Die beiden Regelungen des Unternehmens- und Vermögensgesetzes sahen sich mit dem Problem konfrontiert, daß die enteigneten Unternehmen 20 und mehr Jahre nach der Enteignung kaum noch in dem alten Zustand – rechtlich, wirtschaftlich und organisatorisch – erhalten sind; Hauptursache ist die Eingliederung der enteigneten Betriebe in größere volkseigene Betriebe (VEB). Beide Regelungen gehen deshalb von einer Entflechtung aus; in der Praxis ist der enteignete Betrieb aus dem inzwischen in eine GmbH umgewandelten VEB auszugliedern. Das zweite Problem ist der Umstand, daß sich die enteigneten Betriebe in fast 20 Jahren weiterentwickelt haben, viele zu ihrem Nachteil, manche aber auch zu ihrem Vorteil; in keinem Fall wird der Betrieb in seinem ursprünglichen Zustand noch bestehen. Jedenfalls bei „normaler Weiterentwicklung“ erstreckt sich der Rückübertragungsanspruch auf den heutigen Betrieb, wenn er mit dem enteigneten Betrieb wenigstens vergleichbar ist.
Ziel ist die Wiederherstellung des alten Zustands – aber fortgeschrieben bis zum Zeitpunkt der Rückgabe. Grundsätzlich sind Aktiva und Passiva, aber auch laufende Verträge von dem jetzt bestehenden Gesamtunternehmen auf die neue Gesellschaft bzw. auf den Rückerstattungsberechtigten in dem Umfang zu übertragen, daß das beispielsweise 1972 untergegangene Unternehmen wieder entsteht. Es entspräche nicht dem Sinn beider Regelungen, nur Aktiva zu übertragen mit dem Ergebnis, daß das zur Zeit noch bestehende Gesamtunternehmen – z. B. nach Rückgabe mehrerer enteigneter Betriebe – jede Basis für seine Fortführung verliert, aber auf den damit verbundenen Schulden sitzenbleibt. Es entspricht insbesondere auch nicht dem Ziel des Vermögensgesetzes, nur Grundstücke und Betriebsmittel zurückzugeben, die Arbeitnehmer aber in die Arbeitslosigkeit zu entlassen.
Wenn der enteignete Betrieb schlicht nicht mehr vorhanden ist – auch nicht im Verbund des VEB als Nachfolgeunternehmen –, muß die Rückgabe ebenso scheitern wie bei völliger Sanierungsunfähigkeit. § 19 Abs. 4 des früheren Unternehmensgesetzes gewährte insoweit ersatzweise einen Anspruch auf Beteiligung am umgewandelten VEB; dies galt auch, wenn die Entflechtung, d. h. die Herauslösung des enteigneten Betriebes, unmöglich ist (§ 5 Abs. 1 Satz 5 der 1. DVO)
4. Schon dieser Beteiligungsanspruch ist aber eingeschränkt („nach Möglichkeit“); bei Überschuldung des ehemaligen VEB ist er wertlos. Eine ersatzweise Entschädigung war nicht vorgesehen; allerdings ist es manchem Unternehmer gelungen, doch eine Entschädigung durch Übereignung von einzelnen Vermögensgegenständen zu erhalten.
§ 6 Vermögensgesetz versucht, den Rückgabeanspruch bis an die Grenze des überhaupt Möglichen zu sichern. Es reicht aus, daß das heute existierende oder ausgliederbare Unternehmen mit dem vor vielen Jahren enteigneten Betrieb „vergleichbar“ ist. Damit orientiert sich das Gesetz an der Rückgabepflicht eines Unternehmenspächters, der ja auch nach langfristiger Pachtzeit ein Unternehmen zurückgibt, das inzwischen sein Aussehen, seine Produktionsmittel und -ziele deutlich geändert hat.
Trotzdem wird die Rückgabe in zwei Fällen ausgeschlossen sein, d .h., wenn
– der enteignete Betrieb durch den übernehmenden VEB aufgelöst worden ist (Beispiel: Schließung eines enteigneten Textilbetriebes, weitere Nutzung von Grundstück und Gebäuden für eine andersartige neue Produktion),
– die Entflechtung, d. h. die Herauslösung des enteigneten Betriebes, wirtschaftlich „unvertretbar“ ist (§ 6 Abs. 5 Satz 4 Vermögensgesetz); hier soll verhindert werden, daß eine größere Einheit, die an sich sanierungsfähig ist, durch Herauslösen von existenznotwendigen Teilbereichen ruiniert wird.
ZIP 1991, 65
In diesen Fällen und beim freiwilligen Verzicht des Anspruchsberechtigten auf die Rückgabe tritt ein Entschädigungsanspruch an die Stelle des Rückübertragungsanspruchs (§ 6 Abs. 7 Vermögensgesetz).
In jedem Fall ist die Entschädigung aber nachrangig. An erster Stelle steht die Rückübertragung. Das zeigt sich schon deutlich, wenn bei einer Familiengesellschaft oder einer Erbengemeinschaft nur ein Beteiligter die Rückgabe verlangt, andere aber die Entschädigung vorziehen. Hier gibt es nur die Rückübertragung an den Antragsteller, der die übrigen Beteiligten nach den gesellschaftsrechtlichen Regeln abzufinden hat, oder an alle Beteiligte. Die Entschädigung ist aber auch wirtschaftlich nachrangig, da die Rückübertragung sofort, die Entschädigung aber erst nach Erlaß des Entschädigungsgesetzes erfolgt, das erst noch erarbeitet werden muß, auch möglicherweise aus Finanzierungsgründen eine Streichung der Entschädigungszahlungen vorsehen wird.
Der Vorrang der Rückübertragung gilt auch gegenüber anderen Zielen des Treuhandgesetzes. Grundsätzlich geht Reprivatisierung vor Privatisierung.
Wenn ein rückübertragungsfähiger Betrieb nicht mehr existiert und auch nicht durch Ausgliederung aus dem ehemaligen VEB wiederentstehen kann, stellt sich oft die Frage des Schicksals übriggebliebener Grundstücke und Gebäude. Ihre Rückgabe richtet sich nach dem abweichenden Recht der Grundstücksrückgabe, das in mancherlei Hinsicht ungünstiger ist als das Recht der Unternehmensrückgabe. Deshalb werden die Berechtigten regelmäßig versuchen, die Grundstücke an Stelle des untergegangenen Betriebes zu erhalten. Darauf kann die Treuhandanstalt eingehen, wenn sie die Grundstücke auch nach allgemeinem Rückerstattungsrecht zurückgeben muß, sie also nicht für die Fortführung und den Ausbau eines Treuhand-Betriebes benötigt.