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Sexuelle Übergriffe in Köln „Das Ganze scheint abgesprochen gewesen zu sein“

Der Justizminister befürchtet, die Übergriffe in Köln könnten organisiert gewesen sein. Er kritisiert Äußerungen der Kölner Oberbürgermeisterin, der Innenminister die Arbeit der Beamten vor Ort.

© dpa Mahnt eine Untersuchung möglicher Hintergründe der Übergriffe von Köln an: Justizminister Heiko Maas.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) dringt darauf, Hinweisen nachzugehen, dass die Übergriffe der Silvesternacht in Köln vorab verabredet gewesen sein könnten. „Das Ganze scheint abgesprochen gewesen zu sein,“ sagte Maas an diesem Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“. „Es wäre schön, wenn das keine organisierte Kriminalität wäre, aber ich würde das gerne mal überprüfen, ob es im Hintergrund Leute gibt, die so etwas organisieren.“ So etwas passiere nicht aus dem Nichts, es müsse jemand dahinterstecken.

Vor dem Kölner Hauptbahnhof hatten in der Silvesternacht nach Angaben der Polizei kleinere Gruppen von Männern aus einer Menschenmenge heraus Frauen sexuell bedrängt und ausgeraubt. Dem Aussehen nach sollen sie aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum stammen.

Maas kritisierte Verhaltenstipps für Frauen. „Davon halte ich gar nichts. Sowas darf nicht dazu führen, dass Frauen sich anders verhalten müssen.“ Auf Twitter nutzte Maas das Schlagwort #einearmlaenge und schrieb: „Nicht Frauen tragen Verantwortung, sondern Täter.“

Damit bezog er sich auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos), die mit einer Antwort zu Verhaltensempfehlungen für Frauen Kritik ausgelöst hatte. „Es ist immer eine Möglichkeit, eine gewisse Distanz zu halten, die weiter als eine Armlänge betrifft“, hatte Reker bei einer Pressekonferenz gesagt.

Zu wenig Personal für wirksame Strafverfolgung

Die Deutsche Polizeigewerkschaft befürchtet nach den massenhaften sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln, dass es keine einzige Verurteilung geben könnte. Das sagte Gewerkschaftschef Rainer Wendt der „Passauer Neuen Presse“.

Dabei sei die Ermittlung der Täter immens wichtig, mahnte Wendt. „Wenn sie nicht gefasst werden, werden sie sich regelrecht ermuntert fühlen, im Schatten der Anonymität weiter tätig zu werden.“ Es müsse damit gerechnet werden, dass die Tätergruppen auch in Zukunft solche Delikte begehen wollten, etwa beim anstehenden Karneval in Köln.

Für eine wirksame Strafverfolgung fehle es der Polizei aber an Personal. Auch in Köln habe die Zahl der Einsatzkräfte schlicht nicht ausgereicht, um anders zu agieren. „Es war mit dem vorhandenen Personal nicht möglich, den Platz dauerhaft zu räumen“, sagte Wendt.

Wendt warnte davor, Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen. Er frage sich allerdings schon, warum jetzt der große Aufschrei ausbleibe, sagte der Gewerkschaftschef weiter. „Offensichtlich ist es so, dass es hier die falschen Täter sind. Wenn es andere Täter wären, etwa Hogesa-Mitglieder, wäre der Aufschrei längst da.“ Wenn es sich bei den Tätern um Muslime handele, um Flüchtlinge, bestehe bei einigen offenbar die Neigung, auf Tauchstation zu gehen, mutmaßte Wendt.

Die Kritik von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere hat Wendt empört zurückgewiesen. „Ich glaube nicht, dass es ein guter Stil ist, wenn der Bundesinnenminister in aller Öffentlichkeit die Landespolizei und die Einsatzleitung dort kritisiert", sagte er an diesem Mittwoch im Hessischen Rundfunk: „In dieser Weise pauschal über die Polizei in Köln herzufallen, das ist unanständig. Das gehört sich einfach nicht.“

Kritik vom Innenminister

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte deutliche Kritik an der Polizei geübt. Nachdem zunächst der Vorplatz des Hauptbahnhofs geräumt worden sei und es dann die Übergriffe gegeben habe, habe die Polizei „auf Anzeigen gewartet“, sagte de Maizière am Dienstagabend in den ARD-Tagesthemen. „So kann die Polizei nicht arbeiten.“ Die Angriffe auf Frauen bezeichnete er als „abscheulich, empörend und nicht hinnehmbar“.

Zu den mutmaßlichen Tätern sagte de Maizière, es dürfe „keinen Generalverdacht gegen Flüchtlinge“ geben, zumindest nicht „in diesem Stadium der Ermittlungen“. Umgekehrt dürfe aber kein „Tabu“ errichtet werden, „dass wenn Straftaten begangen worden sind und einiges dafür spricht, dass es Nordafrikaner waren“, dann „einfach darüber hinweggeredet“ werde, fügte der Innenminister hinzu.

Der Rechtsstaat habe „schon Mittel, solche Straftäter abzuschieben. Abgelehnte Asylbewerber unterfallen dem normalen Ausweisungsrecht“, sagte de Maizière weiter. Es müsse zwischen denen, die straffällig werden und denen, die nicht straffällig werden, unterschieden werden. „Das machen wir bei Deutschen ja auch. Und diese gleiche Haltung brauchen wir auch gegenüber Flüchtlingen und Asylbewerbern.“

Ähnlich hatte sich auch Justizminister Heiko Maas geäußert: „Niemand sollte die Übergriffe instrumentalisieren, um Flüchtlinge pauschal zu diskreditieren“,sagte Maas. „Wenn Asylbewerber unter den Tätern waren, ist das noch lange kein Grund, alle Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen.“

Mehr zum Thema

Derweil demonstrierten am Dienstagabend in Köln etwa 300 Frauen gegen Gewalt gegen Frauen. In der Silvesternacht soll es rund um den Kölner Hauptbahnhof und dem benachbarten Dom zu einer Serie von sexuellen Übergriffen gegen Frauen und anderen Straftaten gekommen sein. Laut Polizei liegen mittlerweile 90 Strafanzeigen vor. Bislang haben die Ermittler aber keine genauen Kenntnisse über die mutmaßlichen Täter.

Quelle: spo./AFP/dpa

 
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