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Wirtschaftsumfeld
Special | Polen | Coronavirus
Im polnischen Gesundheitssystem fehlt es an Ärzten und Geld. Die finanziellen Mittel sollen künftig steigen. Aufgrund vieler Coronainfektionen werden provisorische Kliniken gebaut. (Stand: 4. November 2020)
Von Niklas Becker | Warschau
Die öffentlichen Gesundheitsausgaben pro Kopf in Polen gehören zu den niedrigsten innerhalb der Europäischen Union (EU). In Zukunft sollen die Ausgaben für den polnischen Gesundheitssektor allerdings steigen. Bereits im Juli 2018 wurde per Gesetz eine jährliche Erhöhung der Mittel bis 2024 beschlossen. Ab dann sollen jährlich 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den Gesundheitssektor fließen.
Vor dem Ausbruch des Coronavirus war für das Jahr 2020 geplant, dass 5,03 Prozent des BIP - umgerechnet fast 25 Milliarden Euro - investiert werden sollen. Der von Polens Regierung im März vorgestellte Anti-Krisen-Schild sieht zusätzliche Mittel für die Gesundheitsversorgung in Höhe von 1,6 Milliarden Euro vor. In Polen herrscht seit Jahren Ärztemangel. Die Ärztedichte ist die mit Abstand geringste innerhalb der EU.
Werden bestimmte medizinische Produkte oder Schutzausrüstung aus Polen exportiert, so gilt es, unbedingt die vorgeschriebenen Richtlinien für die Ausfuhr dieser Waren zu beachten. Zum Teil ist der Export gänzlich untersagt.
Indikator | Wert |
---|---|
Bevölkerungsgröße (2019; in Mio.) | 37,9 |
Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre (2019; in %) | 18,1 |
Anzahl Ärzte (2017; pro 1.000 Einwohner) | 2,4 |
Anzahl Krankenhausbetten (2017; pro 1.000 Einwohner) | 6,6 |
Gesundheitsausgaben (2018; pro Kopf; in Euro*) | 822 |
Polens Gesundheitsministerium hat für den Herbst eine neue Strategie für den Kampf gegen das Coronavirus verabschiedet, die seit dem 15. September 2020 gilt. Unter anderem wird es mehr Drive-in-Teststationen geben. Zudem sollen auch Allgemeinärzte in den Einrichtungen zur primären Gesundheitsversorgung (Podstawowa opieka zdrowotna; POZ) Coronatests durchführen können.
Des Weiteren wurden mit der neuen Strategie die speziellen Covid-Krankenhäuser abgeschafft. Stattdessen wurden die Krankenhäuser in drei Stufen eingeteilt, die jeweils verschiedene Anforderungen an die Einrichtungen stellen:
Personen mit einem Covid-Verdacht sollen sich demnach zuerst an ein Krankenhaus der Stufe 1 in ihrer Nähe wenden. Dieses entscheidet nach einem positiven Coronatest und je nach Krankheitsverlauf über die weitere Behandlung. Seit Mitte Oktober hat sich die Coronasituation in Polen zunehmend verschärft. Wie Polens Gesundheitsminister Adam Niedzielski am 4. November 2020 berichtete, habe das Gesundheitssystem des Landes seine Kapazitätsgrenze erreicht.
Als Reaktion auf die neuen Entwicklungen hat Polens Gesundheitsministerium die bisherige Strategie zur Bekämpfung des Coronavirus erweitert. Unter anderem werden in jeder Woiwodschaft provisorische Krankenhäuser errichtet. Um das Testen zu beschleunigen, sollen nun häufiger als zuvor auch Antigentest zum Einsatz kommen.
Nach Einschätzung von Branchenvertretern kann das polnische Gesundheitssystem infolge der Ausbreitung des Coronavirus im Land einen großen technologischen Sprung nach vorne machen. „Innerhalb der letzten Tage konnte für die Entwicklung der Telemedizin mehr getan werden als in den vergangenen Jahren zusammen“, sagte Patryk Ogórek, Geschäftsführer des Entwicklers von telemedizinischen Systemen Aurero, bereits Mitte März 2020 gegenüber der Tageszeitung Rzeczpospolita.
Entscheidend für die Entwicklung der Branche war der Wegfall gewisser rechtlicher Barrieren, der durch die Coronakrise zum Teil beschleunigt wurde. So sind Telekonsultationen an sich in Polen zwar bereits seit November 2019 möglich. Aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus können zudem seit März 2020 auch elektronische Rezepte und Krankschreibungen während des digitalen Arztbesuchs ausgestellt werden.
Aurero ist ein Beispiel für die rasante Entwicklung des Sektors in Polen. Rund 1.000 Ärzte nutzten die virtuelle Kommandozentrale des Unternehmens vor dem Beginn der Coronakrise. Mitte März 2020 erhielt Aurero an einem Tag Anfragen von Netzwerken, die insgesamt mehr als 5.000 Ärzte beschäftigen. Auch der polnische Anbieter von Gesundheitstechnologien Trustedoctor berichtet von einer Verdreifachung der Registrierung von Ärzten auf seiner Plattform.
Beim Kampf gegen das Coronavirus setzt Polen auf moderne Technologien. So werden beispielsweise 3D-Drucker für die Herstellung von Gesichtsmasken eingesetzt. Um zu kontrollieren, inwiefern Quarantänemaßnahmen eingehalten werden, nutzt die polnische Regierung eine Corona-App für Mobiltelefone. Unregelmäßig und teilweise mehrmals am Tag sendet diese Anwendung eine Aufforderung, ein Selbstporträt (Selfie) zu senden. Der in Quarantäne befindlichen Person bleiben dann 20 Minuten um zu antworten. Über die Lokalisierungsfunktion der App wird so der Standort kontrolliert.
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