JA zur Reithalle St.Gallen
Sowohl die Initiative "Reithalle für die Kultur" sowie der Gegenvorschlag vom Stadtparlament wurden äusserst knapp abgelehnt. Es ist Zeit, den Anspruch der Initiative erneut zu betonen und deren Legitimität zu begründen. So entscheidet nun am 28. September 2014 das St.Galler Stimmvolk wie die zukünftige Nutzung der Reithalle St.Gallen aussehen soll.
Ende der achtziger Jahre definierte die Stadt St.Gallen die Reithalle als Raum zur gemeinsamen Nutzung von Kultur und Reitsport. Die Reithalle hätte explizit auch für kommerzielle Veranstaltungen geöffnet werden sollen. Dies erwies sich jedoch – nicht wegen baulichen Mängeln, sondern wegen der Parallelnutzung mit dem Reitsport – als unmöglich.
Es ist unser zentrales Anliegen, der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, nach mehr als zwanzig Jahren erneut darüber abzustimmen und zu entscheiden, ob die momentane Nutzung noch zeitgemäss und sinnvoll ist. Zudem ist die Halle sanierungsbedürftig. Egal zu welchem Zweck sie in Zukunft genutzt wird, darüber soll das Stimmvolk entscheiden und nicht der Stadtrat. Die Initiative ist ein Impuls für eine neue Diskussion über die Reithalle und deren Nutzung.
Deshalb sagen wir am 28. September 2014 JA:
- Der Stadtrat hat bereits 2009 bestätigt, dass der Region St.Gallen ein Veranstaltungsort für 1’000 Leute fehlt, der von einem breiten Pubdtkum belebt werden kann.
- Die Reithalle ist zu gross, um nur von 120 Personen genutzt zu werden.
- Grössere Konzerte, Festivals, Events, etc. gehören in die Stadt und nicht nach Herisau, Gossau oder Rorschach.
- Die Reithalle muss ohnehin demnächst saniert werden.
- Veranstaltungen dieser Grössenordnung sind nicht auf Subventionen angewiesen.
Über die Fakten
Die Reithalle an der Kreuzbleiche ist ein "Zentrum für den Reitsport und für die Kultur", heisst es seit 1997 im Städtischen Reglement. Die Realität sieht anders aus. Es wird vorwiegend voltigiert. Bis auf einige Konzerte im alten Jahrhundert (u. a. Die Ärzte, DJ Bobo und Sugar Hill Gang) gab es kaum Kulturanlässe in der Reithalle. Die vorhandene Infrastruktur sowie die Akustik entsprechen schlicht nicht den notwendigen Anforderungen.
Eine Interpellation erinnerte 2009 an dieses Versprechen. Sie wirbelte etwas Staub auf, mehr aber nicht. Letzten April forderten wir vom Initiativkomitee "Reithalle für die Kultur" deshalb einen Umbau-Kredit, um die Halle wie ursprünglich vorgesehen auch für Konzerte, kulturelle Grossveranstaltungen und Vereinszwecke nutzen zu können. Die Reithalle ist ohnehin sanierungsbedürftig und soll nun für Anlässe in der Grössenordnung bis zu 1’000 Personen umgebaut werden. Dies sehen auch die 1’172 Unterzeichnenden der Initiative so.
Nein, sagte der Stadtrat und lehnte die Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Aufgrund der Finanzlage seien die geschätzten Umbaukosten von 5 bis 7 Millionen "nicht zu verantworten", zudem sei eine Doppelnutzung unmöglich. Dasselbe befürchten auch die Reiterinnen. Sie müssten sich möglicherweise nach einer Alternative ausserhalb des Stadtzentrums umsehen. Daraufhin formulierten wir selber einen Gegenvorschlag.
Daraus ist schliesslich eine Motion der GPK entstanden. So sollte neu anstelle der Reithalle ein gleichwertiger Ersatz für die Kultur geschaffen werden. Unser Gegenvorschlag verlangte innert 3 bis 5 Jahren eine Alternative vom Stadtrat. Dies mittels Umbau eines bestehenden Gebäudes oder wenn nötig mit einem Neubau an einem alternativen Standort.
Nun haben die St.Gallerinnen und St.Galler am 28. September 2014 das letzte Wort. Der Gegenvorschlag wurde vom Stadtparlament mit 30 Nein-, 28 Ja-Stimmen und einer Enthaltung äusserst knapp abgelehnt. Eine Alternative steht damit für den Moment nicht mehr zur Debatte. Abgestimmt wird nur über eine allfällige Nutzung der Reithalle für Veranstaltungen aller Art.
Über den demokratischen Prozess
Die Reithalle ist eine städtische Liegenschaft und unterliegt dem städtischen Reglement (sRS 251.3). Daraus ergibt sich, gestützt auf Artikel 136 des Gemeindegesetzes vom 23. August 1979 (in Kraft getreten auf den 1. Oktober 1997), dass die Reithalle an der Militärstrasse zur kulturellen Nutzung und für Veranstaltungen aller Art ausgeschrieben ist. Die Reithalle umfasst nicht nur die grosse Halle, sondern auch die Ateliers für Kulturschaffende sowie die Proberäume für Musikgruppen. Die städtische Liegenschaft wird explizit als Zentrum für den Reitsport und für Veranstaltungen definiert.
Faktisch ist die Nutzung der Reithalle für Veranstaltungen nicht, oder nur unter extrem aufwendigen Massnahmen, möglich. Die heutige Nutzung widerspricht also in der Praxis dem städtischen Reglement. Dies ist nicht nur aus rechtlicher Sicht problematisch. Auch die vom Stadtrat der Bevölkerung versprochene Doppelnutzung hat sich als impraktikabel und nicht durchführbar erwiesen. Es ist deshalb dringend notwendig, die Diskussion über eine realistische Nutzung der Reithalle zu führen.
Aus unserer Sicht kann sich der Anspruchs des Reitclubs St.Gallen nicht alleine dadurch legitimieren, dass in der Halle wegen infrastrukturellen Mängel in den letzten zwanzig Jahren fast ausschliesslich Reitsport und keine Veranstaltungen stattfanden. Die Halle wurde vom Militär bewusst als Veranstaltungshalle und nicht exklusiv als Reithalle konzipiert. Die Nutzung muss deshalb auf einer neutralen und unvoreingenommenen Basis neu verhandelt werden.
Hinzu kommt, dass die Halle sanierungsbedürftig ist. Egal zu welchem Zweck die Halle in Zukunft genutzt werden soll: darüber soll das Stimmvolk entscheiden und nicht der Stadtrat.
Über die Raum-Situation in St.Gallen für Veranstaltungen
Im Kulturkonzept von 2009 hielt der Stadtrat (in ähnlicher Besetzung) fest, dass in St.Gallen nach wie vor ein Raum mittlerer Grösse fehle. Er konkretisierte dies sogar insofern, dass eine entsprechende Nutzung der Reithalle in hohem Masse wünschenswert wäre und dadurch eine Art Veranstaltungsmeile auf der Achse Lokremise, Palace, Grabenhalle entstehen könnte. Der Wunsch nach einer kulturellen Nutzung ist also der zweifelhaften Erkenntnis gewichen, dass die Nachfrage nach Konzerten und Veranstaltungen dieser Grössenordnung in der Stadt St.Gallen begrenzt sei, ebenso das Bedürfnis der Vereine oder anderer Veranstalter nach anderen Sälen.
Mit dem Wegfall des Ekkehard- und Schützengartensaals klafft in St.Gallen ein grosses Loch in der Verfügbarkeit von mittelgrossen Hallen zur kulturellen Nutzung. Weder kleinere Veranstaltungsorte (Talhof, Flon, Grabenhalle, Kugl, Palace, Lokremise) noch grössere (Stadttheater, Tonhalle, Olma-Hallen) vermögen diese Lücke zu schliessen. Die kleineren Räume kommen wegen der beschränkten Platzzahl nicht in Frage. Orte wie das Stadttheater oder die Olma-Hallen kommen wegen ihrer beschränkten Verfügbarkeit für externe Veranstalter und wegen sehr hohen Raummieten für externe Veranstalter nicht in Frage. Zudem sind die Olma-Hallen und die Tonhalle "leere Hallen", die jeweils von Grund auf mit Ton- und Lichttechnik ausgestattet werden müssten. Die Reithalle würde die Möglichkeit bieten, eine gewisse Infrastruktur fix zu installieren.
Vergleichbare oder sogar kleinere Städte wie Thun oder Solothurn beweisen die Nachfrage für Veranstaltungen dieser Grössenordnung klar. Die Argumentation der Gegenseite, das Bedürfnis nicht anzuerkennen oder auf kleinere Lokalitäten zu verweisen, entpuppt sich als politisches Kalkül zur weiteren Sicherung der Alleinnutzung der Reithalle. Wir vom Abstimmungskomitee sind davon überzeugt, dass die Nachfrage ausgewiesen ist. Nicht umsonst finden sich im Komitee zahlreiche VeranstalterInnen, die ein solches Bedürfnis belegen und genügend Erfahrung mitbringen.
St.Gallen ist weit herum die einzige Gemeinde, die nicht über einen Saal in dieser Grösse verfügt, der für Events, Kultur und Vereine zur Verfügung steht. Für die selbsterklärte "Hauptstadt der Ostschweiz" ist dies ein Armutszeugnis.
Über die Alternative für den Reitsport
Entgegen den Behauptungen war es nie die Absicht der Initiative, einem Traditionsverein wie dem RCSG die Existenzgrundlage zu entziehen und ihn samt Voltigegruppe auf die Strasse zu stellen. Auch stellt die Initiative keinesfalls den Wert und den kulturellen Anspruch des Reitsports in Frage.
Mehrere Gründe sprechen jedoch dafür, eine für den Reitsport geeignete Alternative zu suchen. Die Stadt St.Gallen plant, die Halle nach den anstehenden Sanierungen als Kalthalle zu nutzen. Dies kann keine befriedigende Situation für den Reitclub sein. Vielmehr könnte die Stadt bei der Raumsuche für den Reitsport behilflich sein und eine Lösung am Stadtrand oder ausserhalb der Stadt anstreben. Die Frage muss zudem erlaubt sein, ob es nicht sinnvoller wäre, auch den Pferden zuliebe, Training und die Pferdehaltung besser zu verbinden. Momentan ist dies mit den Transporten ins Stadtinnere nicht der Fall.
Der Reitsport beharrt weiterhin auf dem alleinigen Anspruch auf die Reithalle. Dies ist nicht nur aus reglementstechnischer Hinsicht problematisch. Denn die Auslastung durch den Reitsport mit 120 aktiven Voltigiererinnen muss kritisch hinterfragt werden.
Die Infrastruktur, welche der Pferdesport benötigt, verhindert ganz grundsätzlich eine Doppelnutzung. So sind der Aufwand für einen Umbau und der Pferdegeruch für Veranstaltungen unüberwindbare Hindernisse.
Über eine mögliche Nutzung der Halle
Bei Veranstaltungen in der Grössenordnung der Reithalle geht es um profitable Anlässe, die nicht mehr auf Subventionen angewiesen sind. Dies haben wir als Initiantinnen und Initianten stets betont. Beispiele von wirtschaftlich funktionierenden Veranstaltungslokalitäten mit einer ähnlichen Infrastruktur gibt es in anderen Städten genügend.
Wir fordern, dass der nötige Baukredit zur Umnutzung in eine professionelle Kultur- und Eventlokalität gesprochen wird. Wer danach die Betriebsgruppe stellt, bzw. was für ein Konzept in der Reithalle zum Tragen kommen würde, liegt in den Händen der Stadt St.Gallen und steht somit noch in den Sternen. Trotzdem haben wir Ideen und Vorstellungen wie denn eine Nutzung aussehen könnte:
Bands wie Seeed, Archive, Zaz, Kosheen, Tocotronic, Bonobo, Yann Tiersen, Züri West, Stephan Eicher, Gentleman, Jan Delay, Bonaparte, Woodkid, William Fitzsimmons, Angus and Julia Stone, Rodrigo y Gabriela, Buena Vista Social Club, Angélique Kidjo, Maceo Parker, Sophie Hunger, Parov Stelar, Comedians wie Ursus und Nadeschkin, Helge Schneider, Stermann und Grissemann, Hagen Rether oder Josef Hader sind Beispiele für mögliche Veranstaltungen, welche der Grösse der Halle gerecht würden. Aber auch Musikvereine (von Guggenmusik bis Blasmusik), freie Theaterszenen, Kunstausstellungen, Conventions oder Vereinsanlässe, könnten neu einen Platz in der Reithalle finden.
Über eine Bereicherung der Stadt St.Gallen
St.Gallen will in Zukunft weiter wachsen. Dafür sind Standortvorteile in allen Bereichen notwendig. St.Gallen gilt im Rest der Schweiz immer noch als steif und langweilig – das muss nicht sein. Die Nutzung der Reithalle als Veranstaltungsort bietet eine optimale Möglichkeit, dass St.Gallen in Zukunft wieder vermehrt als Kulturstadt wahrgenommen wird. Mit ihrer Lage reiht sie sich perfekt in die vom Stadtpräsidenten einst proklamierte Veranstaltungsmeile von Kastanienhof über Lokremise bis hin zu Palace und Grabenhalle ein.
Deshalb sagen wir am 28. September 2014 "JA zur Reithalle St.Gallen"