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Routinier an der TV-Front
Von BRIGITTE WARENSKI
Ingrid Thurnher
Foto: Fischer

Vor der Kamera ist Ingrid Thurnher sachlich und souverän. Privat sieht sich das ORF-Aushängeschild als Mimose.

Man kann den Spieß ja auch einmal umdrehen. Man kann Ingrid Thurnher zuhören, aber nicht beim Fragenstellen, sondern beim Fragenbeantworten. Und da zeigt sich die beliebte ZIB-2-Moderatorin ganz genau so, wie wir sie kennen: gewinnendes Lächeln, charmante Ausstrahlung, angenehme Stimme und eine Geste, die uns beinahe vertraut erscheint. Das ist ihr Griff ins volle Haar, den die Kameras in kniffligen Interviews und kurzen Nachdenkpausen immer wieder einfangen.
So verwundert es kaum, dass Thurnher am Beginn ihrer ZIB-Karriere 1995 das Publikum nicht zu Anrufen wegen ihrer Bluse, des Lippenstifts oder der Halskette inspirierte. Es war ihre „schwer zu bändigende“ Haarpracht, über die – kaum war das erste Wort gesprochen– die Zuseher ihr Urteil fällten und sich nicht scheuten, ihre Haar-Meinung beim ORF zu deponieren.

Wie ein Ehepaar
Inzwischen, nach vielen hunderten Sendungen, hat sie das Gefühl, dass „das Publikum und ich wie ein altes Ehepaar sind, das sich sehr aneinander gewöhnt hat“. Heute wird der beinahe allabendliche Gast in unseren Wohnzimmern vor allem wegen seiner Kompetenz und Souveränität an der TV-Front geschätzt.
Es scheint keinen noch so aufgeblasenen, aufgeregten oder schüchternen Interviewpartner und kein technisches Malheur zu geben, das die gebürtige Bludenzerin aus der Fassung bringt. „Da, wo man sich sicher fühlt, ist man zu Hause. Ich schöpfe diese Sicherheit aus der genauen Vorbereitung, aus der Auseinandersetzung mit den Themen“, erzählt Thurnher. Nur einmal, im Sommer 1997, wurde ihre Gelassenheit auf eine harte Probe gestellt.

Waalkes-Anekdote
Otto Waalkes bombardierte sie auf jede Frage mit Passagen aus seinem aktuellen Bühnenprogramm. Urplötzlich warf sich der deutsche Starkomiker dann an Thurnhers Hals, riss das Mikrophonkabel mit, versteckte sich unter dem Moderatorentisch und zupfte bis zum Ende der Sendung unermüdlich an Thurnhers Hosenbein. „Jedes Mal, wenn ich daran denke, bekomme ich einen Schweißausbruch. Diese Anekdote wird noch irgendwann auf meinem Grabstein stehen“, erinnert sich Thurnher lächelnd an den Abend, den auch viele ihrer Fans nie vergessen werden. Was einen Routinier wie sie auch heute noch aus dem Konzept bringen könnte, darüber will sie sich „eigentlich lieber gar keine Gedanken machen. Einmal klappt eine Leitung nicht, dann kommt ein Bericht später. Mit solchen Szenarien wird man leicht fertig. Was ich nicht gern möchte, ist einen Interviewpartner, der ausflippt. Da aber die meisten Studiogäste Politiker sind, die wissen, was ein öffentlicher Auftritt von ihnen verlangt, rechne ich aber auch nicht damit“. Disziplinierte Zurückhaltung, Nicht-Zur-Schau-Stellung der persönlichen Einstellung, fordert das ORF-Aushängeschild von sich selbst ein. Für sie gilt in allen Situationen das eherne Gesetz der Sachlichkeit und Unparteilichkeit.

Keine Powerfrau
„Emotional zu werden ist nicht unser Geschäft, obwohl es nicht immer ganz einfach ist, sich zurückzuhalten. Man muss daran arbeiten, sich vor der Kamera im Griff zu haben“, meint Thurnher.
Dass man vor lauter nobler Zurückhaltung im Privaten das Verlangen verspürt, über die Stränge zu schlagen, sei bei ihr nicht der Fall. „Das habe ich vielleicht mit 20 gemacht. Heute bezeichne ich mich mehr als sensiblen Menschen. Eigentlich bin ich sogar eine Mimose“, gesteht Thurnher ein und ergänzt: „Ich bin in manchen Situationen privat viel unsicherer, als man sich vielleicht erwartet. Womit ich zum Beispiel gar nichts anfangen kann, ist der Begriff Powerfrau. Man sagt ja zu einem Mann, der seinen Job gut macht, auch nicht Powermann, sondern einfach Mann.“

„Emotional zu werden ist nicht unser
Geschäft, obwohl es nicht
immer ganz einfach ist, sich zurückzuhalten.
Man muss daran arbeiten,sich vor der Kamera im Griff zu haben.“

Ein wenig aus der Luft gegriffen wirkt damit das Bild, das in so manchem Porträt von der ZIB-Frau gezeichnet wurde: Thurnher als Draufgängerin, eine Frau, die wagemutig einmotorige Sportflugzeuge über Täler und Berge steuert. „Nein, da geht es mir nicht um die Demonstration von Stärke. Um wirklich gut fliegen zu können, muss man sehr konzentriert sein. Das ist auch ein Erfolgsrezept für viele andere Dinge. Das Wetter, der Himmel, die Landschaft, die vorbeizieht, das nimmt einen total gefangen. Da ist man nur bei dieser Sache. Für ein paar Stunden ist alles andere völlig irrelevant.“

Bestseller-Buch
Klar bei der Sache zu sein, ist auch einer der Leitsprüche, die Thurnher anderen Menschen nahe legt, die mit wenig Worten viel Wirkung erzielen wollen.
Über die Kniffe, natürlich, sicher und überzeugend vor anderen zu reden, schreibt sie in ihrem ersten Buch „So reden Sie sich zum Erfolg“, das sich nach kürzester Zeit einen Platz ganz vorn in den Sachbuch-Bestsellerlisten erobert hat. Wo die Kardinalfehler der meisten liegen, darüber muss Thurnher nicht lange nachdenken. „Es gibt Menschen, die haben tolle Geschichten zu erzählen und die lassen uns ihre Begeisterung einfach nicht spüren. Wieder andere sind sprachlich total verbildet, reden irgendwo zwischen Funktionärs- und Beamtendeutsch. Warum glauben sie, wenn sie öffentlich reden, keine Menschen mehr sein zu dürfen?“
Viele, ist Thurnher überzeugt, müssten mehr Mut haben, zu ihrer Einzigartigkeit zu stehen. Und wo ortet sie ihre eigenen Stärken? „Wenn ich von etwas überzeugt bin, stehe ich voll dafür ein mit allen Für und Wider. Was meine Persönlichkeit im Fernsehen ausmacht, das ist eine andere Geschichte. Das weiß ich eigentlich auch nicht genau.“

 

ORF-Laufbahn: 1986 bis 1991 Redakteurin im Aktuellen Dienst im Landesstudio Niederösterreich; moderierte u.a. „Österreich heute“; 1991 bis 1994 Redakteurin der Innenpolitik; 1995 Wechsel zur ZIB 2;
Freizeit: Fliegen, Lesen, „kleine“ Weinsammelleidenschaft, Wochenendtripps mit dem Ehemann ins Waldviertel, Burgenland, nach Triest;
Bestseller-Buch: Kommunikationsleitfaden „So reden Sie sich zum Erfolg“ in den Bestseller-Listen; Tipps, wie man Zuhörer gewinnt und Ratschläge, wie man eine misslungene Rede vermeidet sowie kleines Rüstzeug für den öffentlichen Auftritt;

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