Es ist das Jahr 1979, als Hans-Peter Wild zum ersten Mal in der Liga der Champions spielt. Ein paar Jahre zuvor war er in das Unternehmen seines Vaters eingestiegen, eine Heidelberger Getränkefirma, die ein Kindergetränk produziert: Capri-Sonne, zuckersüß, verpackt in Alu-Päckchen, in die man einen Trinkhalm stecken kann. Wilds Vater hatte das Getränk erfunden. Der Sohn sorgte dafür, dass es zu einer globalen Marke wurde: Es gelang Hans-Peter Wild, den Box-Champion Muhammad Ali als Werbeträger für Capri-Sonne zu verpflichten. Über einen Sportjournalisten nahm er Kontakt auf und flog in die USA. Wenig später unterschrieb Ali zum ersten Mal in seinem Leben einen Werbevertrag. Im Spot steht er, die Legende, mit einem Trinkpäckchen in den Boxerhänden und verkündet: "Ich bin der Größte. Die ganze Welt weiß das. Aber wenn ich mit dem Boxen aufhöre, ist Capri-Sonne das Größte." Mit der Kampagne explodierte der Absatz des Getränks. Es war Hans-Peter Wilds erster Marketing-Coup.

Ali ist mittlerweile tot. Capri-Sonne gibt es immer noch. Nur dass Wild heute keine Champions mehr braucht, um erfolgreich zu sein. Die, die mal Champions werden wollen, brauchen ihn. Wild, 75, weißes Hemd, Baseballcap, verspiegelte Sonnenbrille, hat sich etwas in den Kopf gesetzt: Er will das deutsche Rugby-Team nach Rio bringen, zu den Olympischen Spielen. Koste es, was es wolle. Einen dicken zweistelligen Millionenbetrag hat er für diesen Traum schon ausgegeben. Im Rugby, glaubt Wild, gelten dieselben Regeln wie auf dem freien Markt: "Im Rugby müssen Sie attackieren und dürfen nicht den Schwanz einziehen. Als Unternehmer müssen Sie attackieren und dürfen nicht den Schwanz einziehen."

Was reitet einen Unternehmer, Millionen in eine Nischensportart zu investieren?

Vergangenes Wochenende, Wild sitzt auf der Ehrentribüne des Stadion Louis II in Monaco beim Rugby-Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele in Rio. Es sieht nicht gut aus für Wilds Investment. Ein dummer Fehler hat das deutsche Team in Rückstand gebracht. Jetzt rennen die Spieler gegen die Abwehr der hoch favorisierten Kanadier an. Dann ein Pass, ein Haken, Spieler und Ball tauchen ab in die gegnerische Endzone. Spielende. Deutschland, der Außenseiter, gewinnt. Wild springt aus seinem weißen Ledersessel: "Super! Tolle Bewegung! So geht das!" Er klingt jetzt wie ein Verbandsfunktionär. Dabei ist er durch und durch: Unternehmer. Sein Produkt verkauft er jährlich milliardenfach in 117 Ländern, auf allen Kontinenten. Es hat ihn zu einem der reichsten Menschen der Welt gemacht, mehr als vier Milliarden Euro schwer.

Dieser Artikel stammt aus der ZEIT Nr. 27 vom 23.6.2016.

Rugby ist in Deutschland eine Nischensportart. Die Nationalmannschaft hat noch nie an einer Weltmeisterschaft teilgenommen, selbst zu wichtigen Heimspielen kommen nur ein paar Tausend Zuschauer. Doch Wild wäre nicht der Erste, der mit viel Geld einen Außenseiter nach oben bringt. Der SAP-Gründer und Fußballfan Dietmar Hopp steckt Millionenbeträge in eine Provinztruppe, die TSG Hoffenheim. Heute spielt der Club in der Bundesliga.

Geht das auch mit einer ganzen Sportart? Lassen sich mit Geld Sieger machen? Und was reitet einen Unternehmer wie Hans-Peter Wild, seine Millionen ausgerechnet in eine Nischensportart zu investieren?

Das Spiel gegen Kanada ist kaum vorbei, da beugt sich Wild zu seinem Begleiter, dem Ex-Rugby-Profi Robert Mohr, einem Schrank von einem Mann: "Ich sehe ja richtig Fortschritte. Ist das jetzt auf den neuen Coach zurückzuführen?" Mohr sagt: "Coach, Rahmenbedingungen, Vorbereitung – das ist ein Gesamtpaket." Wild nickt zufrieden. Es ist sein Gesamtpaket.

16 Mannschaften aus aller Welt kämpften am vergangenen Wochenende in Monaco um das letzte verbliebene Ticket für Rio. Rugby ist nach 92 Jahren wieder olympisch. Die deutsche Nationalmannschaft hat nur noch diese eine Chance: sechs Spiele von je 14 Minuten an zwei Tagen. Dazwischen Eisbäder, um die Schmerzen zu lindern. Es ist ein knüppelharter Wettbewerb in einem knüppelharten Sport. Und Wild ist der Mäzen, der "Pionier", wie er selber sagt. Er ist nicht nur Premiumsponsor der Nationalmannschaft und Förderer des Deutschen Rugby-Bunds, er zahlt auch das Gehalt der angeworbenen Weltklassetrainer aus Südafrika und Neuseeland. Er betreibt die "Wild Rugby Academy" in Heidelberg, das einzige Rugby-Leistungszentrum in Deutschland. Gerade entsteht dort ein neues Trainingszentrum für mehr als zehn Millionen Euro.