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  • 27. September 2007

    Ein unwillkommener Gast

    Ein unwillkommener Gast

    Der Auftritt des iranischen Präsidenten an der Columbia University

    Erleuchtet oder verblendet? Mahmud Ahmadinejad in New York Erleuchtet oder verblendet? Mahmud Ahmadinejad in New York (Bild: Reuters)
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    Ist die freie Rede ein unantastbares Gut, das man auch Diktatoren, Terroristen und der Verbrechen gegen die Menschenrechte Schuldigen gewähren soll? Die durchaus nicht nur akademische Frage bringt die diffizilen Implikationen, die der Auftritt des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad letzten Montag beim «World Leaders Forum» der Columbia University in New York mit sich brachte, auf den Punkt. Die Entscheidung, den Holocaust-Leugner noch vor seinem Auftritt bei der Generalversammlung der Uno an der renommierten Universität zum Dialog einzuladen, war nicht nur bei jüdischen Gruppen auf scharfen Protest gestossen. Im ganzen Land wurden – via Internet – Demonstrationen organisiert. Gemessen an den erwarteten zehntausend Teilnehmern nahm sich der Chor der Empörten rund um den Campus am Montagmittag dann beinahe schütter aus. «Shame on Columbia», stand auf den Schildern, «Hitler ist zurück» und «Ahmadine Jihad». Einige boten gar ihr an der Columbia erlangtes Diplom zu symbolischen Schleuderpreisen feil.

    Historischer Augenblick?

    «The Evil Has Landed», titelte das Revolverblatt «Daily News». In Anbetracht des Umstands, dass das Böse mitten im Schoss der Alma Mater gelandet war, nahm sich die Atmosphäre auf dem Campus freilich geradezu fröhlich aus. An die dreitausend Studenten lagerten mit Lunchpaketen und Softdrinks auf der Wiese vor einer riesigen Videoleinwand, auf der die Rede von Ahmadinejad aus der Lerner Hall übertragen wurde; das Gelände der Uni war für Nicht-Studenten gesperrt. Obschon Gegner des Auftritts eifrig Schilder schwenkten, der Rasen mit Flugblättern übersät und eine Phalanx der einschlägigen Zitate von Ahmadinejad an den Wänden plakatiert war, herrschte die gelöste Stimmung eines Happenings. Nicht wenige der Studenten waren erklärtermassen «stolz, Teil eines historischen Augenblicks» zu sein.

    Der Präsident der Universität Lee C. Bollinger hatte den schon in der Einführung scharf attackierten «engstirnigen und grausamen Diktator» im Rahmen eines Forschungsjahres über Iran eingeladen, um damit «die Souveränität demokratischer Institutionen» und den Primat der freien Rede zu demonstrieren. Zugleich sollten die Studenten sich einen persönlichen Eindruck von dem propagandistischen Redestil des iranischen Präsidenten machen können. Allein, der harsche Angriff, mit dem der unter Beschuss geratene Bollinger den Gast bei der Begrüssung als schuldig der Verbrechen gegen die Menschenrechte und dessen Äusserungen über den Holocaust als «entweder schamlos provozierend oder erstaunlich ungebildet» anprangerte, zeitigte einen paradoxen Effekt. Obschon diese Einführung die signifikanten Fragen prägnant und ohne Umschweife ansprach, wirkte sie zugleich wie ein Rehabilitierungsversuch in eigener Sache. Als Bollinger dem Gast dann auch noch «die intellektuelle Courage» absprach, auf seine Fragen überhaupt eine adäquate Antwort geben zu können, fiel diese Bescheinigung der kommunikativen Inkompetenz natürlich auf die Einladung selbst zurück – warum hatte er ihn dann aufs Podium gebeten?

    Die Attacke verhalf dem Diktator bei manchen Zuhörern sogar zu einem Sympathiebonus. Den nutzte er weidlich aus, um seine Propaganda gegen die USA, seine Infragestellung des Holocaust und seine kuriosen Thesen zu Wissenschaft und Religion in einer mit frommen Floskeln und blumigen Metaphern gespickten Suada auszubreiten. «Eine krude Mischung aus dem Koran und Heidegger», nannte Mark Lilla, Professor für Philosophie und Politik an der theologischen Fakultät der Columbia University, Ahmadinejads Auslassungen zur Wissenschaft. Laut Ahmadinejad fördert alle Forschung, die «der Wahrheit dient», nur das zutage, was der Allmächtige den von ihm höchstselbst Erwählten enthüllt. Für Lilla, dessen soeben erschienenes Buch über die Wiederkehr der politischen Theologie auf der Weltbühne («The Stillborn God. Religion, Politics and the Modern West», Knopf Publishing Group) in den USA derzeit für Aufsehen sorgt, bot diese Rede «hochinteressantes Anschauungsmaterial für die Art und Weise, wie eine streng religiöse Denkweise funktioniert».

    Absurde Performance

    Es spricht manches dafür, diesen Auftritt, wie Lilla meint, auch als «eine Art absurde Performance» anzusehen, eine Darbietung überdies, die den iranischen Präsidenten mehrfach der Lächerlichkeit preisgab. Für Gelächter jedenfalls hat Ahmadinejad besonders mit einem Statement gesorgt. Gefragt, warum die Homosexuellen in seinem Land mit dem Tode bedroht werden, sagte der Präsident: «Es gibt in Iran keine Homosexuellen. Ich weiss nicht, wer Ihnen das erzählt hat.»

    Vielleicht ist diese Einladung ja nur ein weiteres Beispiel für die Überschätzung, die der Westen dem iranischen Präsidenten schenkt. Wie die «New York Times» in einem Bericht aus Teheran schreibt, sind Politologen in der arabischen Welt eher brüskiert über die – den wahren Machtverhältnissen nicht angemessene – Aufmerksamkeit, die Ahmadinejad mit seinen Verbalattacken erzeugt. Die Einladung an die Columbia University verschafft ihm jedenfalls einmal mehr eine internationale Beachtung, die seiner Bedeutung im eigenen Land, wo die Entscheidungen vom Revolutionsführer Khamenei und vom Wächterrat getroffen werden, offenbar nicht entspricht. Im Namen der Redefreiheit würde er sogar Hitler einladen, liess Lee C. Bollinger wissen. Die richtige Antwort auf diese Äusserung stand auf einem Flugblatt: «Schade, dass bin Ladin nicht zur Verfügung stand.»


    Andrea Köhler


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