Exile / XZR - Toki no Hazama e



Genre: Action-Adventure
Entwickler: Telenet Japan
Herausgeber: Working Designs / Renovation
Erscheinungsjahr: 1991, 1992
System: TurboGrafx / PC Engine

"Exile" ist eines der sehr wenigen PC-Engine-Adventures, die ins Englische übersetzt und auf der TurboGrafx herausgebracht wurden. Dies ist wahrscheinlich der Tatsache zu verdanken, dass es "Ys III - Wanderers from Ys", das sich bereits davor in den USA großer Beliebtheit erfreute, sehr stark ähnelt. Dabei ist "Exile" eine Portierung des zweiten Teils einer Trilogie, welche in Japan als "XZR" bekannt ist und bereits auf dem MSX 2 und dem NEC PC-88 ihren Einstand feierte. Der japanische Titel des japanischen PC-Engine-Ports lautet daher "XZR - Toki no Hazama e", wobei man den Untertitel sinngemäß zu "Into Another Time" übersetzen kann. Wenn man sich aber die gesamte Reihe anschaut, dann fällt direkt auf, dass die ursprüngliche MSX-2- bzw. NEC-PC-88-Vorlage ganz anders betitelt ist, nämlich "XZR II - Kanketsu-hen". Der ins Englische übertragene Untertitel "The Final Chapter" deutet dabei auf das Ende der Reihe hin. Es gibt aber noch einen dritten Teil für die TurboGrafx bzw. PC Engine: "Exile - Wicked Phenomenon" bzw. "XZR II - Janen no Jishō". Der japanischen Namensgebung nach gibt es also gleich zwei zweite XZR-Teile, was sehr verwirrend ist und für eine sehr inkonsequente Namenspolitik der Entwickler spricht. Aufgrund dessen, und weil "Exile" auf der PC Engine auch noch eine ganz andere Spielmechanik aufweist und sich im Grafik- sowie Level-Design stark von den beiden ursprünglichen Versionen unterscheidet, liegt die Vermutung nahe, dass die XZR-Reihe mit dem PC-Engine-Release einen Neustart erfuhr. Ohne sich nun weitere Gedanken zu diesem komplizierten Sachverhalt zu machen, wollen wir uns ohne Umschweife dem TurboGrafx- bzw. PC-Engine-Spiel widmen. Ein langes Anime-Intro führt den Spieler in eine orientalische Welt ein, in die Zeit der christlichen Kreuzzüge, als religiöse Auseinandersetzungen an der Tagesordnung waren. Die TurboGrafx-Version wurde hierbei sprachlich für die Lokalisierung im nordamerikanischen und größtenteils christlichen Raum leicht entschärft, indem man bestimmte Namen veränderte. So kämpft man hier zum Beispiel nicht gegen christliche Kreuzritter sondern gegen die so genannten Klispin Crusaders.

Das Spiel startet aus einer für Rollenspiele typischen Vogelperspektive mit dem Hauptcharakter Sadler, einem syrischen Assassinen, welcher den starken Wunsch hegt, den ewigen Machtkampf im Namen der Religion ein für alle Mal zu beenden. Ein kurzer Rundgang durch das heimische Dörfchen deckt die allgemeine Angst der Einwohner über die instabile Lage im Land auf. Jederzeit kann das friedliche Dorf ins Visier der Kreuzritter geraten und somit der totalen Vernichtung anheim fallen. Gerüchte über einen Kundschafter der Kreuzritter vernehmend, macht man sich als ein bereits berühmter Wüstenkrieger auf den Weg zu einer Oase auf, um der Sache auf den Grund zu gehen. Natürlich nicht ohne sich vorher mit neuen Waffen versorgt zu haben und nicht ohne Freunde, die auf alle Fälle mitkommen möchten. Dazu zählen Rumi, eine schöne und akrobatische Spionin, Kindi, der große Ausbilder der Assassi-Rebellen, und der Magier Fakhyle, dessen Zauberstab eine bedeutende Rolle für Sadler spielt.

Der Wassertümpel in der Oase stellt sich jedoch als eine unter den Sandboden führende Falle heraus. Sadler, den anscheinend nichts aus der Ruhe bringen kann, geht aber bewusst dort hinein. Ab hier beginnt der erste richtige Level des Spieles, der sich im Gewand eines echten Action-Plattformers zeigt. Mit Schwert und Schild ausgestattet, wobei der Schild nur den Verteidigungswert erhöht und keine Blockfunktion aufweist, geht es im wahrsten Sinne des Wortes in die Höhle des Löwen. Sadlers Freunde, die nicht kampferfahren sind, bleiben draußen. Im Verlauf des Spieles wird man ständig von unterschiedlichen Personen begleitet, die einem nützliche Ratschläge geben oder für das Weiterkommen notwendig sind. In brenzligen Situationen bekommen sie jedoch immer eine andere wichtige Aufgabe zugeteilt, so dass Sadler in solchen Fällen auf sich alleine gestellt ist. Als geübter Schwertkämpfer hat er damit aber keine allzu großen Probleme. Die riesigen Insekten im ersten Level fallen durch seine Schwerthiebe wie Fliegen und sorgen neben Erfahrungspunkten auch für einen gut gefüllten Geldbeutel. Vor dem Aufsuchen des ersten Endgegners sollte man allerdings bereits den dritten Level erreicht haben, denn nach jedem Level-Aufstieg steigen nicht nur die Lebens- und Magiepunkte sondern auch die Angriffs- und Verteidigungswerte. Ein einziger Stufenaufstieg kann bereits über Erfolg oder Niederlage entscheiden. Nachdem der erste Endgegner, ein riesiger Ameisenlöwe, bezwungen ist, findet man den toten Kundschafter, der einen Brief vom Yuug D´Payne, dem Großmeister der Tempelritter, an Sadler bei sich hat. Dieser bittet Sadler, ihn in seiner Festung aufzusuchen, um mögliches Blutvergießen zwischen den verfeindeten religiösen Gruppen zu verhindern. Der Möglichkeit eines dauerhaften Friedens wegen geht Sadler der Bitte nach. Damit beginnt für Sadler und seine Freunde ein langes und mühsames Abenteuer, das sie zusammen mit Yuug D´Payne auf der Suche nach einem als Holimax bekannten Artefakt vom nahen Osten in fremde Länder wie Frankreich, Indien, Kambodscha sowie Japan und, dem japanischen Untertitel entsprechend, sogar durch die Zeit führt.

Die Story ist ziemlich philosophisch und spirituell angehaucht und somit ziemlich anders als von anderen Spielen gewohnt. Der Verlauf ist jedoch geradlinig und bietet keinen Platz für große Überraschungen. Mehr Freiheit für den Spieler, einige anspruchsvollere Rätsel und Geheimnisse hätten wirklich nicht geschadet. So beschränkt sich der Rollenspiel- bzw. Adventure-Bereich fast nur auf Dialoge und das Sammeln von Informationen. Die Action-Bereiche, welche mit den drei zur Verfügung stehenden Magiearten (Fire Blast, Ice Storm und Restoration) einen relativ moderaten Schwierigkeitsgrad aufweisen, tragen den größten Teil zum eigentlichen Spiel bei, könnten aber alleine für sich mit der Konkurrenz nicht mithalten. Den wirklichen Reiz von "Exile" bzw. "XZR - Toki no Hazama e" stellen das wirklich ungewöhnliche Setting sowie der zwecks Wiederherstellung der Lebens- und Magiepunkte und der zeitlich begrenzten Verbesserung der Angriffs- und Verteidigungswerte diverse Drogen bzw. Psychotropika (in der TurboGrafx-Version zu Tonika umbenannt) konsumierende Antiheld Sadler dar, welcher mit Abstand als einer der interessantesten Charaktere in der gesamten Spielgeschichte angesehen werden kann. Ständig an einer Zigarette kauend ist er die Ruhe vor dem Sturm. Immer nur um andere und nie um sich selbst besorgt sowie um den Weltfrieden bemüht, stürzt er sich kopfüber in jede nur denkbare Gefahr.

Die technische Seite von "Exile" ist zweischneidig. Während des Spieles findet man immer wieder erstklassige wie auch durchschnittliche Grafiken. Das gilt sowohl für die Action-Abschnitte wie auch für die zahlreichen, die Handlung fortführenden Anime-Zwischensequenzen. Nur die Darstellung aus der Vogelperspektive ist konstant gleich gut. Zusammenfassend lässt sich das Spiel dennoch als gelungen bezeichnen, auch wenn die Möglichkeit zu einem Top-Spiel definitiv verschenkt wurde.

 

Geschrieben: November 2003 von Minrod und Lyrion

 

Die XZR bzw. Exile-Reihe im Überblick:

1. XZR - Hakai no Gūzō
2. XZR II - Kanketsu-hen
        Exile / XZR - Toki no Hazama e
3. Exile - Wicked Phenomenon / XZR II - Janen no Jishō