Stand: 03.12.2014 11:49 Uhr

Levensauer Hochbrücke: Alte Dame wird 120

Noch heute breitet sich ein Gefühl der Nostalgie aus, wenn man vom Kanalufer aus auf die großen roten Brückenbögen der Alten Levensauer Hochbrücke blickt. Auf einer Länge von 163 Metern spannen sie sich über den Nord-Ostsee-Kanal bei Kiel. Einst überquerten Fußgänger und Züge die Brücke, später kamen Autos hinzu. Jetzt sind die Tage der "Alten Dame aus Eisen" - wie Kaiser Wilhelm II. das Bauwerk nannte - endgültig gezählt. In drei bis vier Jahren soll die älteste Brücke über den Nord-Ostsee-Kanal durch einen Neubau ersetzt werden. Vorher aber feiert die Brücke ihren 120. Geburtstag.

Die älteste Brücke über dem Nord-Ostsee-Kanal

Ein Bauwerk aus 500.000 Nieten

Im Dezember 1894 begann die Geschichte der Levensauer Hochbrücke. Sie war ein Lieblingsprojekt des letzten Deutschen Kaisers. Er besuchte die Bauarbeiten, legte selbst den Grundstein und nahm das aus 2.800 Tonnen Eisen und 500.000 Nieten bestehende Bauwerk am 3. Dezember 1894 nach nur einem Jahr Bauzeit in Betrieb. Mit der Planung beauftragt war der Architekt Hermann Muthesius, nach dem heute die Kunsthochschule in Kiel benannt ist.

Mit 42 Metern über dem Wasserspiegel war die Brücke gerade hoch genug, um die Kriegsschiffe auf dem Kanal passieren zu lassen. Kennzeichen der Levensauer Hochbrücke waren ihre 70 Meter hohen Türme, die auf beiden Seiten die Brückentore flankierten. Pferdekarren, Fußgänger und Eisenbahn überquerten durch diese Tore die Brücke.

Lkw scheitern an der engen Fahrbahn

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die in die Jahre gekommene Brücke dem Verkehrsaufkommen nicht mehr gewappnet. Lkw scheiterten an der schmalen Fahrbahn, und die Tore verengten den Zugang zur Brücke zusätzlich. Die Türme, die mittlerweile ein Wahrzeichen des Kieler Stadtteils Suchsdorf waren, mussten weg. Das Bundesverkehrsministerium ließ die Brücke 1954 grundlegend modernisieren. Tragfähigkeit, Fahrbahnbelag und -breite wurden ausgebessert. Zu dieser Zeit überquerten täglich 2.500 Fahrzeuge die Brücke, 30 Jahre später waren es schon 18.000. Dem wurde mit dem Bau einer zweiten Brücke, der Schwester der Levensauer Brücke, begegnet.

Auch unter der Brücke ist es eng

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Heute ist es auch unter der Brücke eng geworden. Im Schnitt passieren 85 Schiffe pro Tag den Nord-Ostsee-Kanal, und immer größere Schiffe teilen sich die Wasserstraße. Sie können die Levensauer Hochbrücke nur unter ihrem Scheitelpunkt passieren: ein Nadelöhr für den Schiffsverkehr.

Wegen des geplanten Ausbaus des Nord-Ostsee-Kanals ist ein Um- oder Neubau der Levensauer Hochbrücke unumgänglich. Die Ausschreibung zum Neubauprojekt gewann die Arbeitsgemeinschaft Anwikar aus Hamburg mit dem Architektenbüro Blunck und Morgen. Das Planungsteam um Thomas Janßen vom Wasser- und Schifffahrtsamt muss mehrere Herausforderungen meistern. So sollen zum Beispiel Zug- und Schiffsverkehr nicht lange unterbrochen werden.

Vorsicht, Fledermäuse!

Besonderes Augenmerk müssen die Planer außerdem auf den Umweltschutz legen, denn rund 10.000 Fledermäuse nutzen die alten Widerlagerräume in den geklinkerten Brückenpfeilern als Winterquartier. Die Abendsegler würden bei einem Neubau ihre Ruhestätte verlieren. Um die Tiere zu schützen, wurden Kästen im Gebiet der Brücke angebracht.

Rote Bögen sollen bleiben

Die alte Brücke wird nicht abgerissen, sondern dient als Gerüst für den Bau der neuen Konstruktion. Erst nach dem Aufstellen der neuen Brückenbögen werden Fahrbahn, Rad- und Fußweg sowie die Bahnstrecke der alten Brücke demontiert. Die neuen Brückenteile werden danach auf die Bögen aufgesetzt. Auf diese Weise soll der Verkehr nicht so stark behindert werden.

Markantes Zeichen werden auch bei der neuen Brücke die roten Doppelbögen sein. Sie werden von vier Stahlbeton-Sockeln mit einem Durchmesser von acht Metern getragen. Ob die Bögen der neuen, 210 Meter langen Levensauer Brücke auch einmal zum Wahrzeichen des Stadtteils Suchsdorf werden, wird sich zeigen.