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STILBRUCH
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Do 11.04.13 22:15

Neues Buch

"Ach du dickes B. Eine Berliner Pleitengeschichte."

Der BER-Flughafen ist nicht das einzige Großprojekt, mit dem sich Berlin blamiert hat. Ob Tasmania 1900, gescheiterte Olympia-Pläne oder das Riesenrad am Zoo: Die Berliner haben schon häufig Großprojekte in den märkischen Sand gesetzt. Eine Kulturgeschichte.

Ein Kanzler beschließt eine U-Bahn - und gräbt der Stadt ein Millionengrab. Weil der Bund es vertraglich so bestimmt hatte, kam Berlin aus der U-Bahnnummer 55 nicht mehr heraus, so sehr es der Bürgermeister auch wollte.

320 Millionen Euro für drei Stationen - Weltrekord, meint die Autorin Cornelia Tomerius.

Cornelia Tomerius, Buchautorin

"Das war ein großer Superlativ, diese ganze Strecke, weil sie war die kürzeste U-Bahnstrecke Deutschlands, die aufwändigste, die teuerste und auch die umstrittenste."


Ob eine absurd teure U-Bahn, immer wieder ausfallende S-Bahnen oder ein Riesenrad, das für viel Geld am Ende nicht gebaut wurde: das Buch "Ach du dickes B" beweist, dass das Flughafen-Desaster aus historisch-kritischer Perspektive eigentlich unvermeidlich war.

Cornelia Tomerius, Buchautorin
"Da habe ich angefangen mir die Geschichte anzuschauen. Und das Spannende war, dass man, sobald man sich damit beschäftigt, merkt, dass bereits am Anfang der Geschichte von Berlin als Weltstadt eine wunderschöne Pleite steckt. Das ist auch so ein Prototyp der Berlin-Pleite, nämlich die verhinderte Weltausstellung von 1896."


"Weltausstellung? Is' nich'" beschied Kaiser Wilhelm seinen Untertanen wörtlich - und fand eine lokale Gewerbeausstellung gut genug. Durch solche Piefigkeit war deren Schicksal schon besiegelt, obwohl die Berliner Kaufleute auf dem Gelände des Treptower Parks zu den Sternen greifen wollten. Mit Paris und London wollte man konkurrieren. Doch anders als der Eiffelturm mussten alle Bauten nach der Schau wieder eingerissen werden. Finanziell rentiert hatte sich das Ganze auch nicht. Das lag schlicht und einfach an der Berliner Luft.

Cornelia Tomerius, Buchautorin

"An 120 von 165 Ausstellungstagen hat es geregnet und die Leute blieben fern. Andererseits war es auch eine Pleite, weil dieser Weltausstellungsanspruch nicht in der Welt wahrgenommen wurde. Die Welt hat darauf nicht freudig reagiert, weil alles, was hier gezeigt wurde, hatte man schon woanders gesehen. Das Einzige, was noch interessierte, war diese aberwitzige Vorgeschichte mit dem Bonmot des Kaisers. Die hatte man wirklich wahrgenommen damals in der Welt."


Wenn die Völker der Welt auf Berlin schauen, erleben sie seither meist Pannen. So auch bei der Olympiabewerbung in den 90ern. Diesmal waren es die Berliner Stunkbürger, die für das Größer-Höher-Weiter-Streben der Stadtoberen keinen Sinn hatten. Und wenn Berlin doch einmal hoch hinaus kam, dann war es asbestverseucht und verschandelt seither als Bauruine die Stadt.

Im subventionsgeschwängerten Westberlin sah so mancher Investor die Gelegenheit, sich mit etwas Mauschelei ein goldenes Näschen zu verdienen. Wie Sigrid Kressmann-Zschach, deren Insolvenz die Stadt Berlin ausbügelte.

Cornelia Tomerius, Buchautorin

"Die schöne Sigi wurde sie auch genannt. Es gab irgendwann die Entdeckung, dass es Hotelrechnungen gab, dass sie mit dem Oberfinanzpräsidenten des Senats, dem Herrn Arlt, zwei Hotelnächte verbracht hatte. Der Herr Arlt konnte sich später leider nicht mehr genau daran erinnern, was sie damals gemacht haben. Aber sie haben offenbar viel geredet. Es ist egal, was sie dort taten, es war auf alle Fälle eine Affäre. Sie hat diese Beziehung genutzt, um den Finanzplan durchzubringen."


Wie die Magnete der Schwebebahn - so haftet dem Berliner Unternehmergeist das Scheitern an. Wo Großmannssucht auf Provinzmanagement trifft, kommt meist auch noch Pech dazu. Bei der M-Bahn war das die Wende. Sie musste nach nur zweiwöchiger Betriebszeit wieder demontiert werden.

Cornelia Tomerius, Buchautorin

"Diese Geschichten haben auch einen großen Unterhaltungswert, es macht viel Spaß. Es ist auch keine ungesunde Art, mit Pleiten umzugehen: einfach darüber zu lachen und etwas Positives darin zu sehen."


In ihrem gewitzten Buch fordert die Autorin am Ende ein Berliner Pleitenmuseum. Dort könnten dann spätere Generationen erfahren, ob die U-Bahn Unter den Linden je ihren Betrieb aufgenommen hat.


Autor: Norbert Kron

Mehr Infos

"Ach du dickes B. Eine Berliner Pleitengeschichte."

Von Cornelia Tomerius
208 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3827011459
Verlag: Berlin Verlag
Preis: 12,99 Euro
Erscheinungstermin: 16.04.2013
[berlinverlag.de]

© Rundfunk Berlin-Brandenburg

http://www.rbb-online.de/stilbruch/archiv/stilbruch_vom_11_04/ach_du_dickes_b_cornelia_tomerius.html

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