Janukowitsch-Clan operiert in Genf

Sonntagszeitung - 13. Januar 2013

GENF 2010 gelangte Präsident Wiktor Janukowitsch in der Ukraine an die Macht, seither hat sein 39-jähriger Sohn Alexander innert kürzester Zeit ein Vermögen von fast 100 Millionen Dollar aufgehäuft. Experten bezweifeln, dass es dabei mit rechten Dingen zuging. Jetzt wird bekannt, dass der Sohn des ukrainischen Präsidenten über eine Zweigfirma in Genf täglich Tausende Tonnen Kohle verkauft und damit jeden Monat Millionen Dollar in der Schweiz umsetzt.

VON MARTINE BROCARD

Alexander Janukowitsch, verheiratet, zweifacher Vater, von Haus aus Zahnarzt, gründete 2006 die Baufirma Mako. Nach der Amtsübernahme seines Vaters expandierte seine Firma rasch in neue Geschäftsfelder. Daneben sicherte sich Janukowitsch junior lukrative Beteiligungen. So erwarb er die All-Ukrainian Development Bank, die ihren Gewinn 2011 in 9 Monaten gemäss Wirtschaftspresse verzwanzigfacht hat.

In der Ukraine gilt der Präsidentensohn als passionierter Jäger und Jachtbesitzer. Die Presse berichtet von seinen Kreuzfahrten mit der Centurion. Vor zwei Jahren soll er die Jacht ersetzt haben durch die vierstöckige Bandido.

Geschäfte florieren vor allem, seit der Vater Präsident ist

In Genf tritt Janukowitsch bescheiden auf. Seine Firma operiert diskret von einem neunstöckigen Bürohaus beim Hotel Intercontinental aus. Gemäss Handelsregister ist die Mako Trading AG seit November 2011 unter dieser Adresse registriert. Doch gegen aussen schottet sie sich ab: Sie gibt weder Telefonnummern noch Internetsites bekannt, selbst am Bürohaus ist der Name Mako nirgends zu lesen. Nach mehreren Anfragen ist schliesslich Verwaltungsratspräsident Felix Blitshteyn zu einem Treffen bereit. «Mako Trading ist eine Kohlehandelsfirma, die Alexander Janukowitsch gehört», sagt er mit russischem Akzent bei einer Tasse Tee im kleinen Salon des Hôtel d’Angleterre. «Ich hatte die Idee, weil ich hier eine Nische im Sektor der ukrainischen Kohleexporte gesehen habe.» Gemäss Blitshteyn ist die Firma seit letztem April in der Schweiz aktiv.
Derzeit handelt sie nur mit Anthrazitkohle, die wegen ihres hohen Kohlegehalts und der geringen Feuchtigkeit bis zu dreimal höhere Preise erzielt als Standardkohle. «Wir handeln derzeit nicht mit grösseren Mengen», sagt Blitshteyn, «lediglich 40 000 bis 50 000 Tonnen monatlich.»

Umsatzzahlen will er nicht nennen, aber selbst nach konservativen Schätzungen setzt Mako Trading in Genf monatlich fünf bis sechs Millionen Dollar um. Und die Filiale, die bis jetzt lediglich drei Mitarbeiter beschäftigt, hat Ausbaupläne. «Wir wollen auch im Handel mit anderen Kohlesorten aktiv werden», so Blitshteyn.

Für Alexander Janukowitsch ist sein Schweizer Kohlehandel ein willkommenes Zusatzgeld. Das Magazin «Focus» schätzt sein Vermögen bereits auf 96,4 Millionen Dollar. Zahlreiche Experten bezweifeln allerdings, dass der Präsidentensohn den Erfolg alleine seinen unternehmerischen Fähigkeiten zu verdanken hat.

«Vor drei Jahren war Alexander Janukowitsch ein unbekannter Geschäftsmann», sagt Alexei Chmara, Präsident der ukrainischen Sektion von Transparency International, die weltweit gegen Korruption kämpft. «Es ist offensichtlich, dass seine Geschäfte erst florieren, seit sein Vater Präsident ist.» Transparency International platziert 2012 die Ukraine in Sachen Korruption auf Rang 144 von insgesamt 176 Ländern.

Der Präsidentensohn selber weist jede Kritik von sich. In einem Interview im März 2011 betonte er, dass sein Name ihm als Geschäftsmann «das Leben viel komplizierter macht». Die Medienstelle von Mako in der Ukraine schreibt, diese Anschuldigungen dienten einzig dazu, den Präsidenten zu diskreditieren.

«Mitglieder der ‹Familie› missbrauchen ihre Macht»

Dem widerspricht Wojciech Kononczuk vom Centre for Eastern Studies, einer polnischen Expertengruppe. Alexander Janukowitsch ist «vermutlich eine der Personen, die sich weltweit am schnellsten bereichert haben», sagt er. Gemäss Kononczuk steht eine Gruppe von Oligarchen um den Ex-Zahnarzt «im Zentrum von zahlreichen Firmenübernahmen in allen Branchen der ukrainischen Wirtschaft».

Der Experte geht davon aus, dass der Präsidentensohn einen privilegierten Zugang zum Kohleabbau hat. «Zahlreiche Minen gehören noch immer dem Staat. Es ist daher für den Präsidenten nicht aufwendig, diesen Minen vorzuschreiben, über welche Firma sie ihre Kohle exportieren sollen.» Eine Recherche des ukrainischen Ablegers des Magazins «Forbes» enthüllte im Oktober, wie verschiedene Kohleanreicherungsfabriken unter die Kontrolle von Freunden von Alexander Janukowitsch kamen. Möglich wurde dies durch eine Gesetzesänderung, die der Präsident selber einführte.

Angesichts dieser Vorwürfe rufen ausländische Experten die EU-Staaten zum Handeln auf. In der Ukraine «hat die Korruption erheblich zugenommen», schrieb Andrew Wilson vom europäischen Thinktank ECFR in London letzten November in einer Analyse. «Mitglieder der ‹Familie› – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne – um Präsident Janukowitsch missbrauchen ihre Macht, um sich in beispiellosem Ausmass zu bereichern», schreibt Wilson und appelliert an die EU, die Aktivitäten der «verdächtigen Firmen» des Clans zu untersuchen. Sein Appell richtet er explizit auch an die Schweiz.

Doch die Schweizer interessieren sich kaum dafür. Gemäss Pressestelle erhielt die Meldestelle für Geldwäscherei im Jahr 2011 vier Verdachtsmeldungen betreffend Personen mit ukrainischem Pass. Ob Alexander Janukowitsch darunter ist, will man nicht sagen. Dafür gab die Pressestelle von Mako in der Ukraine bekannt, dass der Präsidentensohn zuweilen in der Schweiz Ferien macht.