Aus purer Abenteuerlust und gegen den Wunsch ihres Vaters reiste im Jahr 1965 die 23-jährige Bauerstochter Lena Ewoldt aus der Probstei mit dem Schiff nach Amerika. Eigentlich wollte sie nach dem Abschluss der Hauswirtschaftsschule in Kiel nur einige Monate in den USA arbeiten. Heute ist sie 75 und lebt immer noch in San Francisco. Denn natürlich ist sie der Liebe wegen geblieben: Um sich Geld zu verdienen, heuerte sie bei einer Fluggesellschaft als Stewardess an und lernte den jungen Air-Force-Piloten und späteren Juristen John Farrell kennen. Die beiden heirateten. 1974 kam ihr einziges Kind Mark zur Welt. Vier Jahrzehnte später schob ihr Sohn als Stadtdezernent San Franciscos die Partnerschaft mit Kiel an.
Dass es so weit kam, dafür hat Lena indirekt gesorgt: „Bei uns zu Hause war es immer wie in einer Herberge“, berichtet Mark Farrell (43). „Meine Mutti hatte immerzu Besuch aus Deutschland und im Sommer waren wir in der Probstei.“ Dort auf dem Bauernhof der Familie verbrachte Mark als Kind Wochen und Monate zusammen mit seinen zahlreichen Cousins und Cousinen. Für das Einzelkind waren sie wie Geschwister. Das engste Verhältnis hat er bis heute zu Thomas Ewoldt. Der Kieler Unternehmensberater und der kalifornische Politiker besuchen sich gegenseitig regelmäßig. Vor einigen Jahren gab es dann die ersten Überlegungen, wie man über das Private hinaus die beiden Städte professionell miteinander verbinden könnte.
Beim familiären Dinner im August 2015 am Lake Tahoe wurde es dann konkret. Mark habe Thomas gefragt: „Should we do that?“ Damit war das Vorhaben besiegelt. Und Farrell nutzte den Tag der Deutschen Einheit, der in San Francisco jedes Jahr mit dem Hissen der deutschen Flagge vor der Town Hall begangen wird, um den damaligen Generalkonsul Stefan Schlüter von einer Partnerschaft mit Kiel zu überzeugen. Der nächste Schritt sei einfacher gewesen, denn der Bürgermeister San Franciscos Edwin Lee ist ein Freund. Ihm habe er gesagt: „Ich mache die ganze Arbeit. Ich will nur deinen Segen.“
Das politische „Go“ aus San Francisco allein habe aber längst nicht ausgereicht, um die Städtepartnerschaft zu realisieren: „Da war eine gewisse Skepsis von allen Seiten. In San Francisco und in Kiel. Im Grunde hat man uns nicht richtig ernst genommen. Man hat sich gefragt: Spinnen die jetzt?“, verrät Ewoldt und bemerkt: „Ist ja auch ’ne große Nummer.“