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Revolution in Bayern > Sauerlach
Sauerlach
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Am 18. April 1919, es war Karfreitag, stand gegen 9.00 Uhr ein Extrazug aus München vor Sauerlach. 54 Personen, teils uniformiert, teils in Zivil, stiegen aus. Die Männer waren bewaffnet, jeder hatte ein Militärgewehr und mehrere führten Handgranaten mit sich. Außerdem hatten sie zwei schwere, zwei leichte sowie einige Hand- Maschinen-Gewehre bei sich.

Die Ortschaft wurde umstellt, die schweren Maschinengewehre vor dem Haus des Bürgermeisters und gegenüber der Gendarmeriestation in Stellung gebracht. Der Anführer Hans Strasser, Adjutant der Bahnhofskommandantur München, begab sich mit zwei Rotgardisten in die Wohnung des Bürgermeisters. Er erklärte, der Kommandantur sei gemeldet worden, dass in Sauerlach Lebensmittel zurückgehalten würden und er beauftragt sei nach Lebensmitteln und Waffen zu suchen und diese zu beschlagnahmen. Daraufhin wurde Bürgermeister Joseph Beil zur Gendarmeriestation eskortiert. Dort legitimierte sich Strasser und erklärte, dass er zu vorgenannten Diensthandlungen beauftragt sei. Er bestand auf der Ablieferung aller Waffen abgeliefert, ebenso entbehrlicher Lebensmittel. Falls dieser Aufforderung nicht nachgekommen würde, werde man Haussuchungen vornehmen. Sollte dabei auch nur ein Schuss fallen oder sonst Widerstand geleistet werden, wird Waffengewalt angewendet und der Bürgermeister sofort als Geisel mitgenommen.

Auf der Gendarmeriestation versuchte Wachtmeister Michael Kain vergeblich telefonisch und telegrafisch von der Bahnhofskommandantur eine Bestätigung der Rechtmäßigkeit dieser Aktion zu erhalten, die Kommandantur antwortete nicht. Bürgermeister Beil ließ nun durch den Gemeindediener Kastenmüller amtlich bekannt machen, dass alle Waffen abzuliefern seien. Die Einwohner versammelten sich vor der Kirche und protestierten. Mit der Begründung, dass die Zeiten unsicher und Plünderungen an der Tagesordnung seien, weigerten sie sich ihre Waffen herauszugeben. Bürgermeister Beil mahnte zu Ruhe und Besonnenheit, er erklärte, dass die Gemeinde in Bezug auf Ablieferungen vorbildlich sei, der Wachtmeister bestätigte das. Georg Stiegler, ein Sauerlacher Bürger, versuchte zu vermitteln und schlug folgenden Kompromiss vor: Die Gardisten verzichten auf Waffen und die Einwohner finden dafür die Herren mit Eiern ab. Schließlich einigte man sich auf diese Lösung. Auf die Frage des Bürgermeisters und wer bezahlt die gelieferten Eier? erklärte Strasser, dass die Rechnung für die 496 Eier von der Bahnhofskommandantur bezahlt würde. Auf das Geld warten die Sauerlacher jedoch noch heute.

Während der Verhandlungen gingen zwei Rotgardisten in die Sakristei der nahen Kirche und verlangten vom Pfarrer das Läuten der Glocken. Den Revolutionären war bekannt, dass zum Begräbnis des am 22. Februar ermordeten Ministerpräsidenten Kurt Eisner trotz behördlicher Anordnung in Sauerlach die Kirchenglocken geschwiegen hatten. Der als resolut bekannte Ortsgeistliche Lorenz Strobl weigerte sich mit dem Hinweis, dass am Karfreitag in Sauerlach noch nie die Glocken geläutet hätten. Also zogen die beiden Revolutionäre selbst die Glockenstränge und auf diese Weise wurde dem toten Ministerpräsidenten auch in Sauerlach die letzte Ehre erwiesen.

Vor ihrer Abreise kehrten die Rotarmisten im Bahnhofsrestaurant ein, um zu prüfen, ob die Eier frisch seien. Dort boten sie die Maschinengewehre den Sauerlachern zum Kauf an. Bürgermeister Beil lehnte ab. Gegen 14.00 Uhr verließen die Revolutionäre mit dem Extrazug wieder das Dorf. Nachdem Lastautos mit Rotgardisten mit hoher Geschwindigkeit nachts durch die Ortschaft fuhren, wurden Nachtwachen eingerichtet (Michael Kain, Wachtmeister, Bericht der Gendarmeriestation Sauerlach an das Bezirksamt Wolfratshausen, 18. April 1919, BayHStA, ASR 30).Nachforschungen im Gemeinde-Archiv Sauerlach ergaben keinen Hinweis, dass es hier zur Bildung von Räten gekommen wäre. Laut Sitzungsprotokoll des Gemeinderats vom 29. November 1918 sahen die Gemeindeväter keine Notwendigkeit einen Sicherheitsausschuss oder eine Bürgerwehr ins Leben zu rufen, da im Ort eine Gendarmeriestation existierte, die im Bedarfsfall durch heimkehrende Soldaten verstärkt werden sollte (Gemeinde-Archiv Sauerlach, Archiv Sauerlach, B 024/9, S 14).

In Sauerlach kam es nach dem Vorfall aber offenbar zur Gründung einer Einwohnerwehr, noch ehe diese paramilitärischen Kampfverbände offiziell am 17. Mai 1920 aufgestellt wurden. Nach dem Sitzungsprotokoll des Gemeinderats vom 12. März 1920 wurden die Kosten für Schießübungen der Sauerlacher Wehr aus der Gemeindekasse bestritten (Gemeinde-Archiv Sauerlach, Archiv Sauerlach, B 024/ 10, S 18).

Literatur: Hartmann, Peter Claus: Bayerns Weg in die Gegenwart. Vom Stammesherzogtum zum Freistaat, 2004, S. 473; Löschinger, Reinhold: Sauerlach, das Tor zum Bayerischen Oberland, Heimatbuch, hg. vom Förderverein Heimatfreunde Sauerlach e.V., 2000, S. 237 f.

Text: Reinhold Löschinger, Sauerlach