US-Botschaft in Havanna | Bildquelle: dpa

US-Diplomaten in Kuba Krank durch Schallwaffen?

Stand: 26.08.2017 11:13 Uhr

Der Vorfall ist mysteriös: Mehrere US-Botschaftsangehörige in Kuba hatten laut State Department plötzlich körperliche Beschwerden. Die US-Regierung sei "sehr besorgt". Als Ursache werden "akustische Angriffe" vermutet. Was ist das und was steckt dahinter?

Von Fiete Stegers, NDR

Viel mehr, als dass insgesamt 16 Angehörige der US-Botschaft über unterschiedliche körperliche Symptome geklagt hätten und medizinisch behandelt werden mussten, teilte US-Außenamtssprecherin Heather Nauert den Reportern beim offiziellen Presse-Briefing nicht mit. Rückblickend hätten die Vorfälle Ende 2016 begonnen, offenbar seien sie inzwischen vorbei.

In den US-Medien lesen sich die Details dagegen dramatischer: Zwei Betroffene könnten permanent Gehörschädigungen davon getragen haben, einige ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma, schreibt CNN unter Berufung auf ungenannte Beamte des State Department. CBS hat nach eigenen Angaben Einblick in medizinische Unterlagen nehmen können, laut denen bei einigen Betroffenen das zentrale Nervensystem geschädigt sei. Nach CBS-Angaben untersuchten die US-Behörden, ob die Botschaftsangehörigen "Ziel einer Art Schall-Attacke auf ihre Wohnhäuser" geworden sein könnten.

US-Botschaft in Havanna

Minsteriumssprecherin Nauert bestätigte das nicht. Sie sprach lediglich davon, dass das "State Department, das Weiße Haus und andere Behörden" sehr besorgt seien. Gleichwohl wisse man nicht, wer dahinter stecke. Es sei kein für die Beschwerden verantwortliches Gerät gefunden worden.

Schall als Waffe bekannt

Theoretisch kann Schall als Waffe eingesetzt werden: "Es gibt bereits akustische Waffen, die dazu dienen, Kombattanten oder Demonstranten handlungsunfähig zu machen", sagt Holger Schulze, Professor für Musikwissenschaft an der Universität Kopenhagen. "Der physische Schmerz ist so groß, dass man nichts anderes tun kann, als sich die Ohren zuzuhalten. Deshalb spricht man auch von 'akustischen Handschellen'", sagt Schulze. Eingesetzt würden Schallwaffen auch zum Beispiel auf Schiffen zur Abwehr von Piraten.

Ein tragbares "Long Range Acoustic Device" genanntes Gerät, das von der New Yorker Polizei zur Zerstreuung einer Black-Lives-Matter-Demonstration eingesetzt und als "Kommunikationsgerät" bezeichnet worden war, wurde von einem Richter erst kürzlich als Waffe eingestuft.

Während einige Schallwaffen mit hörbarem Lärm einhergingen und extrem fokussierte Lautsprecher nützten, operierten andere im Infra- oder Ultraschallbereich außerhalb des normalerweise für Menschen hörbaren Spektrums, erläutert Schulze. Er verweist auf das System "Mosquito", das durch Ultraschallwellen Teenager vertreiben soll. "Einige Hausbesitzer spürten nach einer Weile selbst Beschwerden, weil sie auf die Frequenzen ansprachen."

Spärliche Informationslage

"Hauptproduzent solcher Waffen sind Firmen in den USA, aber auch andere große Waffenhersteller-Nationen arbeiten daran", erklärt Schulze. Vieles befände sich aber noch in experimentellem Status und sei nicht auf dem freien Markt erhältlich.

Angesichts der spärlichen Informationslage können von den US-Medien befragte Experten vielfach nur spekulieren: Die Geheimdienstfachfrau Sharon Weinberger wollte zwar einen gezielten Angriff nicht ausschließen, hielt gegenüber CNN aber auch eine andere Erklärung durch Umweltfaktoren für möglich. Der frühere US-Diplomat James Lewis tippt auf Schall-Schäden als Nebenwirkung einer Abhörmaßnahme mittels Schallwellen.

Holger Schulze möchte das zwar nicht ausschließen, hält aber das Angriffsszenario für wahrscheinlicher. "Es wird einen Grund geben, warum das öffentlich gemacht wurde. Die Indizien sind sehr stark", meint er.

Auch die kanadische Botschaft betroffen

Auch die kanadische Regierung sprach inzwischen von "ungewöhnlichen Symptomen" bei eigenen Botschaftsangehörigen und ihren Familien in Havanna. Man arbeite mit den USA bei der Klärung zusammen.

Auf diplomatischer Ebene haben die USA bereits reagiert und beim ersten Bekanntwerden der Vorfälle ihrerseits zwei kubanische Diplomaten aus den USA ausgewiesen. Gleichwohl hat Kuba dem FBI laut CNN die Untersuchung des Vorfalls gestattet und betont, damit nichts zu tun haben.

Über dieses Thema berichtete am 25. August 2017 Deutschlandfunk in den Nachrichten um 04:00 Uhr und 06:00 Uhr.

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