TIROL NEWS SPORT JOURNAL FREIZEIT TIROL.COM
Magazin





 KONTAKT

 

Ein Reisender
Von Liane Pircher
Foto: Parigger

Lange als Erneurer der Volksmusik gefeiert, bleibt Hubert von Goisern der Widerständler unter Österreichs Musikern.

Hubert von Goisern ist in allem, was er tut, raumgreifend. Wenn er die Arme hebt, ist es, als würde er sein Gegenüber umarmen wollen; wenn er mit den Händen gestikuliert, scheint auf der Welt nichts mehr zu existieren als diese Hände; wenn er schaut, fordern seine Augen vom Gegenüber volle Aufmerksamkeit. Er gehört zu jenen Menschen, die man sofort bemerkt. Selbst wenn sie einen vollen Raum betreten. Man könnte sagen: Wo er ist, gibt es nur Hubert von Goisern. Aber das wäre nur die halbe Wahrheit und damit falsch. Richtig ist: Bis sich der Bad Goiserer so offen gibt, dauert es eine Weile. Von Haus aus ist er nämlich scheu. Zumindest wenn er auf Journalisten trifft. Da macht er erst einmal einen misstrauischen Eindruck, wartet ab, horcht genau auf die Fragen. Fast so, als ob er sagen würde: Reden tu' ich sowieso nur, wenn mir die Fragen passen.
Alles bleibt anders
Hubert von Goisern hat gerade seine „iwasig“-Tournee hinter sich und lebt deshalb in einer eigenen Welt: „Auf Tournee bin ich vom Rest des Lebens abgekoppelt. Da gibt es sonst nichts. Neuigkeiten bekommt man erst wieder mit, wenn man heimkommt. Das ist wie im Urlaub, wenn man mit dem Auto über die Landesgrenze rollt und das erste Mal wieder den heimischen Radiosender hört“, erklärt der Musiker. Hubert von Goisern mag solche Zustände. Liebt es, sich auf Fremdes einzulassen, zu improvisieren. Stillstehen ist ihm ein Gräuel. Deshalb ist er auch ein Reisender.

„Es gibt Künstler, die sich aus der Politik heraushalten. Das finde ich nicht gut, denn als Künstler hat man die Chance sich so einzumischen, dass einem zugehört wird“ .

Erst kürzlich war er wieder in Ägypten, um den arabischen Superstar Mohamed Mounir – ein Seelenbruder, wie er sagt – zu treffen. Mit ihm plant er gemeinsame Konzerte für 2003. Vorher – ab Mitte Jänner – wird er sich aber noch daheim in die Berge zurückziehen, um an den Aufnahmen für „Trad 2“ zu arbeiten. Jodler sollen's werden. Ausschließlich. „Das wollte ich schon auf der ersten ,Trad'-CD unterbringen, aber da wär's dann zuviel geworden“, erklärt er. Damit wird er nach der jüngsten CD „iwasig“, einem groovigen extrovertierten Werk, wieder einen Schritt in Richtung Verinnerlichung setzen. Dass Hubert von Goisern samt seiner Musik unberechenbar ist und gerne Neues auslotet, ist sein Publikum mittlerweile gewöhnt. Es weiß auch, dass es in seinen Konzerten kein „Hiatamadl“ mehr zu hören gibt. Das ist vorbei: „Das Aus mit den Alpinkatzen war bewusst ein ziemlicher Bruch, vor allem die CD ,Fön' war nach der langen Pause etwas ganz anderes. Erst mit der neuen CD ,iwasig' habe ich wieder ein paar Sachen von damals reingeholt. Ich wollte es bei den Konzerten wieder einmal so richtig tuschen und krachen lassen und dass die Leute voll mittanzen“, sagt der 50-Jährige. Hubert von Goisern ist ein Widerständler. Immer schon gewesen. Ob er mit der Ziehharmonika die heimische Volkstümelei aufmischt, Ö3 wegen seiner Musik oder Politiker wegen ihrer Flüchtlingspolitik angeht, macht keinen Unterschied. Er kann gar nicht anders: „Ich komm' gar nicht darum herum meinen Mund aufzumachen. Ich glaube, dass es fast keinen Künstler gibt, der nicht bemerkt, was um ihn herum passiert. Es äußern sich nur nicht alle dazu. Als Künstler hat man aber die Chance, sich einzumischen. Ich tu' das eben. Politik kann auch nicht nur den Politikern überlassen werden. Für mich ist das wie Essen und Trinken – ich will das nicht verweigern“, sagt der Musiker. Deshalb trifft er sich auf Reisen auch immer wieder mit Leuten, „die in der Politik drin sind“, wie er sagt. Etwa Österreichs Botschafter.
Tibet und Afrika
Hubert von Goisern mag Afrika und Tibet. Interessiert sich für den Buddhismus genauso wie für arabische Kulturen. Steht aber genauso gerne auf heimischem Boden, jenem Land namens Österreichs, das es ihm oft so schwer macht.
Zwei-Welten-Mensch
Was beide Welten als Ganzes angeht, drängen ihn mehr Fragen als er Antworten hat: „Wenn ich von Reisen zurückkomme, habe ich immer wieder einen gscheid'n Kulturschock, der sich in totaler Verzweiflung äußert. Da erscheint mir erst einmal alles uferlos“, sagt er. Den Mut zum Weitermachen – eine der schwierigsten Sachen, wie er sagt – verliert Hubert von Goisern aber nie. Dass beides zusammengeht, hat er mit seiner alpenländischen Weltmusik längst bewiesen.

Hubert von Goisern wurde am 17. November 1952 als Hubert Achleitner geboren. Mit 22 Jahren ging er nach Südafrika und arbeitete dort als Chemielaborant. Später lebte er mit seiner ersten Frau, einer Kanadierin, in Toronto, wo er Musik studierte (dann in Wien). In Österreich gelang ihm mit den Alpinkatzen („Koa Hiatamadl“) der Durchbruch. 1994: Ende der Alpinkatzen. 2000: Comeback mit „Fön“. Es folgte u.a. „Trad“. HvG gewann den Amadeus Music Award for Best National Artist Rock/Pop. „iwasig“ heißt sein neues Album. Hubert von Goisern ist heute verheiratet und hat zwei Kinder. Er lebt in Salzburg.

Portraits