Idee ist aber, dass mit dem Geld Flüchtlinge unterstützt werden. Außerdem will Krämling, dass sich das Projekt dauerhaft etabliert. "Wir sind auch einmalig in Wuppertal", sagt sie. Wenn es hier funktioniert könnten auch andere Städte mitmachen. Doch warum ist es überhaupt notwendig, dass die engagierte Studentin Geld für Deutschkurse auftreibt?

Rund 4.000 Flüchtlinge sind laut Angaben der Stadt zurzeit in Wuppertal untergebracht. Doch längst nicht alle können sofort einen Deutschkurs machen. "Flüchtlinge, die noch keine Anerkennung ihrer Anträge haben bzw. deren Anträge nicht anerkannt wurden, deren Aufenthalt aber weiter geduldet wird, haben nach Zuwanderungsgesetz keinen Anspruch auf einen Sprachkurs", erklärt Martina Eckermann von der Stadt Wuppertal. Nur diejenigen, die einen Aufenthaltstitel haben, machen einen sechsmonatigen Pflicht-Kurs, so die Sprecherin.

Alle anderen Flüchtlinge müssten sich selbst um das Deutschlernen kümmern und selbst die Kosten dafür übernehmen, schreibt auch die Organisation 'Pro Asyl' auf ihrer Internetseite. "Einen Kurs können viele nicht bezahlen. Zum Teil springen daher die Kommunen und Ehrenamtliche ein, für manche gibt es zudem einen Zugang zu Kursen aus EU-Mitteln", so die Organisation. Aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge heißt es, dass demnächst auch Integrationskurse für Asylsuchende mit "guter Bleibeperspektive" geöffnet werden sollen. "Die Modalitäten werden zur Zeit erarbeitet", teilt eine Sprecherin mit.

Bis es soweit ist, bleiben Asylsuchende im laufenden Verfahren auf ehrenamtliche Hilfe angewiesen. Damit Flüchtlinge ohne anerkannte Asylanträge in der Zeit ihres Aufenthaltes überhaupt Zugang zu Deutschunterricht hätten, sei ehrenamtliches Engagement in Wuppertal dringend notwendig, gibt auch Eckermann zu.

Genau hier will Krämling mit ihrem Pilotprojekt ansetzten. Denn wenn ein Flüchtling in Deutschland Asyl beantragt, können je nach Herkunftsland Monate oder sogar Jahre vergehen, bis der Antrag genehmigt wird. Um sich zu integrieren ist es aber wichtig, so schnell wie möglich die Sprache zu lernen. "Die Wartenden sind isoliert und alleingelassen. Darum wollen wir mit den Sprachkursen eine Orientierung bieten und den Menschen das Gefühl geben, aufgenommen zu sein", sagt Politikwissenschaftler Lorberg.

Mit dem gesammelten Geld sollen grundlegende Deutschkurse unterstützt werden, die in Umfeld der Uni bereits ehrenamtlich angeboten werden. Außerdem soll durch Praktika und Workshops für engagierte Germanistikstudenten und eine Einbindung der kompetenten Stellen der Universität ein spezielles Programm entstehen. Das Geld, erklärt Lorberg, soll möglichst effizient eingesetzt werden. "Wir wollen zunächst dort etwas dazu geben, wo gerade Geld fehlt, mittelfristig aber ein zusätzliches und kostenfreies Angebot auf professionellem Niveau verwirklichen."

Krämling hofft auf tatkräftige Unterstützung. "Ich habe schon mit ganz vielen Leuten über die Idee gesprochen", erzählt sie. Bis jetzt wären alle begeistert von dem Projekt gewesen und hätten ihre Hilfe zugesagt. Ein Freund hilft ihr beim Design der Logos und Werbematerialien, andere Bekannte wollten das Projekt auch in ihren Heimatstädten umsetzen oder helfen bei der Verbreitung.

Zu Semesterbeginn will Krämling mit dem Pfandraising dann so richtig durchstarten. Mit Plakaten sollen die Wuppertaler Studenten auf das Angebot aufmerksam gemacht werden. Außerdem will die Soziologiestudentin noch einen Sammelcontainer auf dem Campus aufstellen und auch Pfandraising-Partys sind geplant. Feiern mit gutem Gewissen sozusagen. So könnten ein paar Hundert Euro im Monat zusammen kommen, hoffen Krämling und Lorberg. Je mehr die Wuppertaler Studenten feiern, desto besser.