Badische Landesbibliothek - Blick in die Kuppel des Lesesaals
   



Einladung zum Vortrag

Vom markgräflichen Sammeleifer zur staatlichen Erwerbungspolitik. Zur Geschichte der Badischen Landesbibliothek.

Vortrag von Dr. Peter Michael Ehrle, Waldbronn
Eine Veranstaltung im Rahmen der Vortragsreihe "200 Jahre Baden - Freiheit verbindet"

Donnerstag, 28. September 2006, 19.30 Uhr
Vortragssaal der Badischen Landesbibliothek
- Eintritt frei -

Plakat zur Veranstaltung (Format:PDF - Größe:281 kbyte)

Die Badische Landesbibliothek ist 1918 aus der Großherzoglichen Hof- und Landesbibliothek hervorgegangen. Das in ihr erhaltene älteste Zeugnis markgräflichen Buchbesitzes ist das um 1490 in Paris entstandene Stundenbuch des Markgrafen Christoph I. von Baden (reg. 1475-1515).

Bild aus dem Stundenbuch Christophs I. von Baden
Stundenbuch des Markgrafen Christoph I. von Baden.
Paris, um 1490. Badische Landesbibliothek, Cod. Durlach 1, Blatt 95v-96r
Faksimile und Kommentar: Stundenbuch des Markgrafen Christoph I. von Baden


Die ursprünglich in der Stiftskirche in Pforzheim aufbewahrte markgräfliche Bibliothek wurde 1522 durch eine Schenkung des Humanisten Johannes Reuchlin (1455-1522) um wertvolle hebräische und griechische Handschriften und Inkunabeln bereichert.

Traktat des babylonischen Talmud
Traktat des babylonischen Talmud
Badische Landesbibliothek, Cod. Reuchlin 2, Blatt 96v
Niederschrift des Codex zwischen 1400 und 1450.
Der Talmud (hebräisch: Belehrung, Studium) ist ein wichtiges Schriftwerk des Judentums. Er liegt in zwei großen Ausgaben vor. Nach Umfang und inhaltlichem Gewicht ist der Babylonische Talmud das bedeutendere Werk. Er entstand in den jüdischen Siedlungsgebieten, die nach der Zerstörung Jerusalems durch die Römer in Persien auf dem Gebiet des heutigen Irak existierten.


Durch die Teilung der Herrschaft in die ernestinische und bernhardinische Linie wurde die Bibliothek 1535 zwischen Pforzheim und Baden-Baden aufgeteilt. 1565 verlegte Markgraf Karl II. (reg. 1552-1577) seine Residenz von Pforzheim nach Durlach, wo die Bibliothek in der Karlsburg untergebracht wurde.

Stundenbuch der Markgräfin von Brandenburg
Gebetbuch der Markgräfin Susanna von Brandenburg-Ansbach-Kulmbach
Narziss Renner, Augsburg, 1520.
Badische Landesbibliothek, Cod. Durlach 2

Das reich mit Miniaturen und Gold ausgestattete Gebetbuch gelangte bereits im Jahrhundert seiner Entstehung in den Familienbesitz der Markgrafen von Baden. Eine Tochter Susannas, Kunigunde, heiratete 1551 den badischen Markgrafen Karl II. Kunigunde wird die prunkvolle Handschrift von ihrer Mutter Susanna geerbt und nach Durlach gebracht haben.

Faksimile und Kommentar: Das deutsche Gebetbuch der Markgräfin von Brandenburg


Die Bibliothek der bernhardinischen Linie wurde bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts in Baden-Baden aufbewahrt. Kurz nach ihrer Überführung ins Rastatter Schloss (um 1767) fiel sie durch das Aussterben der Linie Baden-Baden an den Markgrafen von Baden-Durlach, der sie 1771 mit der seit 1765 in einem Nebengebäude des Karlsruher Schlosses untergebrachten ehemals Durlacher Bibliothek vereinigte. Nach dieser Vereinigung besaß die markgräfliche Bibliothek etwa 20.000 Bände, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts auf 30.000 Bände vermehrt werden konnten.

Obwohl vor allem in 17. Jahrhundert viele Handschriften und Bücher der alten markgräflichen Sammlungen durch kriegsbedingte Verlagerungen nach Straßburg, Basel und andere Orte oder durch direkte Kriegseinwirkungen verloren gingen, haben sich aus diesem Bestand hervorragende Zeugnisse der Buchkunst erhalten.

Blatt vier recto aus dem Prachtexemplar von Rüxners Turnierbuch
Badische Landesbibliothek, 42 C 39 RH

Georg Rüxners Turnierbuch gilt als das berühmteste der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstandenen Turnierbücher. Es erschien zuerst 1530 in Simmern und war dem Pfalzgrafen Johann II. von Pfalz-Simmern gewidmet.
Prachtexemplar von Rüxners Turnierbuch


Als 1803 nach dem Reichsdeputationshauptschluss die Klöster und geistlichen Fürstentümer aufgehoben wurden, erhielt die Hofbibliothek der seit 1806 zu Großherzögen erhobenen badischen Herrscher das Recht der ersten Auswahl. Die Übernahme säkularisierten Besitzes aus insgesamt 27 Bibliotheken zog sich bis 1822 hin. An erster Stelle der neu erworbenen Zimelien sind die Handschriften der Reichenau zu nennen.

Gesta Witigowonis
Widmungsbild der "Gesta Witigowonis" des Purchard von Reichenau [Reichenau, Ende des 10. Jahrhunderts]
Badische Landesbibliothek, Cod. Aug. perg. 205, Bl. 72r
Eine Biographie Witigowos, der von 985-997 Abt des Klosters Reichenau war, befindet sich in der Badischen Landesbibliothek. Diese "Gesta Witigowonis" verfasste der Dichter Purchard von Reichenau zur Feier des zehnjährigen Abtsjubiläums Witigowos im Jahr 995.
Im Zentrum des Widmungsbildes thront die Muttergottes mit dem Christuskind auf dem Schoß. Rechts neben ihr ist Witigowo zu sehen, links der Klostergründer Pirmin, der mit einem Heiligenschein gekennzeichnet ist. Beide sind durch die Bogeninschrift identifiziert. Neben Pirmin treten die Mönche heran. Vor dem Thron kniet mit einer Dedikationsgeste der sich selbst "bäuerischer Dichter" ("rusticus poeta") nennende Purchard und blickt zur personifizierten Reichenau ("augia") auf. Diese trägt die schwere Last der von Witigowo erbauten Kirchen, welche die Szene einrahmen, auf den Schultern. An der Miniatur ist besonders deutlich zu sehen, wie vielfältig und umfangreich einmal die sakrale Architektur auf der Klosterinsel gewesen war.


Cod. Aug. perg. 16, Bl. 32r, Lektionar
Lektionar
[Reichenau, 2. Drittel des 10. Jahrhunderts]
Badische Landesbibliothek
Cod. Aug. perg. 16, Bl. 32r

Mit dieser H-Initiale beginnt die erste, von Fulgentius (467-533), Bischof von Ruspe, verfasste Lesung des Stephanstags (26. Dezember): "Heri celebravimus ...".

Den linken, hohen Schaft der in Gold und Blau gehaltenen Initiale bildet ein Reiher. Der große Ansatz des H nach rechts ist mit Flechtwerkknoten und Akanthusblättern gefüllt. Im Binnenfeld breitet sich eine große goldene Kelchblüte auf blauem Grund mit Akanthusblättern im Zentrum aus.

Die Initialen dieses Codex leiten die Blütezeit der ottonischen Buchmalerei auf der Reichenau ein und hängen stilistisch von der St. Galler Buchillustration des 9. Jahrhunderts ab.


Lektionar
[Reichenau, 2. Drittel des 10. Jahrhunderts]
Badische Landesbibliothek
Cod. Aug. perg. 16, Bl. 166r

Diese P-Initiale stellt den Beginn der dritten Lesung zum Fest Johannes' des Täufers (24. Juni) dar, die vom Kirchenlehrer und Schriftsteller Beda (672/73-735) geschrieben wurde: "Praecursor hic domini ...".

Der Schaft ist mit goldenen Lilien auf blauem Grund geschmückt. Der runde Buchstabenstamm des P ist am Schaft verknotet und mit goldenem Flechtwerk, ebenfalls auf blauem Grund, dekoriert. Das Binnenfeld wird von einer breiten, symmetrischen Ranke gefüllt. Aus allen Verknotungen wie auch aus den Endstellen wachsen Staubgefäße und blaue Blüten an dünnen roten Stielen.
Cod. Aug. perg. 16, Bl. 166r, Lektionar


Auch der Zugang aus dem Benediktinerkloster St. Peter im Schwarzwald brachte erlesene Bücherschätze in die Hofbibliothek.

Evangelistar aus St. Peter
Evangelistar
aus St. Peter

(um 1200)
Badische Landesbibliothek, Cod. St. Peter perg 7,
Blatt 10v

Diese Prachthandschrift war im Unterschied zu anderen Evangelistaren nicht für den täglichen Gebrauch bestimmt. Sie umfasst nur die Lesestücke für die zwölf hohen Feste des Kirchenjahres.

Faksimile und Kommentar:
Das Evangelistar aus St. Peter


Raimundus Lullus
Raimundus Lullus, Thomas le Myésier: Electorium parvum seu breviculum (nach 1321)
Badische Landesbibliothek, Cod. St. Peter perg 92, Blatt 12r
Der Mallorquiner Ramon Llull (1232-1316) - lateinisch: Raimundus Lullus - verfasste als Philosoph, Theologe und Universalgelehrter etwa 270 Werke in altkatalanischer und lateinischer Sprache. Er fasziniert noch heute durch seine ungewöhnliche Biographie und seine enorme literarische Produktivität.
Faksimile und Kommentar: Electorium parvum seu breviculum


Weitere hervorragende Zimelien kamen vor allem aus den Bibliotheken von St. Blasien und St. Georgen sowie aus der Bibliothek des Hochstifts Speyer.

Evangelistar
von Speyer
(um 1220)
Badische Landesbibliothek,
Cod. Bruchsal 1,
Blatt 1v

Die Handschrift besitzt ungewöhnlich reichen, von mehreren Künstlern ausgeführten Buchschmuck: 17 Vollbilder und 72 bedeutende Initialen von großem Formenreichtum. Die erste Miniatur "Maiestas Domini" zeigt den feierlich thronenden Christus. Auf die Ecken des Rahmens sind die vier Evangelistenbilder verteilt.

Faksimile und Kommentar:
Das Evangelistar des Speyerer Domes
Evangelistar von Speyer


Die Großherzogliche Hofbibliothek wurde 1872 aus der Hofverwaltung gelöst und dem badischen Innenministerium unterstellt. Durch diese "Verstaatlichung" wurde auch der Aufgabenbereich der neuen Großherzoglichen Hof- und Landesbibliothek erweitert. Fortan sollte sie nicht mehr nur den Bewohnern Karlsruhes, sondern allen Landesbewohnern "in freiester Weise" zur Verfügung stehen. Der neu berufene Direktor Wilhelm Brambach (1841-1932) modernisierte die Bibliotheksverwaltung und ließ Bücherverzeichnisse und Neuerwerbungslisten drucken. Bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand (1904) stieg der Bibliotheksbestand auf 182.000 Bände an.

Nach dem Ende der Monarchie (1918) wurde die Großherzogliche Hof- und Landesbibliothek in Badische Landesbibliothek umbenannt und dem Kultusministerium unterstellt. Die wirtschaftlichen Probleme der Weimarer Republik wirkten sich sehr nachteilig auf die weitere Entwicklung der Bibliothek aus. In der Nacht vom 2. auf 3. September 1942 wurde das Sammlungsgebäude am Friedrichsplatz, in dem die Bibliothek seit 1873 untergebracht war, bei einem Luftangriff auf Karlsruhe zerstört. Die Bibliothek verlor mit 360.000 Bänden fast ihren gesamten Besitz. Nur die zu Kriegsbeginn 1939 ausgelagerten Handschriften, Inkunabeln und alten Drucke sowie weitere 2.700 Drucke blieben erhalten.

In der Nachkriegszeit erfolgte der Wiederaufbau der Bibliothek, die 1991 ihr derzeitiges Gebäude in der Erbprinzenstraße beziehen konnte. Heute verfügt die Bibliothek über etwa 2,2 Millionen Bände. Vor allem in den Jahren 1994 bis 2001 wurde der Altbestand der Bibliothek um kostbare Neuzugänge bereichert. 1994 erhielt sie eine hervorragende Sammlung deutscher Handschriften des Mittelalters aus der Fürstenbergischen Hofbibliothek in Donaueschingen.

Traktat des babylonischen Talmud
Des Teufels Netz
Bodenseeraum, 1441.
Cod. Donaueschingen 113

"Des Teufels Netz" ist eine um 1414-1420 im Bodenseeraum entstandene geistliche Lehrdichtung. Im Rahmen eines Dialogs verrät der Teufel einem frommen Einsiedler, mit welchen Schlichen er die Menschen in seinem großen Netz einfängt.


1995 konnte die Kulturstiftung Baden-Württemberg mit Unterstützung der Badischen Bibliotheksgesellschaft und anderer Spender die Schlossbibliothek Baden-Baden erwerben.

Johann Peter Hebel: Allemannische Gedichte, Karlsruhe 1803
Hebel, Johann Peter Allemannische Gedichte : für Freunde ländlicher Natur und Sitten. - Erstausgabe. - Carlsruhe : Macklot, 1803. - VIII, 232 S.; mit 4 Musikbeilagen. Handexemplar mit Korrekturzeichen und Eintragungen von Johann Peter Hebel.
Badische Landesbibliothek, 98 B 76169 RH (Schlossbibliothek Baden-Baden)


1999 folgte ebenfalls mit Unterstützung der Badischen Bibliotheksgesellschaft der Ankauf der Donaueschinger Musikaliensammlung durch die Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg. In der Sammlung sind ein Brief Mozarts und Partituren seiner Opern sowie der Nachlass des Komponisten Johann Wenzel Kalliwoda enthalten.

Brief aus Wien vom 8. August 1786: W. A. Mozart bietet Sebastian Winter seine 'Neuesten geburten' an
In einem Brief aus Wien vom 8. August 1786 bietet Wolfgang Amadeus Mozart (1756 - 1791) dem Hof in Donaueschingen seine "Neuesten geburten" an. Auf dem Zettel sind insgesamt 12 Musikincipits (Anfänge von Musikstücken) verzeichnet, u.a. von vier Sinfonien, fünf Klavierkonzerten und von Kammermusik aus den Jahren 1779 bis 1786. Die nicht durchgestrichenen Kompositionen wurden in Abschriften bestellt und sind zum größten Teil in der Donaueschinger Musikaliensammlung erhalten.


2001 folgte schließlich die Krönung der Erwerbungen. Die Landesbank Baden-Württemberg kaufte mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Bundesrepublik Deutschland und der Familie Laßberg die Handschrift C des Nibelungenlieds, und das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg übergab die Handschrift der Badischen Landesbibliothek zur Aufbewahrung.

Nibelungen-Handschrift (C)
Nibelungen-Handschrift (C). Badische Landesbibliothek, Hs. Don. 63. Die Handschrift ist der älteste Textzeuge des um 1200 entstandenen, aber auf ältere mündliche Traditionen zurückgehenden Nibelungenliedes. Sie wurde im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts im Südwesten des deutschsprachigen Raumes niedergeschrieben.
Seit 2001 befindet sich der berühmte Codex im Bestand der Badischen Landesbibliothek als Leihgabe der Landesbank Baden-Württemberg.
Faksimile und Kommentar: Das Nibelungenlied und die Klage


Neben ihren Handschriften, Inkunabeln und alten Drucken besitzt die Badische Landesbibliothek auch hervorragende Sammlungen von Musikalien und alten Landkarten sowie bedeutende Nachlässe (u.a. Reinhold Schneider, Alfred Mombert, Leopold Ziegler, Alexander von Bernus).

Der Vortrag beschreibt die Entwicklung der Badischen Landesbibliothek von einer fürstlichen Büchersammlung zu einer der größten deutschen Regionalbibliotheken, wobei ihre Bestandsgeschichte im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Einige der schönsten Zimelien werden in Bildern gezeigt.

Dr. Peter Michael Ehrle ist seit 1994 Direktor der Badischen Landesbibliothek und Geschäftsführer der Badischen Bibliotheksgesellschaft e.V.


Zu dieser Veranstaltung laden wir Sie und Ihre Freunde sehr herzlich ein!

Landesvereinigung Baden in Europa
Arbeitsgemeinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein
Badische Bibliotheksgesellschaft
Badische Landesbibliothek

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