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Schäfchen

Eine Schutzzone, keine Schutzzone - Abzählreime auf Kölsch

Fotohinweis: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

So schnell geht Wende in Köln:

„Die Idee der Oberbürgermeisterin Henriette Reker, den Dom in der Silvesternacht durch einen Zaun vor Raketen und Böllern zu schützen, dürfte wohl kaum verwirklicht werden. Zu groß ist der Widerstand im Stadtrat, eher verhalten die Unterstützung der Polizei.“

So zu lesen in der Papier-Samstagsausgabe des Kölner Stadtanzeigers, 17.9.2016, zweite Lokalseite.

Die Betonung liegt auf: „eher verhalten die Unterstützung der Polizei“.

Am 15. September ist im Lokalteil des Kölner Stadtanzeigers als Überschrift zu lesen: „Auch Reker will die Schutzzone“. Also war die Idee zwei Tage zuvor noch nicht ihre eigene gewesen. Oder sie ist es erst zwei Tage später geworden. Oder der Stadtanzeiger hat es erst zwei Tage später so benannt.

Am 14. September noch hieß es im Kölner Stadtanzeiger, das Papier sei ein Konzept der Polizei: „Das Diskussionspapier der Kölner Polizei sieht vor, dass bestimmte Verhaltensweisen künftig rund um die Kathedrale verboten sein sollen und die Einhaltung auch kontrolliert werden soll.“
www.ksta.de/koeln/koelner-dom-rek…

Noch konkreter war die Quelle im Kölner Stadtanzeiger benannt worden am 13. September:
„Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Mittwoch-Ausgabe) berichtet, liegt Oberbürgermeisterin Henriette Reker der Entwurf für eine „Schutzzone Dom“ des Kölner Polizeipräsidenten Jürgen Mathies vor.“
www.ksta.de/koeln/nach-vorfaellen…
Hier haben wir wohl – ganz nebenbei bemerkt - den journalistisch einzigartigen Fall, dass eine Tageszeitung sich selbst zitiert, als ob es eine andere Tageszeitung wäre. Schizophrenie? Multiple Persönlichkeit? Oder einfach nur verschiedene Autoren? Oder dem Umstand geschuldet, dass die Online-Ausgabe eigene Wege geht?

Aber zurück zum Eigentlichen:
Wer also nun hatte die Idee zur Schutzzone? Die Oberbürgermeisterin? Der Polizeipräsident? Die Polizei – die ihren eigenen Vorschlag seltsamerweise nur verhalten unterstützt? Und wer untergräbt hier warum wessen Ideen? Die Nachrichtenlage in ein und demselben Medium ist wechselhaft. Das wird wohl kaum nur die Schuld des Kölner Stadtanzeigers sein – möglicherweise aber ein Zeichen durchorganisierter Planlosigkeit in Köln. Oder planvoller Unorganisiertheit. Oder Ausdruck einer Kampagne, die da ungeschrieben lautet: Der neue Polizeipräsident möge der Retter von Köln werden. Nicht nur an Silvester.

Man muss bedenken, dass über Silvester ein alter Polizeipräsident gegen einen neuen Polizeipräsidenten ausgetauscht wurde. Der jetzt, laut Medien und Polizei, alles besser macht. Die Kriminalitätsrate am Bahnhof ist zum Beispiel erheblich gesunken. Schrieb der Stadtanzeiger vor wenigen Tagen. Nein, er schrieb nicht nur – er gestaltete auch. Einen großen Artikel – denn im Gegensatz zum Rest der Welt (na ja, der Vergleich war NRW) war die Kriminalitätsrate in Köln gesunken.
www.ksta.de/koeln/erhoehte-polize…

Neu war die Nachricht auch nicht, allenfalls die Statistik. Schon im Sommer wusste der Kölner Stadtanzeiger zu berichten, dass der Kölner Hauptbahnhof sicherer geworden ist. Nicht nur vom Gefühl, auch die Zahl der Taschendiebstähle sank in einem respektablen Ausmaß. www.ksta.de/koeln/polizeistatisti…

Womit bewiesen war, was hatte bewiesen werden sollen: Mehr Polizeipräsenz = weniger Kriminalität.

Nun hatten wir das alle vorher gewusst, viele vorher gefordert. Auch der alte Polizeipräsident Wolfgang Albers hatte dies mit Sicherheit gewusst. Und gewiss auch gefordert. Nur nicht bewilligt bekommen.

Doch unterm Strich bleibt: Köln wird sicherer. Und der neue Polizeipräsident hatte eine gute Idee, die in Wirklichkeit von Henriette Reker ist. Oder die jetzt Henriette Reker in die Schuhe geschoben wird, weil man in Köln doch keine freie Oberbürgermeisterin will. Und weil man in Köln doch eher keinen Zaun um den Dom will. Ist ja peinlich. Und so wenig weltoffen.

Aus dem Papierstadtanzeiger von Samstag: „Eine Absprerrung rund um die Kathedrale ,sei das völlig falsche Signal’, findet SPD-Fraktionschef Martin Börschel. ,Wir sind eine tolerante, weltoffene Stadt und dürfen uns nicht aus Angst die Freiheit nehmen lassen. Ein Zaun ist nicht das Symbol unserer offenen Gesellschaft.“

Ja, wir sind weltoffen. So weltoffen, dass jeder den Dom anpinkeln darf. Von außen ganz gewiss – und von innen ganz bestimmt auch.

Und das Fazit: Die Kölner sind auf der Suche nach der Quadratur des Kreises. Ein sichere, weltoffene Stadt mit Dom, in der niemand eine Einschränkung hinnehmen muss. Das Ei des Kolumbus. Wenn wir das nur fänden. 9 Monate nach der Silvesternacht sind die Kölner weder willens noch in der Lage, Konsequenzen zu ziehen. Es kreißte der Berg und gebar einen Zwerg.

Aber: Wir haben schon einen Retter und weniger Taschendiebstähle. Wenn das nicht nix ist!

Ach wenn die Heinzelmännchen doch nur ihren beleidigten Dickkopf ablegen könnten! Sie wüssten bestimmt Rat und Hilfe – und haben es von ihrem Denkmal ja auch nicht weit zum Kölner Dom.

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Tina 13
"Trotz des erhöhten Polizeiaufgebots versammelten sich große Gruppen von Nordafrikanern im Zentrum Kölns, um offenbar wieder zuzuschlagen, die rechtlichen Konsequenzen aus der Silvesternacht 2015 wurden wohl als Einladung aufgefasst, es erneut zu versuchen. Die bisherige Bilanz für Köln, die Wahrheit dürfte ein paar Tage später erfolgen: Zwei Sexualdelikte, sechs Festnahmen und hunderte Platzverweise, Polizei kontrollierte rund 1.700 Personen vorwiegend arabischen Aussehens am Kölner … [More]
Schäfchen
@elisabethvonthüringen hier dann der Bericht:

"Trotz der angekündigten Maßnahmen kamen auch dieses Jahr am Silvesterabend Hunderte Personen nordafrikanischer Herkunft in das Kölner Zentrum. Schon gegen 21.30 hatten Einsatzkräfte eine Gruppe von rund 1000 Menschen am Hauptbahnhof ins Visier genommen, eingekesselt und zur Rückseite des Bahnhofs am Breslauer Platz geleitet, wo Personalien aufgenommen wurden.
Nennenswerte Vorfälle oder Festnahmen an dieser Stelle wurden jedoch nicht vermeldet. … [More]
elisabethvonthüringen
Aha...1000 Polizisten werden was tun (müssen)?? Ich denke, die Domplatte wird zum Jahrestag nicht in einem Gedenklichtermeer versinken, einige Schaulustige Katastrophentouristen werden erwartungsvoll der Dinge harren und am "Tag danach" wird es heißen : "Guat is gongen-nix is g'scheg'n" !!
Schäfchen
Nun ist ausgezählt, Konzept geht klar, Schutzzone heißt: Brusthohe Gitter, durch die man noch gucken kann - und Ordnungsamt und Polizei kontrollieren Einlass in Schutzzone (und damit auch Dom), Meldungen überall, hier nur die Welt:
www.welt.de/…/1000-Polizisten…
Eremitin
normalerweise ist jedes Böllern in der Nähe von Kirchen,klöstern, Krankenhäusern, Kindereinrichtungen ,Altenheimen doch strikt verboten, jedenfalls bei mir in Hessen...Zuwiderhandlungen werden bestraft, das klappte bei uns gut.
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MisterX
"Es kreißte der Berg und gebar einen Zwerg." Wie passend, dieses alte persische Sprichwort.. Wie passend für die ganze wichtigtuerische Politkaste der aufgeregten Moderne.
Danke für diesen wunderbar geschriebenen Artikel.
In der Sache geht der Vorschlag der Polizei in die richtige Richtung. Es bedarf Personalaufwandes, um ohne Zaun Ordnung zu halten und allein dies ist der Domstatt* angemessen. Ideal wären eigene, wenig uniformierte Ordner - also Domplatten-Ordner, die aufpassen und Delinquente… [More]
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Schäfchen
Rechtschreibwitz: Schutzzone, Schutzzohne, Schutz-ohne
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