Fonds
Eine der einfachsten Arten, ein Lebensmittel zu "garen" ist, es für einige Zeit in heißem Wasser zu kochen. Wasser ist ein ausgezeichneter Wärmeleiter, außerdem bestehen die meisten Lebensmittel selbst hauptsächlich aus Wasser (durch Moleküle gebunden oder in den Zellen als freies Zellwasser), somit wird sich das Lebensmittel im Topf schnell erwärmen. Die maximale Wassertemperatur von 100 Grad ist hoch genug, um Proteine zu denaturieren, Kohlenhydrate zu verkleistern, also um Lebensmittel grundsätzlich "essbar" zu machen und natürlich auch, um Keime abzutöten. Wenn ein Stück Fleisch einige Zeit in Wasser gekocht wird, dann wird das Fleisch nicht nur gar, es entsteht auch ein reichhaltiger Extrakt, ein so genannter Fond. Der Ausdruck Fond kommt aus dem Französischen und bedeutet Grundbrühe.
Ein guter Fond ist meiner Meinung nach einer der wichtigsten Grundbausteine beim Kochen. Wenn man Rezepte von Sterne-Köchen genauer untersucht, dann stellt man fest, dass Fonds praktisch überall zum Einsatz kommen. Sie sind, zu einem Glace reduziert, die Grundlage von köstlichen Saucen. Fonds werden für Suppen, Gemüsepürees und Sauerkraut gebraucht, ein Risotto schmeckt langweilig ohne einen guten Fond. Eine Sauce Bolognese wird durch Zugabe einer Rinderbrühe gehaltvoller und eine Vinaigrette lässt sich durch etwas Kalbsfond wunderbar verfeinern und leicht binden. Fonds sind unaufdringliche Geschmacksverstärker. In diesem Kapitel geht es also nicht um die Fleischzubereitung als solche (dazu später mehr), das Fleisch soll nicht gegessen werden, sondern es geht darum, wie sich am besten die Inhalts- und Geschmacksstoffe aus dem Fleisch extrahieren lassen.
Für die Zubereitung eines Fonds wurden früher hauptsächlich Knochen über längere Zeit in siedendem Wasser ausgekocht. Heute nimmt man mehr Fleisch und weniger Knochen, doch die Zubereitung ist gleich geblieben. Aber wer macht sich heute noch die Mühe, selbst einen Fond zu kochen? Obwohl nichts leichter ist als das: Fleisch, das sich für Fonds eignet, ist günstig beim Metzger zu bekommen. Es kostet kaum Zeit, die Zutaten vorzubereiten, danach steht der Fond unbeachtet für ein paar Stunden auf dem Herd. Dann wird er abgeschüttet und am besten gleich in verschließbare Plastikgefäße gefüllt, beschriftet, kalt gestellt und schließlich eingefroren. Ich habe immer einige Eiswürfelbeutel und unterschiedlich große Plastikbehälter mit verschiedensten Fonds von 100 ml bis 500 ml im Eisfach.
Fleischfonds unterscheidet man nach hellen und dunklen Fonds. Bei hellen Fonds wird das Fleisch mit Wasser ausgekocht, bei dunklen Fonds wird es zusätzlich vor dem Auskochen gebräunt und leicht geröstet. Dadurch bekommt der Fond einen kräftigen Fleischgeschmack. Außerdem nimmt man für dunkle Fonds Fleisch mit viel Knorpeln, Sehnen und kleinen Knochen. Der Fond wird beim Einreduzieren durch die Gelatine aus dem Bindegewebe zähflüssiger, er bekommt einen besseren "Stand", ideal zur Verfeinerung von Ragouts und Fleischsaucen. Für ein Demi-Glace, eine Art Vorstufe einer dunklen Fleischsauce, wird das gebräunte Fleisch und die gebräunten Knochen nicht mit Wasser, sondern mit einem hellen oder braunen Fond aufgesetzt und nach dem Auskochen auf etwa die Hälfte reduziert. Reduziert man den fertigen Fond noch weiter, auf etwa 10% der ursprünglichen Menge, dann spricht man von einem Glace, das man lediglich noch weiter aromatisieren und etwas binden muss, um eine perfekte Fleischsauce zu bekommen. Ein Glace wird im Kühlschrank durch die Gelatine wie ein "Wackelpudding" vollständig fest. Als Jus bezeichnet man die Bratensauce, die man beim Anbraten vom Fleisch durch Lösen der Bratenreste und Fleischsäfte in der Pfanne erhält. Natürlich kann man auch hier mir einem dunklen Fond ablöschen, um einen noch aromatischeren Jus zu bekommen. Die Herstellung von dunklen Fonds braucht im Allgemeinen etwas mehr Zeit und vor allem Sorgfalt beim Bräunen. Doch dazu später mehr im nächsten Kapitel, das sich mit Anschwitzen und Anbraten beschäftigt.
Doch was passiert eigentlich auf molekularer Ebene, wenn der Fond im Topf auf dem Herd köchelt? Beim Auslaugen des Fleisches gehen offensichtlich viele Moleküle, die Farbe und Geschmack geben, in den Fond über, denn das Wasser beginnt nach einiger Zeit aromatisch zu duften. Sogar Fett schmilzt und sammelt sich an der Oberfläche des Fonds. Wie bereits erwähnt, beschleunigt die hohe Temperatur alle chemische Reaktionen und sorgt dafür, dass die Proteine in den Zellen und Muskelfasern denaturieren. Die Zellstrukturen werden so durchlässig und das Wasser hat nun leichtes Spiel, Salze, Aminosäuren und andere wasserlösliche Moleküle auszuspülen.