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Deutschland auf Türkei-Kurs – Alles kurdische ist Terror

Kurdische Demonstration vor dem Landtag in Düsseldorf


Es wird immer enger für linke Kurden und ihre Unterstützer in der Bundesrepublik. Allein am Freitag wurden zig Fälle staatlicher Eingriffe bekannt, zum Beispiel ein Demo-Verbot in Dortmund. Das ist nicht nur aus rechtsstaatlicher Perspektive gefährlich, es ist auch ein Spiel mit dem Feuer.

Die Türkei führt seit einem Monat Krieg gegen die linke, kurdische PYD und das quasi autonome Gebiet im Norden Syriens. Soweit, so schlecht. Allerdings nehmen auch die Maßnahmen der deutschen Sicherheitsbehörden gegen kurdische Aktivisten und ihre Freunde zu. Kollege Laurin berichtete im Januar von der Auflösung einer Großdemonstration in Köln. Grund dafür waren Fahnen mit dem Gesicht Abdullah Öcalans. Zu neuen kurdischen Demos ist es in Köln seitdem nicht gekommen. Eingetragene Vereine werden von der Polizei als PKK-Tarnorganisationen eingestuft

An anderen Orten sieht es nicht besser aus. So rückte am Dienstag eine, mit Maschinenpistolen bewaffnete, Hundertschaft in einen Gasthof im Wendland ein, um ein Transparent, das sich mit dem Kampf der Kurden in Afrin solidarisierte, zu beschlagnahmen. Der Vorwurf: Terrorpropaganda!

Auch Terrorpropaganda soll ein Graffiti sein, das 1994 an das AJZ Bielefeld gemalt worden war. Mit dem Graffiti wollte die Hamburger Sprüher-Legende Eric an Halim Dener erinnern, einen kurdischstämmigen Jugendlichen, der 1994 in Hannover von einem Polizisten erschossen wurde. Dener hatte Plakate geklebt. Dem AJZ Bielefeld wurde von der Polizei mitgeteilt, dass das Graffiti bis zum gestrigen Freitag verschwinden müsse, sonst werde man wegen Unterstützung der PKK ermitteln. Das linke Zentrum weigert sich, das Graffiti zu entfernen. Demnächst werden dort also wohl Polizisten mit Eimer und Farbe anrücken.

Ein Blick in den Süden Deutschlands lohnt sich auch. Johannes König ist Cellist bei den Münchner Philharmonikern. Im August postete er auf Facebook (kommentarlos) einen Bericht des Bayerischen Rundfunk, in dem es um Durchsuchungen bei Unterstützern der YPG ging. Nun ist er Beschuldigter, in einem Verfahren wegen Verstößen gegen das Vereinsgesetz. Ein Bild, das vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk genutzt wird, wird bei ihm zur PKK-Unterstützung umdeklariert.

Zu guter Letzt, noch ein Blick nach Dortmund. Dort hat die Polizei am Freitagnachmittag eine, für Samstag geplante, kurdische Demonstration verboten. Der Grund, man kann es schon fast erraten. Die Polizei befürchtet, dass bei der Demonstration für die PKK geworben werden könnte.

Nun könnte man den Fall aus München noch als bayerische Spezialität abtun, dort ticken die Uhren ja etwas anders. Aber die Fälle aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zeigen einen eklatanten Demokratieabbau in der Bundesrepublik. Demonstrationen werden verboten, obwohl die veranstaltenden Vereine völlig legal sind. Fähnchen und Symbole, die noch vor kurzem problemlos gezeigt werden konnten, werden zum Grund für martialische Polizeieinsätze. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wird für kurdische Deutsche zur Mutprobe oder zum juristischen Marathon. Man muss wirklich kein Verschwörungstheoretiker sein, um zu erkennen, dass diese Maßnahmen zum Preis für die Freiheit von Deniz Yücel gehören. Und werden sie nicht umgesetzt, dann hat Erdogan ja noch genügend weitere Geiseln.

Kurdische Demonstration gegen Erdogans Krieg im Januar in Köln

Was deutsche Sicherheitsbehörden hier veranstalten hat allerdings ein hohes Risiko. Lange Jahre demonstrierten Kurden friedlich in Deutschland und gingen nur mit einzelnen Aktionen wie Gleisbesetzungen oder den Besetzungen von Parteibüros über die Grenzen des Versammlungsrechts hinaus. Die Polizei und die linken Kurden hatten sich weitgehend arrangiert. Über ein einzelnes Fähnchen der PKK bei einer Demo wurde hinweggesehen.
Das ist jetzt nicht mehr so, und wenn die kurdischen Aktivisten nicht demonstrieren können, dann werden sie sich andere Wege suchen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. In den frühen 1990er Jahren waren das auch mal Autobahnblockaden und am kurdischen Neujahr, im März 1994, die Selbstverbrennung von zwei Frauen. Dass es wieder soweit kommt, ist nicht gesagt, ausgeschlossen ist es allerdings auch nicht. Viele Kurden haben Freunde und Verwandte in Afrin, deren Leben ist gerade vom türkischen Militär bedroht. Um auf ihre Schicksale aufmerksam zu machen, sind die Aktivisten bereit, viel zu tun. Wer soll es ihnen verdenken? Aber auch das wird dann zu dem Preis gehören, den die Bundesrepublik für die schmutzigen Geschäfte mit Erdogan zahlen muss.

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7 Kommentare zu “Deutschland auf Türkei-Kurs – Alles kurdische ist Terror

  • #1
    ke

    Das Verbot in Dortmund hatte mich überrascht. Gibt es eigentlich gerichtliche Entscheidungen bzgl. des Demonstrationsverbots bzw. bei ähnlich gelagerten Fällen? Es wurden schon viele Demo-Verbote von Gerichten aufgehoben. Bei der aktuellen Situation in Syrien ist es eigentlich auch bürgerliche Pflicht, dafür zu sorgen, dass dieser Konflikt nicht aus den Medien verschwindet.
    Grundsätzlich kann eine Polizei immer irgendwas befürchten wie hier beschrieben. Im Polizeipresseportal wird aber von einer Untersagung "wegen konkreter Gefahren" gesprochen.
    https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/4971/3875485
    Das ist etwas anderes.

    Es ist nachvollziehbar, dass nicht für terroristische Organisationen geworben werden soll. Es ist nachvollziehbar, dass u.a. Bilder von führenden Personen von Terrororganisationen nichts auf Demos zu suchen haben. Wenn das dennoch passiert, ist es nachvollziehbar, dass die Polizei eingreift.

    Was sagen eigentlich die Gerichte zu aktuellen Situation?

    Welche Anhaltspunkte/Beweise gibt es denn, dass das Verhalten der Polizei etwas mit der Freilassung bzw. anderen Deals zu haben soll?
    Die Aktionen der Polizei müssen dann noch vor Gerichten bestehen. Wie soll man hier so schnell politisch steuern?

  • #2
    Klaus W.

    Unfassbar, was der Autor hier schreibt Dass die Polizei bei einer Erstürmung oder Beschlagnahme mit Maschinenpistolen bewaffet ist- soll vorkommen. Gehört zur Standardausrüstung.

    Dann sollen wir Verständnis dafür haben und uns am Besten schon einmal darauf einstellen, wenn militante Kurden "aus Verzweifelung" über die Zustände in Afrin oder weil sie hier nicht bereit sind, Demonstrationsauflagen zu befolgen und deshalb nicht demonstrieren dürfen, demnächst Anschläge in Deutschland verüben, um auf sich aufmerksam zu machen?

    So, wie Sie das hier schreiben muss man zu dem Eindruck kommen, dass Sie das dann auch legitim fänden?

    Da Sie ja offensichtlich ein ausgewiesener Kenner der kurdischen Community sind, haben Sie aber schon gemerkt, dass die PKK nicht nur eine fröhlich singende und tanzende, bunt gekleidete kurdische Folkloregruppe ist., die ihr Geld zum Kauf von -ja- Maschinenpistolen -ausschließlich durch Eintrittsgelder bei Konzertveranstaltungen bei Newroz-Feierlichkeiten verdienen würde ?.

    Mit Verlaub- Sie beklagen den Verfall von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit anhand einiger Entscheidungen, die sich auf den behördlichen Umgang mit der PKK – die weltweit als Terrorgruppe eingestuft ist- und ihren Sympathisanten beziehen, die aus ordnungsbehördlicher Sicht aller Voraussicht nach beanstandungsfrei sind.

    Es steht den Anmeldern frei, sich an die Verwaltungsgerichte zu wenden. Warum tun sie das nicht ?

    Das wäre zumindest rechtstaatlicher, als durch Sympathisanten unverhohlen mit Terror drohen zu lassen.

  • #3
    Stefan Laurin

    @Klaus W.: Wer friedlichen Protest verhindert, verhindert nicht Protest sondern legt die Grundlage für Gewalt. Deswegen haben kluge Menschen ja Deeskalationsstrategien entwickelt. Die Rechnung für die verfehlte Politik werden dann die Beamten auf der Straße zahlen und nicht unfähige Polizeiführungen und Politiker, die ihren Kopf in Erdogans Hintern haben.

  • #4
    Auggie_Wren

    Es ist doch vielmehr so,
    es wird schwieriger für PKK-Anhänger und unterstützende Organisationen, ihre Sympathien auch offen zu zeigen. Das liegt an der neuerlichen Konsequenz der Durchsetzung eines uralten Verbotes. Die Konsequenz mag wohl mit der Türkei zu tun haben. Ob das unter Appeasement fällt, bin ich mir nicht mal ganz sicher. Es ist der ewige Punkt der die Bundesregierung angreifbar machte, öffentlich und erst recht in Verhandlungsszenarien. Die türkische Regierung und ihre Anhänger konnte fröhlich frei tönen, dass die Bundesrepublik Unterstützer von Terrororganisationen gewähren lässt, die sie selbst auf der Terrorliste führt. Hier fühlte sich die Türkei immer moralisch im Recht. Formal juristisch betrachtet war sie das auch! Denn es ist ein allzu offensichtlicher Wiederspruch einerseits Terrororganisationen zu führen, die verboten werden, wie auch das Zeigen der Symbole und Flaggen, letzteres dann aber lockeren Auges gewähren zu lassen. Ein Staat muss sich immer vorwerfen lassen, wenn er geltendes Recht nicht konsequent durchsetzt. Ob die PKK überhaupt auf die Terrorliste gehört, ist eine andere Frage und in diesem Moment unerheblich, da sie an anderer Stelle getroffen werden muss.

  • #5
    amilabes diaphotos

    Einseitiger Bericht. Waffenverkäufe Deutschlands an die YPG und PYD ist auch Terror. So wie
    Deutschlands Unterstützung der PKK seit ihrer Gründung.

  • #6
    thomas weigle

    #6 "Deutschlands Unterstützung der PKK seit ihrer Gründung." Nun ja, als ich im letzten Jahrhundert noch deutlicher linker unterwegs war als heute, habe ich von einer Unterstützung des offiziellen Deutschlands für die PKK wenig bis nix gemerkt. Die Unterstützung fand bei linken Grünen, der DKP, später der PDS statt. Und natürlich bei vielen Kurden hierzulande. Aber sonst? Wissen Sie mehr als ich? Die PKK galt als kommunistische Partei/Befreiungsbewegung. Solche konnten in der Bundesrepublik bis heute nicht mit großer Unterstützung rechnen. Im Gegenteil-sie wurden scharf beobachtet. Engagement für diese konnte bis in die 80er im ÖD sogar zu "Anhörungen"/Berufsverboten führen.

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