Volkswagenwerk in Brasilien in Sao Bernardo | Bildquelle: REUTERS

Vorwürfe gegen VW in Brasilien Volkswagen und die Junta

Stand: 19.03.2015 02:36 Uhr

Hat VW während der brasilianischen Militärdikatur gemeinsame Sache mit der Junta gemacht? Ein neuer Bericht des Parlaments rückt vor allem den Sicherheitsdienst des Werkes bei Sao Paulo in kein gutes Licht, sogar von Folter ist die Rede. VW reagierte inzwischen.

Von Julio Segador, ARD-Hörfunkstudio Südamerika

Lucio Bellentani erinnert sich noch genau an diese eine Nachtschicht 1972 im VW-Werk in Sao Bernardo, unweit von Sao Paulo. Der Werkzeugmacher reparierte gerade eine Presse, es war kurz vor Mitternacht: "Ich arbeite da also, plötzlich spüre ich im Rücken einen Gewehrlauf. Ich drehe mich um und sehe einen Agenten vom Geheimdienst mit einem Maschinengewehr. Gleich daneben lehnt an einer Säule Coronel Rudge. In der Hand hielt er einen Revolver."

Adhemar Rudge, der Mann mit dem Revolver, war Sicherheitschef im VW-Werk. Die Arbeiter nannten den ehemaligen Militär nur Coronel - Oberst.

"Folter in der VW-Personalabteilung"

Als erstes habe er einen Schlag ins Gesicht bekommen, erinnert sich Bellentani. Ob er sich nicht schäme, hätten die Angreifer wissen wollen. "Dann folgte ein Schlag in den Magen, Tritte. Sie folterten mich mitten in der VW-Personalabteilung. Dann brachten sie mich in die Geheimdienstzentrale."

Bellentani arbeitete zwischen 1964 und 1972 bei VW. Er war heimlich Mitglied der kommunistischen Partei und organisierte innerhalb des Werkes Gewerkschaftstreffen. Er habe nicht damit gerechnet, dass VW mit dem Militärregime, das alle Linksgerichteten unnachgiebig bekämpfte, gemeinsame Sache machte, sagt Bellentani. Nach seiner Festnahme wurde der VW-Arbeiter acht Monate lang gefoltert, dann steckten die Schergen der Diktatur ihn noch ein Jahr ins Gefängnis.

Bellentanis These, dass Volkswagen in Brasilien während der Militärdiktatur zwischen 1964 und 1985 eng mit der Junta kooperierte und Regimegegner auslieferte, wird nun auch durch den Bericht der Wahrheitskommission des Landesparlamentes Sao Paulo gestützt. Die dort protokollierten Anhörungen ehemaliger VW-Mitarbeiter werfen ein fragwürdiges Licht auf das brasilianische Werk des deutschen Autobauers.

VW-Sicherheitsdienst verhaftete Arbeiter

Im Unternehmen habe eine penible, professionell aufgezogene Bewachung der Arbeiter durch mit Schlagstöcken bewaffnete Wachmänner stattgefunden, berichten Bellentani und ehemalige Kollegen.

Auch Adriano Diogo, der Vorsitzende der Wahrheitskommission, lässt kein gutes Haar an VW. Viele Leute seien vom VW-Sicherheitsdienst verhaftet worden. Die Wachdienste hätten meist Militärs unterstanden und seien Teil des Repressionssystems gewesen. "Der private Sicherheitsdienst von Volkswagen war Teil des politischen Überwachungssystems." VW soll an die Militärs auch die Kennzeichen von Gewerkschaftsfunktionären und Informationen über deren persönliche Lebensgewohnheiten weitergereicht haben.

Es sind schwerwiegende Vorwürfe - auf die VW inzwischen reagiert. Das Unternehmen bedauere in höchstem Maße, dass den Betroffenen unter Beteiligung von VW-Mitarbeitern Leid zugefügt wurde, heißt es in einer Konzernerklärung. Volkswagen werde auf die Betroffenen zugehen und vorbehaltlos untersuchen, wer für die Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sei.

Bellentani geht es nicht um Rache, wenn er jetzt mit seinen Vorwürfen an die Öffentlichkeit geht. Es habe auf beiden Seiten Opfer gegeben, sagt er. Wichtig sei aber, dass die Wahrheit endlich bekannt werde.

Die Rolle von VW während der Militärdiktatur
J. Segador, ARD Buenos Aires
19.03.2015 01:51 Uhr

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