Ukraine feiert Unabhängigkeit Parade in Kiew trotz Krieg im Osten
Stand: 24.08.2014 15:02 Uhr
Die Ukraine inszeniert den 23. Jahrestag der Unabhängigkeit mit einer großen Parade in Kiew. Doch unter den Zuschauern der Militärshow sind auch Kritiker. In der Ostukraine werden die Kämpfe mit unverminderter Härte fortgeführt.
Von Ludger Kazmierczak, ARD-Hörfunkstudio Moskau zzt. in Kiew
Anderthalbtausend Soldaten sollen es sein, die hier im Stechschritt über den blau-gelb beflaggten Kreschtschatyk-Boulevard marschieren - eine achtspurige Prachtstraße, die auch am Maidan vorbeiführt. Auf dem grünen Hang oberhalb des Unabhängigkeitsdenkmals beobachten Hunderte Schaulustige die Parade aus der Ferne.
Unter den Zuschauern sind auch ein Dutzend uniformierte Aktivisten, die mit Transparenten daran erinnern, dass hier vor ziemlich genau einem halben Jahr, mehr als 80 Gegner der Regierung Janukowitsch ihr Leben gelassen haben. Sie können dem Militärschauspiel wenig abgewinnen: "Diese Parade findet auf den Gebeinen von Toten statt. Mir gefällt das nicht, und vielen anderen hier auch nicht", sagt einer der Demonstranten. "Das scheint mir eher eine persönliche Parade für den Präsidenten zu sein."
Eine andere Teilnehmerin der Proteste sagt: "Ich sehe die Parade negativ, denn in den Regionen rund um Donezk und Lugansk sterben die Menschen. Der Präsident sollte daran denken und nicht an dieses Fest."
Panzer rollen wie Spielzeugautos über die Straßen
"Wie viele Menschenleben kostet euer Fest?", steht in weißer Schrift auf einer großen schwarzen Fahne, die von heliumgefüllten Luftballons gehalten wird. Ein leiser Protest. Denn während im Herzen der Hauptstadt Panzer wie harmlose Spielzeugautos über die Straße rollen, tobt im Osten des Landes ein echter Krieg.
Kiew feiert 23. Jahrestag der Unabhängigkeit
tagesschau 20:00 Uhr, 24.08.2014, Udo Lielischkies, ARD Moskau, zzt. Kiew
Es ist ein Krieg, den wir nicht wollen, sagt der ukrainische Präsident Petro Poroschenko in seiner Rede. Doch das Land werde sich der Herausforderung stellen - auch militärisch: "Vom Kreschtschatyk aus wird diese Kolonne aus neuen und wiederhergestellten älteren Fahrzeugen direkt in den Donbass fahren, um den Anti-Terror-Einsatz dort zu unterstützen", so Poroschenko. "Bis 2017 werden wir für die Erneuerung unserer Militärtechnik mehr als 40 Milliarden Gryvnja zusätzlich ausgegeben", kündigt der Präsident an. Das sind umgerechnet 2,3 Milliarden Euro.
Geste zur Unterstützung der kämpfenden Soldaten
Nach den Worten der ukrainischen Regierung soll diese Parade aber keine Demonstration militärischer Stärke sein, sondern eine Geste zur Unterstützung der im Osten kämpfenden Soldaten. Unter den Zuschauern am Kreschtschatyk gibt es daher auch viele Befürworter der von zackiger Marschmusik begleiteten Militärshow.
Militärparade zum Unabhängigkeitstag in Kiew
L. Kazmierczak, ARD Moskau, zzt. Kiew
24.08.2014 14:17 Uhr
"Einen so starken Patriotismus haben wir in den 23 Jahren unserer Unabhängigkeit noch nie gespürt. Das ist meine Meinung", sagt einer der Zuschauer. Ein anderer ergänzt: "Entweder bekommt man als Land die Souveränität geschenkt oder man muss sie sich erkämpfen. Wir haben sie damals geschenkt bekommen. Da braucht es solche Paraden nicht. Aber jetzt müssen wir für unsere Souveränität kämpfen." Deshalb seien solche Paraden so viel wichtiger als früher.
Rauch und Explosionen in Donezk
Über Kiew strahlt an diesem Sonntag die Sonne. 700 Kilometer weiter östlich in Donezk zieht hingegen ein grauer Rauchschleier durch das Zentrum der Stadt. Bei Explosionen am frühen Morgen sind laut Medienberichten mindestens sieben Wohnhäuser zerstört worden. Auch ein Krankenhaus wurde beschädigt. Und auf dem Leninplatz sollen Aufständische am Nachmittag gefangen genommene Soldaten der ukrainischen Armee öffentlich vorgeführt und gedemütigt haben. Sie seien, so berichten Augenzeugen, von Einwohnern lautstark als Faschisten beschimpft worden.