SpannungBeispiel: An einem schneegepeitschten Abend im Januar 1991 verließ Jonathan Pine, der englische Nachtmanager des Palasthotels Meister in Zürich, seinen Platz hinter dem Empfangstisch und bezog, erfüllt von ihm bis dahin unbekannten Gefühlen, seinen Posten im Foyer, um im Namen seines Hotels einen vornehmen späten Gast willkommen zu heißen. Der Golfkrieg hatte gerade angefangen.

Das sind die ersten beiden Sätze aus Der Nachtmanager des englischen Bestseller-Autors John le Carré. Spannung entsteht dadurch, dass der Leser wissen möchte, wie die beiden Sätze zusammenhängen.

Der fehlende Bezug zwischen Teilen einer Geschichte, macht diesen Spannungstyp aus.  Da der Leser nach einem Bindeglied sucht und auch aktiv über Möglichkeiten nachdenkt, um die Teile zusammenzufügen, nennt man diese Art der Spannung Puzzle.1

Der Leser ist an die Geschichte gefesselt und hofft, dass bald aufgelöst wird, was die Handlung in Zürich mit dem Golfkrieg zu tun haben. (Ein zweiter Spannungsaspekt ergibt sich durch die unspezifische Formulierung den vornehmen späten Gast, von dem der Leser wissen möchte, wer die Person ist.)

Makro-Puzzle

Der internationale Megaseller Verblendung von Stieg Larsson arbeitet mit der gleichen Strategie. Allerdings umfasst sie bei ihm nicht nur die Mikro-Ebene. Stattdessen basieren die ersten drei Kapitel seines Buchs auf diesem Spannungstyp.

Im Prolog ruft ein älterer Herr einen Polizisten an. Es geht um einen alten Kriminalfall, in den der alte Mann involviert ist.

Verblendung Spannung

Im ersten Kapitel verliert der Journalist Carl Mikael Blomkvist einen Gerichtsprozess gegen den Unternehmer Hans-Erik Wennerström. Der Journalist hatte dem Wirtschaftsmogul in einem Artikel Wirtschaftsbetrug vorgeworfen und der Unternehmer ging vor Gericht.

Im zweiten Kapitel lernt der Leser die Hackerin Lisbeth Salander kennen, die in dem Sicherheitsunternehmen von Dragan Armansky als freie Mitarbeiterin beschäftigt ist.

Zwischen den drei Kapiteln besteht kein Zusammenhang. Der Leser weiß nicht, ob und in welcher Beziehung die Figuren zueinander stehen. Spannung entsteht, weil der Leser wissen möchte, wie die Teile zusammengehören.

Das Prinzip: Der Text führt Aspekte ein, die nicht in Zusammenhang stehen. Das kann für Figuren, Orte, Zeiten und andere Details gelten. Und das kann in kürzeren Passagen geschehen, das kann ganze Handlungsstränge betreffen und über weite Teile einer Geschichte verteilt geschehen.

  1. Sternberg (1978), S. 50, Gulino (2009), S. 21