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  • 3. Dezember 2006, 09:26, NZZ Online

    Die Könige von St. Moritz

    Die Könige von St. Moritz

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    Sie besitzen Hotels und Bergbahnen und sind die grössten Grundbesitzer vor Ort. Die Niarchos-Familie und ihre kostspielige Liebe zum Engadin.

    Es ist wieder so weit. In St. Moritz ist die Skisaison eröffnet, bald werden sie wieder alle kommen, die exklusiven Winter-Einwohner des Skiorts, der sich hartnäckig «Top of the World» nennt. Mit den Flick, von Opel, Burda, Onassis und Thyssen werden auch zwei unauffällige Brüder anreisen, die in St. Moritz kaum jemand auf der Strasse erkennt, deren Name im Engadin aber allen ein Begriff ist. Ein Name, der meist nur Lob im Stil von «eine grosszügige Familie» oder «nette Leute» und nur ganz gelegentlich ein nachdenkliches «reiche arme Familie» auslöst: der der Brüder Niarchos.

    Philip und Spyros Niarchos, 52 und 50 Jahre alt, gehören seit ihrer Kindheit nach St. Moritz. Hier fahren sie seit Jahrzehnten Ski - in der Hochsaison auch schon einmal umgeben von dreissig weiteren Milliardären. Das Engadin ist ein Stück Heimat für die Weltbürger, seit der Vater, der legendäre griechische Reeder Stavros Niarchos, in den fünfziger Jahren in St. Moritz - wie andere zugewanderte Superreiche - zu investieren begann.

    Doch der Bergort St. Moritz und der Name Niarchos, das wurde eine besondere Liebesgeschichte, die tiefer ging und über Jahrzehnte hinweg nie ihre Intensität verloren hat. Mitte der fünfziger Jahre gründete Stavros Niarchos die Luftseilbahnen auf Corvatsch und Piz Nair. 1970 schnappte er dem Club Med das Kulm-Hotel weg - seitdem gilt Niarchos als Retter der St. Moritzer Luxushotellerie.

    Wer hat sie vergessen, die Schwarzweissfotos aus seinen stürmischen Engadiner Skitagen? Die begehrten Reederstöchter Eugenia und Athina Livanos, die beide Niarchos' Ehefrauen wurden, stapften abwechslungsweise neben ihm durch den Schnee. «Buy and build big», lautete Stavros Niachros' Philosophie im Reedereigeschäft. 1952 baute er - zeitgleich mit seinem lebenslangen Rivalen Aristoteles Onassis - seinen ersten Tanker, bereit, Rekordmengen von Erdöl über die Weltmeere zu verschiffen. Schnell florierte das Geschäft, die Suezkrise 1956 verschaffte Niarchos grossartige Einnahmen. Er stieg zum grössten privaten Tankerflotten-Besitzer auf, 80 Schiffe fuhren in den besten Zeiten unter seinem Namen. Gesellschaftlich gesehen wurde Stavros Niarchos selber zu so etwas wie einem Supertanker. Mit seiner steten Anwesenheit bei den wilden St. Moritzer Partys und seiner wiederholten Hochzeiten wegen war er in den Klatschspalten über Jahrzehnte nicht mehr zu übersehen.

    Doch seine Kinder pflegen heute einen ganz anderen Stil. Weitab vom Rampenlicht haben sich Philip, Spyros und deren jüngere Schwester Maria ihren Platz zum Leben gesucht. Von den Niarchos-Geschwistern existiert kaum eine neuere Foto, geschweige denn ein Interview. Fast unbemerkt von der einheimischen Bevölkerung verbringen sie mit ihren Familien einen nicht kleinen Teil des Jahres in ihren Villen in St. Moritz.

    Dabei sind sie, nachdem der berühmte Vater 1996 in Zürich gestorben ist, nicht nur Erben. Philip und Spyros Niarchos sind heute die grössten privaten Grundbesitzer in St. Moritz. Als Mehrheitsaktionäre der Grand-Hotels Engadinerkulm AG besitzen sie das bekannte Fünfsternehotel Kulm. Auf dem Hotelgelände befinden sich der legendäre Cresta Run, die Bobbahn und auch der Dracula-Club, den Gunter Sachs 1974 gegen die damals noch ab und an aufkommende Langeweile im ehemaligen Bauerndorf gegründet hat. Zur Gesellschaft gehören des Weiteren Wohnungen, Geschäfte, Tennis- und Eislaufplätze, ein Golfplatz und viel Grundbesitz mit grossen Baulandreserven. Schon mit den 240 Hotelangestellten zählen Philip und Spyros Niarchos zu den wichtigsten Arbeitgebern im ganzen Kanton Graubünden. Vor zwei Jahren kauften die Brüder noch den denkmalgeschützten «Kronenhof» im benachbarten Pontresina dazu. «30 Millionen Franken werden wir dort bis Ende nächsten Jahres investieren», sagt Heinz Hunkeler, der ehemalige «Kulm»-Direktor, der heute im Verwaltungsrat der AG sitzt.

    Doch die Investitionslust der Niarchos-Familie hört nicht in St. Moritz auf. Man begegnet ihr auch im Rest des Kantons Graubünden, wenn auch in anderer Form. Bei caritativen Veranstaltungen wird der Familie immer wieder gedankt, ob es nun Kirchenrenovierungen oder Spitalfinanzierungen sind. «In diesem Jahr war ich bei drei Einweihungen von Projekten, die unsere Stiftung gesponsert hat», erzählt der Aargauer Steuerexperte Kurt Arnold. Seit drei Jahren ist er Mitglied des Stiftungsrates der Stavros Niarchos Foundation, die in Athen, Monte Carlo, New York und London Büros unterhält und seit der Gründung 1996 die durchaus beeindruckende Summe von 266,5 Millionen Dollar auf über tausend verschiedenste Projekte verteilt hat.

    Immer ein Zimmer

    Im Frühjahr dieses Jahres wurde in Graubünden die abgeschlossene Renovierung der St.-Ulrich-Kapelle des zum Unesco-Weltkulturerbe erklärten Klosters St. Johann in Müstair gefeiert, die von der Niarchos-Stiftung finanziert wurde. Ende Juni fand in der ebenfalls mit einem grosszügigen Niarchos- Beitrag restaurierten Burg Riom die Premiere eines romanischen Theaterstückes statt. Bereits Anfang 2000 beschenkte die Stiftung den Kanton Graubünden mit einem Fonds von 5 Millionen Franken, «für Projekte kleinerer Dimension», wie es Kurt Arnold nennt.

    Stavros Niarchos liebte das Engadin so sehr, dass er das Spital in Samedan schon zu Lebzeiten mit einer eigenen Stiftung bedachte: Die meisten Neuanschaffungen werden bis heute aus diesem Fonds bezahlt. Dafür soll für die Niarchos-Familie dort immer ein Zimmer bereit sein, erzählt man in St. Moritz. Den Vorzug, den die Bündner bei der Projektvergabe auch im Stiftungsrat der weltweit tätigen Stavros Niarchos Foundation geniessen, versucht Kurt Arnold gar nicht erst herunterzuspielen: «Die Niarchos-Brüder leben an vielen Orten der Welt. Aber die Vorliebe für St. Moritz und Graubünden ist auch dieser Generation der Familie erhalten geblieben», sagt er.

    Kurt Arnold kennt die Niarchos- Brüder seit zwanzig Jahren. In regelmässigen Telefonkonferenzen und bei vier Treffen im Jahr berät er sich mit ihnen und den vier anderen Stiftungsräten über die Projekte, die es weltweit zu beurteilen gilt. Obwohl der Schwerpunkt der Stiftung auf Griechenland liegt - in Athen wollen die Niarchos- Brüder dem Vater in den kommenden Jahren sein grösstes Denkmal setzen und den geplanten Bau einer Stavros- Niarchos-Nationalbibliothek und eines -Nationaltheaters finanzieren -, wurden auch in der restlichen Schweiz zahlreiche Projekte finanziert: Ein Online-Lexikon mit Begriffen aus dem Altertum zählte ebenso dazu wie das Drogenentzugs-Projekt «Terra Vecchia» im Tessin. Im Frühjahr 2008 wird die Niarchos-Stiftung im Antikenmuseum in Basel als Hauptsponsor einer Ausstellung über das Werk Homers auftreten. «Es ist eine schöne Aufgabe, bei solchen Veranstaltungen im Namen der Stiftung dabei sein zu können», sagt Kurt Arnold und fügt schmunzelnd hinzu: «Die Rolle des Wohltäters ist immer eine angenehme.»

    Manchmal jedoch lässt Kurt Arnold bei Veranstaltungen, an denen er die Stiftung vertritt, rätselnde Zuschauer zurück. Für wen er genau spricht, wenn er «die Niarchos-Familie» sagt, ist selbst in Graubünden nicht allen klar, so zurückgezogen leben Philip, Spyros und Maria Niarchos. Keiner der Angestellten spricht über die Familie, und wenn es jemand doch tut, dann nur äusserst vorsichtig. «Sie wollen weder mit ihrem Vermögen noch mit ihrer Herkunft protzen, sondern ihre Einstellung durch ihre Arbeit zeigen», sagt Kurt Arnold. Und Heinz Hunkeler, der noch für Stavros Niarchos selbst das Hotel Kulm dreissig Jahre lang als Direktor geführt hat, rechtfertigt die Publikumsscheu der Familie so: «Schon der Vater war nicht der Typ, der in die Stammkneipe ging und sich auf die Schulter klopfen liess.»

    So viel ist zumindest bekannt: Reeder sind Philip und Spyros Niarchos keine mehr. Die letzten Schiffe verkauften sie vor zwei Jahren. Heute konzentriert sich ihre Firmengruppe auf Finanzoperationen, dem Beispiel Stavros Niarchos' folgend, der nach der Ölkrise Anfang der siebziger Jahre immer stärker vom Reeder zum Investor wurde. «Philip befasst sich intensiv mit Kunst, Spyros ist mehr der Geschäftsmann», sagt Kurt Arnold. Philip Niarchos ist in New York und London als ein Mäzen bekannt, der einem unbekannten Künstler über Nacht zu Berühmtheit verhelfen oder dessen Nachruhm sichern kann - so wie er es 1998 tat, als er Jean-Michel Basquiats «Selbstporträt» für den unerwartet hohen Preis von etwa 7,7 Millionen Franken kaufte und damit die familiäre Kunstsammlung um ein weiteres Juwel aufstockte.

    Als Stavros Niarchos starb, soll er seinen vier Kindern - der Ehe mit Charlotte Ford entstammte noch eine Tochter - 3 Milliarden Franken hinterlassen haben. Ein Vermögen, das der Familie nicht immer viel Glück brachte. Ähnlich dem Schicksal der Onassis, Agnelli und Kennedy war auch das Leben der Niarchos-Familie von Tragödien überschattet: 1999 starb der jüngste Sohn Constantine im Alter von nur 37 Jahren an einer Überdosis Kokain - zwei Wochen zuvor hatte er noch als erster Grieche den Mount Everest bestiegen.

    Constantine Niarchos habe es nie verwunden, dass seine Mutter Eugenia unter mysteriösen Umständen gestorben sei, als er acht Jahre alt war, und die Presse damals spekuliert habe, sein Vater Stavros Niarchos habe sie umgebracht. Das zumindest schreibt die italienische Prinzessin Alessandra Borghese, die vierzehn Monate lang mit Constantine Niarchos verheiratet war, in ihrem Buch «Con occhi nuovi» (Mit neuen Augen).

    Paris Hilton als Freundin

    Im Clan der Niarchos ist inzwischen auch die dritte Generation erwachsen geworden. Und das Prinzip des radikalen Rückzugs aus der Öffentlichkeit, an das sich die zweite Niarchos-Generation gehalten hat, scheint die dritte nicht mehr einhalten zu wollen. Insbesondere Philip Niarchos' älterer Sohn, der 21-jährige Stavros, sorgt seit einem Jahr für Schlagzeilen.

    Ausgerechnet die Hotelerbin Paris Hilton hat sich der Filmstudent der University of Southern California in Los Angeles als Freundin ausgesucht - was seiner Familie zutiefst missfällt. Der bekannte PR-Agent Brian Quintana behauptet, von der Familie Niarchos beauftragt worden zu sein, die Hotelerbin von Stavros junior fernzuhalten. «Welche Eltern wären schon glücklich, ihren Sohn mit Paris Hilton in der Presse zu sehen», sagt Kurt Arnold. Doch in den USA mehren sich Vermutungen, Paris Hilton und Stavros Niarchos III. hätten die Affäre nur inszeniert, um sich ins Gespräch zu bringen. Den jungen Stavros, ein begeisterter Kite- Surfer, scheint der Klatsch wenig zu kümmern. Er zelebriert sein Leben weiter in aller Öffentlichkeit. Fast wie der Grossvater: «Buy and build big.»

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