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etten, Flehingen und Jöhlingen haben ihre Stolpersteine, die der Künstler Gunter Demnig europaweit verlegt. Sie sollen an die Stellen und Häuser erinnern, in denen vor dem Pogrom der Nazis Juden lebten. Gondelsheim hat heute Morgen auf Initiative der beiden Geschichtskurse des Melanchthon-Gymnasiums Bretten nachgezogen. Sie haben in Archiven die Lebensläufe von Familien, die aus Gondelsheim deportiert und umgebracht wurden recherchiert. Die Namen und eine Kurzfassung der dahinter stehenden, jeweiligen Lebensläufe trugen die Schüler vor, nachdem der Künstler die Steine gesetzt hatte.
Vorausgegangen war eine beeindruckende Gedenkstunde in der Aula der Kraichgauschule. Dort hatten die Schüler die Aktion in den siebte bis zehnten Klassen vorbereitet. Rektor Manfred Haag freute sich, dass die dabei erhaltenen Spenden fast komplett ausreichen, die Steine und die sich darum herumrankende Organisation zu finanzieren.#
Neben Bürgermeister Markus Rupp sprachen zu den rund 150 Besuchern, unter denen sich allerdings relativ wenige Gondelsheimer befanden– Elisabeth Hilbert vom Verein Jüdisches Leben Kraichgau e.V., der Künstler Gunter Demnig selbst und mit Natascha Walter und Rebecca Vetter zwei Schülerinnen des Geschichtsneigungskurses des MGB:
Die Gedenkstunde wurde umrahmt mit Sonate Es-Dur BWV 1031 von Johann Sebastian Bach, dem Kanon: Hejda und dem „Havah Nagila“. Besonders beeindruckte in dem musikalischen Reigen der Jugendmusikschüler Robert Amend, der mit seiner Klarinette gekonnt den jüdischen Ton traf, der die Klezmer-Musik ausmacht.
Bürgermeister Markus Rupp stellte uns seinen Beitrag zu der Gedenkstunde zur Verfügung:
Sehr geehrter Herr Demnig,
liebe Schülerinnen und Schüler des Melanchthon-Gymnasiums Bretten,
liebe Schülerinnen und Schüler der Kraichgauschule Gondelsheim,
lieber Kollege Oberbürgermeister Martin Wolff,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
auch ich begrüße Sie zu der ersten Stolpersteinverlegung in Gondelsheim. Ich freue mich, dass wir heute Morgen trotz der frühen Stunde so viele Vertreter des öffentlichen Lebens und der verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen begrüßen dürfen. Das zeigt mir, dass die „Stolpersteine“ bei uns in Gondelsheim als eine ebenso taktvolle und unaufdringliche wie eindringliche Aktion gegen das Vergessen gesehen werden. Und das passt auch zu dem, was der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor vor wenigen Tagen anlässlich der Zentralen Veranstaltung zum Volkstrauertag im Bundestag in Berlin gesagt hat:
„Deutschland ist das einzige Land, das Denkmäler baut, um sich an das eigene Verbrechen zu erinnern, mit so einem Deutschland trauere ich gerne zusammen“. Ja, zwar bauen wir in Gondelsheim keine Denkmäler, aber mit der ehe-maligen Synagoge in der Leitergasse haben wir ein in Stein gemeißeltes Mahnmal jüdischer Geschichte in Gondelsheim. Und mit dem bereits von Herrn Schulleiter Haag erwähnten Gedenkstein auf dem Friedhof für die am 22. Oktober 1940 deportierten Gondelsheimer Juden haben wir eine weitere Erinnerungsstätte. Sehr geehrter Herr Demnig, ob Sie immer die Erfahrung in den letzten Jahren ihrer Tätigkeit gemacht haben, dass man sich in Deutschland, in seinen Städten und Gemeinden mit den Verbrechen des Dritten Reichs auseinandersetzen möchte, – so wie es Avi Primor betont – da mache ich ein Fragezeichen. Sie wissen es sicherlich am besten!
Und wenn die angesehene Friedrich-Ebert-Stiftung dieser Tage in einer Studie konstatiert, in Deutschland gebe es zunehmende Rufe nach einem starken Führer, dann stimmt mich das nachdenklich. Schon deshalb bin ich froh, dass wir heute 14 „Stolpersteine“ in Gondelsheim verlegen. Denn das Erinnern an das Unrecht darf nicht aussterben. Es ist unsere Pflicht, die Erinnerung lebendig zu halten, zuvorderst an die Opfer von Rassismus und politischer Verfolgung, an den Mut der Helfer, aber auch an die Tatenlosigkeit so vieler. Die Stolpersteine bieten dazu eine Gelegenheit, eine Gelegenheit sich im Alltag mit der Vergangenheit auseinander zu setzen.
Die Stolpersteine werden von heute an mitten unter uns sein.
#Die Stolpersteine sind in gewisser Weise auch symbolische Grabstätten für die vernichtete jüdische Bevölkerung, denn auf keinem Friedhof, geschweige denn in heimischer Erde fanden die Opfer ihre letzte Ruhe. Die Stolpersteine werden auch in Gondelsheim eine unübersehbare Spur legen. Eine Spur, die uns am Vergessen hindern will. Stolpern wir gemeinsam künftig über die kleinen Steine, die uns in den Weg gelegt werden, um uns eben zu erinnern.
Mein herzlicher Dank gilt den beiden Geschichtsneigungskursen des Brettener Melanchthon-Gymnasiums, welche sich das Projekt zueigen gemacht haben und die mit, Ihnen Herr Lundberg, Herr Adam federführend nicht nur heute Morgen sind. Sowie an die Kraichgauschule Gondelsheim!
Mein Dank gilt Ihnen, Herr Gunter Demnig, der Sie die Aktion „Stolper-steine“ ins Leben gerufen und bereits über 40.000 Stolpersteine in ganz Deutschland und Europa verlegt haben.
Ich freue mich sehr, dass Sie heute persönlich in Gondelsheim sind. Mein Dank gilt den zahlreichen Paten der Stolpersteine – also all jenen Menschen, die für die Verlegung von Steinen Geld gesammelt oder gespendet haben. Das ist bürgerschaftliches Engagement im besten Sinne.
Bedanken möchte ich mich vor allem aber auch bei den Grundstückei-gentümern, vor deren Häuser heute die Stolpersteine verlegt werden, dafür dass sie der Verlegung zugestimmt haben.
Meine Damen und Herren, vom früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker stammt der Satz: „Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart.“
In der Tat: Die Erinnerung soll uns wachsam halten, dass Ähnliches nie wieder passieren kann.
Deshalb wollen wir mit der Verlegung der Stolpersteine neben dem Gedenken an die Opfer auch die nachfolgenden Generationen auffordern, ihren Weg so friedlich wie möglich zu gehen.
Menschlichkeit bewahren und sich für ein tolerantes Miteinander einsetzen, kann nur, wer die Grausamkeiten der Vergangenheit nicht verdrängt.
Das ist eine Daueraufgabe; über diesen würdevollen Tag heute hinweg! Zumal in einer zunehmend unruhigen Welt!
Herzlichen Dank!