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Stadtrat kastriert sich selber

Referat von Luzius Theiler zur Eintretesdebatte 1. Lesung

Es liegt im Trend unserer Zeit, dass Parlamente gegenüber Exrkutive, Verwaltung und parastaatlichen Institutionen an Einfluss verlieren-

Seit meiner ersten Zeit im Stadtrat haben wir u.a unsere Entscheidungskompetenzen über die Spitäler, die Städtischen Verkehrsbetriebe, die Schulen und die Polizei an den Kanton, die Entscheidungen über das Bauwesen und die Liegenschaftspolitik an die StaBe und an den Boden und Wohnbaufonds verloren. Der Bärenpark lässt grüssen.

Umso mehr müsste der Stadtrat bei der Revision seiner Geschäftsordnung versuchen, einen Teil seines verlorenen Einflusses zurückzuerobern. Doch die Lustlosigkeit der BAK (vorberatende Kommission) und des Ratsbüros an dieser Geschäftsreglements-Revision ist von weitem sichtbar. Nach zweijähriger „Arbeit“ (oder besser Umeblöterle) ist es so spät, dass es ungewiss ist, ob eine seriöse Diskussion in dieser Legislaturperiode noch möglich ist. Zudem wurde das Geschäft auf die erste Sitzung nach den Ferien ohne Ansetzung eines vorherigen Termins zur Einreichung der Anträge traktandiert, so dass wir heute vor einem Berg sich teils widersprechender, teils ergänzender Anträge stehen, die wir aus dem Stand aus beurteilen sollten.

Die in Fragen der Grundrechte, der Kontrollrechte und der parlamentarischen Rechte fortschrittliche Kantonsverfassung von 1993,(man hat die Lehre aus der Finanzaffäre der 80iger Jahre gezogen), insbesondere Art.17 mit dem darauf abgestützen Öffentlichkeitsprinzip im Informationsgesetz (das auch für die Gemeinden gilt) und Art. 83.mit den ausgebauten Antragsrechten des Grossen Rates ausformuliert im Grossratsgesetz waren zum Teil wegleitend für die Gemeindeordnung-Revision von 1998 und darauf abgestützt die GR-Revision von 2002.

Die BAK-Vorlage, die wir jetzt diskutieren, ist ein Rückschritt, besonders was die beiden absolut zentralen Rechte des Parlamentes anbetrifft:

- Die Einsichtsrechte und
- die Antragsrechte.

Statt selbstbewusst im Rahmen des übergeordneten Rechtes die Rechte des Parlamentes weiter auszubauen und die Grenzen auszuloten, geht der BAK-Entwurf in defensiver unterwürfiger Art von der schlechtestmöglichen Interpretation des übergeordneten Rechtes aus indem z.B. auf Art. 35 des Informationsgesetzes verwiesen wird, wo es heisse, Kommissionsprotokolle seien nicht öffentlich, was so nicht stimmt: Den Gemeinden ist es freigestellt, Kommissionsprotokolle (und auch Gemeinderatsprotokolle!) öffentlich zugänglich zu machen.

Es wäre heute an uns, diese verfassungsmässig vorgesehenen Rechte und Möglichkeiten auszunützen und auszureizen. Die GPB-DA Anträge wie auch erfreulicherweise einige Anträge von anderen Seiten sind Versuche dazu.

Ernüchterndes Schlussergebnis

Das Schlussergenis nach der 2. Lesung ist völlig unbefriedigend. Nicht nur sind praktisch alle Anträge auf Erweiterung der parlamentarischen Rechte - auch solche, die in der 1. Lesung noch eine Mehrheit fanden - abgelehnt worden, auch bisher geltende Regelungen wurden noch verschlechtert. Einige Beispiele:

  • Der Stadtrat kann seine eigene Traktandenliste nicht mehr selber bestimmen,
  • der Stadtrat kann nicht mehr über die Dringlichkeit von Vorstössen bestimmen, auch diese Befugnis wurde endgültig dem Büro überlassen (weil dieses im Unterschied zum Rat nicht "politisch entscheide"...),
  • vom Gemeinderat verabschiedete Geschäfte können weiterhin monatelang bis zur Traktandierung verschleppt werden und sind dan zum Zeitpunkt der Diskussion im Rat gar nicht mehr aktuell,
  • ein Stadtratsmitglied hat weiterhin kein garantiertes Einsichtsrecht in die Protokolle der Kommissionen
  • und schliesslich ein Relikt aus vordemokratischen und neu-putin-demokratischen Zeiten: die Öffentlichkeit kann im "Staatsinteresse" von den Stadtratssitzungen ausgeschlossen werden!