Hauptverband des Österreichischen Buchhandels

Follett, Ken


"Mein Motto lautet: Es hätte passieren können!"

Mit Sturz der Titanen (Bastei Lübbe) hat Bestseller-Autor Ken Follett eine Saga über das 20. Jahrhundert vorgelegt. Kurz vor seinem Wien-Besuch im Rahmen der BUCH WIEN Lesefestwoche erzählt er von der Entstehung seines neuen Romans und was dieser mit ihm und seiner Familiengeschichte zu tun hat.

Redaktion: Gabriele Madeja / Foto: Olivier Favre
Anzeiger 11/2010

Welche große Idee, welches Thema liegt Ihrem neuen Roman zugrunde?
Ich wollte über ein großes Thema schreiben, über unsere Geschichte - darüber, woher wir kommen. Es sollte ein Roman über uns werden, über unsere Eltern und Großeltern. Das 20. Jahrhundert ist doch das Jahrhundert der Freiheit und der Demokratie, und - nicht zu vergessen - das Jahrhundert der Frauenrechte und der Gleichstellung. Das ist ein großer Kontrast zu früher! Es war mein Ehrgeiz, über die westliche Zivilisation zu schreiben. Ich bin jetzt 61 Jahre alt, und wenn ich noch ein ehrgeiziges Projekt realisieren möchte, dann muss ich das jetzt tun.

Warum spielt Ihr neues Buch im 20. Jahrhundert, und nicht wie Ihre früheren Erfolgsromane im Mittelalter?
Ich wollte einen ähnlich groß angelegten Roman wie Die Säulen der Erde und die Tore der Welt schreiben, allerdings sollte es kein weiterer Mittelalterroman werden. Während der Arbeit an diesen beiden Büchern habe ich drei Jahre im Mittelalter verbracht und brauchte eine Auszeit. Also dachte ich über das 20. Jahrhundert nach und überlegte: Das ist die Geschichte meiner Eltern und Großeltern und auch die meine - es geht um mein eigenes Leben. Aus dieser Zeit kommen wir alle. Mein Großvater meldete sich als Freiwilliger 1916 zur britischen Armee, und glücklicherweise kämpfte er nicht in Frankreich, sonst wäre ich vermutlich heute nicht hier. Es ist Weltgeschichte, aber auch die Geschichte, die Menschen durchlebt haben, die ich kannte. Das 20. Jahrhundert ist ein äußerst faszinierendes, aber auch das gewalttätigste Jahrhundert in der Geschichte.

Worum geht es also in Ihrem neuen Roman?
Sturz der Titanen
erzählt von fünf Familien - einer amerikanischen, einer russischen, einer deutschen und zwei britischen: Es geht um ihre Schicksale, um ihre Liebes- und Ehegeschichten, um ihre Erfahrungen im Krieg und um ihren finanziellen Gewinn und Verlust. Diese Themen machen meiner Meinung nach einen Roman aus. Aber die Trilogie schildert auch die großen Ereignisse in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Menschen im Roman durchleben den Ersten Weltkrieg und die Russische Revolution, und deren Auswirkungen auf die frühen 1920er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

Es ist aber kein historisches Sachbuch, sondern ein Roman, und der handelt von Menschen und ihren Leidenschaften. Aber gleichzeitig erzählt er auch über die Erfahrungen dieser Menschen mit Geschichte und wie sie diese großen historischen Momente erlebt haben. Ich wollte mir keine Freiheiten mit der Weltgeschichte erlauben, ich wollte erzählen, was auf der Weltbühne, auf den Schlachtfeldern und im Parlament geschah, und das ist alles wahr. Genauso ist es geschehen! Ich mache das, indem ich eine fiktionale Figur in die Geschichte einfüge, meist ist es jemand, über den wir gerade im Roman gelesen haben. Meine Romanfiguren, einer der jungen Männer oder eine der jungen Damen ist dann eben bei der historischen Begebenheit dabei. Und zum Schluss, wenn ich mit meinen Recherchen fertig bin, engagiere ich Historiker - im Fall von Sturz der Titanen waren es acht, die das Manuskript lesen und korrigieren, also hoffe ich, dass keine Fehler auftauchen werden! Gesellschaftliche Grenzen sind im Laufe der Zeit immer wieder durch romantische Affären überwunden worden - das zeigt uns die Geschichte. Für mich ist das eine Möglichkeit, Menschen aus unterschiedlichen Gesellschaftsebenen zusammenzubringen, obwohl sie sich eigentlich feindlich gegenüberstehen. Es geht mir um politische oder gesellschaftliche Trennungslinien zwischen Menschen, die intensiv voneinander angezogen werden, das bringt großes Chaos mit sich und daraus entsteht Dramatik.

Mein Thema betrifft die gesamte Zivilisation und ich erzähle die Geschichte nicht nur aus der Sicht eines Landes. Ich habe mich bemüht, alle bedeutenden historischen Ereignisse von einem internationalen Blickwinkel aus zu schildern. Nicht nur der Erste Weltkrieg ist das Thema des Romans, die Russische Revolution spielt eine ebenso große Rolle im Buch - beides gehören ja untrennbar zusammen - wie man weiß.

Sturz der Titanen ist der Roman über die dramatische Wucht von Geschichte. Die Leser werden die Russische Revolution, den Sturm auf das Winterpalais, den Weltkrieg und die Schlacht an der Somme miterleben. Es gibt Szenen im Weißen Haus und solche im Britischen Parlament, aber ich wollte von Anfang an klarstellen, dass es hier um Individuen geht. Genau aus diesem Grund habe ich den jungen Billy und seine kleine Welt an den Anfang des Buches gestellt.

Ihr Roman beginnt mit einer Szene in Wales, im Bergarbeitermilieu. Das ist doch sehr persönlich, denn Sie stammen auch aus Wales.
Ja, meine Romanfigur Billy ist im Alter von 13 Jahren zum ersten Mal in die Grube gefahren, so wie mein eigener Großvater. Für diese Waliser Familie hat meine eigene Familiengeschichte als Vorbild gedient.

Im Roman spielen viele faszinierende Personen eine Rolle: Wie bringen Sie die alle zusammen?
Ich habe den Roman - in diesem Fall den ersten Band der Trilogie - etwa ein Jahr lang geplant. Meine Leser erwarten, dass es nie langweilig oder unlogisch wird. Der Roman wird vom Anfang bis zum Schluss akribisch durchgeplant. Ich arbeite immer so: Ich schreibe immer mit Blick auf die Handlung, sie muss sich ständig weiterentwickeln, in Bewegung bleiben.

Haben Sie eine Lieblingsfigur?
Na ja, Maud, die junge britische Aristokratin ist ein bisschen so wie ich, sie interessiert sich auch sehr für Politik. Meine Frau ist Mitglied des Britischen Parlaments. Ich bin eigentlich der Maud im Roman recht ähnlich: Ich rede mit allen, ich kenne sie alle. Meine Frau trifft sich mit anderen Parlamentariern, und ich bin dabei. Mein Leben ist so wie das von Maud, ich weiß alles, habe aber selbst keinen Einfluss auf die Politik.

Machen Sie sich im Roman nicht auch ein wenig lustig über die britische Aristokratie?
Wie kann man sich denn nicht über sie lustig machen, über solche eingebildeten, arroganten Menschen wie zum Beispiel meine Romanfigur Fitz (Earl Fitzherbert). Sie waren damals doch nur reich, weil sie die Armen ausgebeutet haben. Sie glaubten ganz im Ernst, dass Gott sie ausgewählt und ermächtigt hat, sich über die unteren Schichten zu erheben. Über Menschen mit solchen Ansichten muss man sich doch auch lustig machen können! Aber im Blickpunkt der Geschichte liegt doch immer das Drama der Menschheit.

Wie wird es dann in der Trilogie weitergehen?
Derzeit schreibe ich am zweiten Teil, dieser Roman führt den Leser vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zum Zweiten Weltkrieg. In dieser Zeit entstand der Völkerbund, und die Idee dahinter war doch, dass in Zukunft Auseinandersetzungen zwischen Ländern von der Völkerbundversammlung gelöst werden sollten, anstatt durch Krieg. Warum funktionierte das nicht? Es war doch eine ausgesprochen gute Idee: So sollten wir unsere Auseinandersetzungen lösen, und doch haben wir es nicht getan. Das ist eines der Themen im zweiten Band meiner Jahrhundertsaga, die gleich lang sein wird wie der erste Band. Der dritte Teil der Trilogie handelt dann vom Kalten Krieg und endet im Jahr 1989 mit dem Fall der Berliner Mauer.

Ken Follett, 1949 in Cardiff ( Wales) geboren, lebt als freier Schriftsteller in London und Hertfordshire. 1978 wurde er mit dem Thriller Die Nadel weltberühmt: Der Roman wurde in 30 Sprachen übersetzt, rund zwölf Millionen Mal verkauft und mit dem Edgar-Award ausgezeichnet. Weitere Megaseller folgten, sieben seiner Bücher sind mittlerweile auch verfilmt worden. Auf Deutsch erscheinen die Werke des Bestsellerautors bei Bastei Lübbe.

Am 18. November 2010 liest und signiert Ken Follett um 15.00 Uhr auf der ORF-Bühne der BUCH WIEN 10 (Messe Wien), um 19.30 Uhr stellt er sein neues Buch im Rahmen der BUCH WIEN Lesefestwoche auf dem Jagdplateau der Neuen Burg (1., Heldenplatz) vor.

Hauptverband des Österreichischen Buchhandels
 
Zur Startseite  

Realisiert mit ContentLounge 10.3.1