Grösstes Priesterseminar weltweit
06.09.2012
Ledalero / Indonesien - Am kommenden Sonntag, 8. September, feiert das Priesterseminar St. Paul in Ledalero auf der indonesischen Insel Flores seinen 75. Geburtstag. St. Paul ist mit über 700 Studenten das grösste Priesterseminar weltweit.
Im Juli dieses Jahres wurde Pater Paulus Budi Kleden in den Generalrat der Steyler Missionare in Rom gewählt. Er hat in Ledalero auf der indonesischen Insel Flores Philosophie studiert und war dort seit 2001 als Theologieprofessor sowie Direktor für den Magisterstudiengang tätig. Und: Er hat auch einen Bezug zur Schweiz. Von 1993 bis 1996 arbeitete er als Kaplan im aargauischen Auw. Er hat zur Geschichte „seines“ Priesterseminars einen ausführlichen Bericht verfasst. Hier ein Auszug aus seiner Arbeit:
„Ledalero, eigentlich ein Hügel, war vor der Zeit der Steyler Missionare ein verrufener Ort. Die Leute haben ihn gemieden, weil sie ihn als Wohnort böser Geister angesehen haben, die sehr leicht beleidigt sind und den Menschen Übles zufügen. Der Bau des Priesterseminars hat diesen Ruf völlig verändert. Heute hat dieser Hügel eine positive, prägende Ausstrahlung im Land selber, aber auch auf der ganzen Welt.
Am 20. Mai 1937 wurde das Priesterseminar St. Paul in Ledalero offiziell eröffnet. Die erste, noch kleine Gruppe mit 16 Studenten und Novizen wurde von der Bevölkerung mit grosser Begeisterung aufgenommen. Und das war wichtig. Seminar und Studenten sollten gut in der Bevölkerung verwurzelt sein. Die Freundlichkeit und Offenheit der Bevölkerung hat geholfen, die Berufung der jungen Leute zu erden.“
866 Priester in 75 Jahren
„Am Anfang ging die Entwicklung langsam vor sich. Im Jahr 1939 zählte Ledalero erst 19 Steyler Priesterkandidaten. Das änderte sich schnell. Bis 1998 sind über 2000 Fratres ins Noviziat eingetreten. 772 wurden letztlich zu Priestern geweiht. Das sind rund 38 Prozent. Bis heute gingen insgesamt 866 Priester aus diesem Seminar hervor – darunter auch zehn, die Bischöfe geworden sind. Mehr als die Hälfte, die in Ledalero ihr Studium gemacht haben, arbeiten und leben als Laien und dienen der Kirche und ihrer Aufgabe in den verschiedensten Tätigkeiten.
Das Seminar hat in den vergangenen 75 Jahren drei wichtige Perioden erlebt. Die erste könnte man als die holländische Periode bezeichnen. Von der Gründung bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts war Ledalero ein holländisch geprägtes Seminar. Pater Antonio Pernia, ehemaliger Generalsuperior der Steyler Missionare, hat diese Periode in einem Nachruf für den Alterzbischof Donatus Djagom wie folgt charakterisiert: <Die erste Generation von Steyler Missionaren aus Indonesien und Asien im Allgemeinen war intelligent, zäh, ziemlich individualistisch, hatte gute Führungsqualitäten und war sehr tief religiös.>"
Indonesische Führungskräfte
„Während der japanischen Besatzung wurde Ledalero zum Hauptquartier der japanischen Armee umfunktioniert, so dass die Fratres vorübergehend wieder ins alte Seminar nach Mataloko umgesiedelt werden mussten. Am 17. August 1945 kehrten die Missionare aus der Internierungshaft zurück. Nun konnten wieder Pläne für die Zukunft geschmiedet werden. Einer dieser Pläne war, indonesische Mitbrüder für die Aufgabe als Professoren vorzubereiten. Dazu wurden begabte Fraters zum Studium ins Ausland geschickt. 1948 sind drei junge Patres und drei Fratres aufgebrochen, um in Holland ihr Wissen zu erweitern. Einer von ihnen, Pater Paul Sani, ist 1955 nach Ledalero zurückgekehrt und hat hier als erster indonesischer Professor seine Arbeit aufgenommen. Damit hat langsam die zweite Periode begonnen, die Periode der Indonesianisierung.“
Weltweiter Einsatz
„Die Mitglieder einer Missionsgesellschaft, wie die Steyler Missionare es sind, müssen bereit sein, in anderen Ländern zu arbeiten, wo auch immer die Gesellschaft sie benötigt. 1982 sind die ersten beiden indonesischen Mitbrüder nach Papua-Neuguinea bestimmt worden und nach ihrer Priesterweihe 1983 dorthin ausgereist. Damit hat die dritte Periode begonnen. Ledalero wird ein Seminar mit Ausrichtung auf die ganze Welt. Inzwischen hat das Seminar an die 400 junge Missionare entsendet, die in 45 Ländern auf fünf Kontinenten arbeiten. Diese Periode ist geprägt von zunehmend stärkerem sozialen Einsatz und von Offenheit für die weltweite Mission der Steyler Missionare.
Die Professoren erheben ihre Stimme, um Ungereimtheiten in der Amtsführung der Regierenden aufzugreifen, sowohl in Seminaren und wissenschaftlichen Zirkeln als auch in den Massenmedien. Auch die Studenten bleiben nicht untätig. Sie engagieren sich in verschiedenen Aktionen, um die Belange und Rechte der armen und an den Rand gedrückten Bevölkerung zu verteidigen.“
Staatlich anerkannte Hochschule
„Ledalero ist nicht nur der Name für ein Priesterseminar, er wird auch gebraucht für eine staatlich anerkannte philosophisch-theologische Hochschule. Natürlich arbeitet diese Hochschule eng mit dem Seminar und der Seminarleitung zusammen. Diese Hochschule wurde 1969 gegründet, damit die Absolventen ein staatlich anerkanntes Diplom erhalten. Die offizielle Anerkennung durch die indonesische Regierung erfolgte 1971. Inzwischen wurde nach dem Bacheler- auch ein Masterprogramm eingerichtet. Anfangs waren die Studenten der Hochschule alles Priesteramtskandidaten der Steyler Missionare und der Diözesen von Nusa Tenggara. Inzwischen schicken auch noch sechs andere Ordensgemeinschaften ihre Fratres sowie einige Schwesterngemeinschaften ihre Schwestern an diese Hochschule zum Studium. Und: Am Magisterprogramm haben bisher sogar einige protestantische Pastöre teilgenommen.“
Schweres Erdbeben
„Am 12. Dezember 1992 um 13.30 erschütterte ein schweres Erdbeben mit anschliesendem Tsunami Flores. Die Bewohner von Ledalero, die gerade ihren Mittagsschlaf beginnen wollten, stürzten aus ihren Zimmern und waren fassungslos, als sie die beginnenden Verwüstungen rund um sie herum erleben mussten. Die Gemeinschaft hat zwei Mitbrüder in diesem Erdbeben verloren. Fast alle Gebäude waren zerstört oder schwer beschädigt. Der Prozess des Wiederaufbaus hat zehn Jahre in Anspruch genommen, obwohl sehr schnell von verschiedenen Seiten Hilfe geleistet wurde.“
Ausbildung und Finanzierung
„Für die Zukunft steht Ledalero vor allem zwei Herausforderungen gegenüber. Erstens, ein Modell der Ausbildung zu finden, das zunehmend in der Realität Indonesiens verankert ist und zugleich weit offen ist für die grenzüberschreitende Missionsarbeit. Die Verwurzelung in der Realität Indonesiens muss sich vor allem im sozialen Bewusstsein zeigen und im Eingehen auf verschiedene Schwierigkeiten, denen sich die Bevölkerung gegenüber sieht. Die Vorbereitung auf die grenzüberschreitende Missionsarbeit sollte sich auf das Erlernen von Sprachen konzentrieren und auf den Erwerb der Fähigkeit, auf unterschiedliche Situationen und Erfahrungen von Kirchesein eingehen zu können. Die Kultur von Nusa Tenggara, die die Priester sehr hoch schätzt, kann die jungen Missionare <klerikal> machen. Aber die Steyler Missionare werden auch in Arbeitsgebiete entsandt, in denen die Laienbewegungen sehr stark sind und der Priester nicht aufgrund seines Standes, sondern aufgrund seines Glaubenszeugnisses und der Qualität seiner Arbeit geachtet wird.
Zweitens, die Herausforderung der Finanzierung der Ausbildung der angehenden Missionare. Ledalero liegt in einer Provinz Indonesiens, die sehr abgelegen ist - mit einer Bevölkerung, die zur Mehrheit aus einfachen Bauern besteht, die im Allgemeinen nur anbauen können, was sie zum Leben brauchen. Ledalero wird also weiterhin auf finanzielle Unterstützung von ausserhalb angewiesen sein. Aber die Missionsaufgabe der Kirche ist eben auch eine gemeinsame Aufgabe der ganzen Kirche und so werden wir hoffentlich auch weiterhin die Solidarität der weltweiten Kirche und SVD geniessen können.“
