Eine kleine Geschichte zur Schutzimpfung

Autor: Denis Pfeiffer

Wie hat sich die Impfung seit ihrer Entdeckung gewandelt? Aus einer alltäglichen Beobachtung vor über 200 Jahren, die zur damaligen Zeit medizinisch noch nicht begründet werden konnte, wurde ein Routineeingriff, der heute kaum noch wegzudenken ist und von etwa 90% der deutschen Bevölkerung akzeptiert und praktiziert wird.

Die Einführung der Impfprophylaxe kennzeichnet einen entscheidenden Meilenstein in der medizinischen Forschung. Die Entdeckung der sogenannten Immunität (lat. immunitas = Freisein von) gegen die weit verbreitete und oftmals tödlich endende Pockenkrankheit im 18. Jahrhundert zählt dabei zur Geburtsstunde der heute allgemein bekannten Impfung:

Die Pockenkrankheit hatte jahrhundertelange, schwerwiegende und unkontrollierbare Epidemien verursacht und etwa zwei Drittel der Infizierten mit in den Tod gerissen. Keiner war vor den Pocken sicher – bis zum Jahr 1776, als der englische Landarzt Edward Jenner beobachtete, dass die Landsleute, die sich mit dem für den Menschen ungefährlichen Kuhpockenvirus infiziert hatten, nicht an den lebensbedrohlichen Pocken erkrankten. Um seine Vermutung zu bestätigen, infizierte Edward Jenner einige seiner Patienten mit dem Eiter, den er aus den Kuhpockenpusteln gewinnen konnte. Alle Patienten hatten die Infektion mit dem Kuhpockenerreger (lat. vacca = die Kuh – daher heißen noch heute Impfstoffe in der Fachterminologie Vakzine) bzw. die „Impfung“ unbeschadet überstanden. Doch, um schließlich die Immunität gegenüber dem gefährlichen Pockenvirus nachzuweisen, infizierte Jenner vorsätzlich einen Jungen mit dem gefährlichen Erreger. Getreu seiner Vermutung zeigte der Junge keine Anzeichen der Krankheit, weshalb die Annahme, ein Kontakt mit dem Kuhpockenvirus diene als Schutz gegen den gefährlichen Pockenvirus, vorläufig bestätigt werden konnte.

Damit zeigte zum ersten Mal eine Impfung Erfolg, deren Evidenz aber zu jener Zeit noch jeglicher wissenschaftlichen Grundlage entbehrte. Jenner konnte als Pionier der Impfprävention Hinweise auf einen exogen induzierten Abwehrmechanismus gegen einstmals verheerende Infektionskrankheiten liefern.

Bald darauf wurde in zahlreichen Ländern die Pockenschutzimpfung als Pflichtimpfung eingeführt, wobei Bayern mit dieser Verordnung am 26. August 1807 zu den Vorreitern zählte. Lag die Sterbeziffer im Deutschen Reich durch das Pockenvirus Anfang des 19. Jahrhunderts noch bei knapp 85 000 Menschen, so wurden Anfang des 20. Jahrhunderts „nur“ noch 18 Todesfälle registriert.

Auch der bekannte französische Chemiker Louis Pasteur beschäftigte sich mit verschiedenen Methoden zur Verhütung von Infektionskrankheiten. Dabei gelang es ihm, einen Impfstoff gegen Hühnercholera und kurze Zeit später auch gegen Milzbrand zu entwickeln. Er war es außerdem, der 1885 einen mit dem Tollwut-Erreger infizierten Patienten durch eine erfolgreiche Impfintervention heilte.

Doch nicht immer verliefen Impfungen nach Plan. Unerwünschte Nebenwirkungen im Anschluss an einen solchen Eingriff werden als Impfunglück bezeichnet. Sie sind genauso Teil der Impfgeschichte, wie die erfolgreiche Eliminierung von Krankheiten. Ein Beispiel eines Präparats, das kurze Zeit nach seiner Einführung wieder vom Markt genommen wurde, ist die Impfung gegen Tuberkulose im Jahr 1930: Im Lübecker Krankenhaus wurden insgesamt 256 Neugeborene gegen Tuberkulose geimpft, von denen im weiteren Verlauf 77 Kinder starben und 131 an Tuberkulose erkrankten – ein Ereignis, das auf eine Verunreinigung des Impfstamms zurückzuführen war und heute als das folgenschwerste Impfunglück in der Geschichte des 20. Jahrhunderts gilt.

Vorfälle ebendieser Art bildeten in den letzten Jahrzehnten den Nährboden für die Aversion gegen Impfungen in unserer Gesellschaft. Und dennoch ist die Medizin mehr denn je von der Wirkungskraft von Impfungen überzeugt und forscht weiter nach neuen Vakzinen im Kampf gegen drohende Krankheiten.